Bochum. Der Thriller „Der Kissenmann“ wird in den Kammerspielen Bochum zu einer beschwingten Krimikomödie. Ein großer Abend für vier Schauspielerinnen.
Zwei Kinder sind tot, ein junges Mädchen wird vermisst: Da gerät der erfolglose Autor Katurian in den Fokus der Ermittler. Denn in seinen mühevoll verfassten Kurzgeschichten, von denen noch keine einen Verleger fand, hat er die Verbrechen bereits perfekt beschrieben. Ist er selbst der Mörder oder liefert er dem Täter nur die Anleitung für seine Verbrechen? Kommissar Tupolski ist ratlos – und schenkt sich erstmal eine Tasse Tee ein…
Mit „Der Kissenmann“ gelang dem britischen Dramatiker Martin McDonagh im Jahr 2003 ein weltweit gespielter Hit. Das Stück strotzt vor schwarzem Humor und sonderbaren Figuren – und erstaunlich groß ist die Bandbreite der Spielmöglichkeiten. Viele Bühnen (darunter vor einigen Jahren auch das Theater Rottstraße 5) zeigten es als beinharten Thriller, deren quälend lange Verhörszenen durchaus an den Nerven der Zuschauer rütteln können.
Zur Person: Martin McDonagh
Martin McDonagh ist ein britischer Dramatiker und Filmregisseur mit irischen Wurzeln. Bekannt wurde er durch den Film „Brügge sehen … und sterben“. Sein 2017 erschienener Film „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ wurde mit zwei Oscars ausgezeichnet, darunter für Frances McDormand als beste Hauptdarstellerin.
„Der Kissenmann“ wieder am 2. und 28. November in den Kammerspielen. Dauer: ca. 1 Stunde und 50 Minuten ohne Pause. Karten: Tel. 0234 / 33 33 55 55.
Heiterer Tonfall bei Komödie in Bochum
Völlig andere Wege beschreitet jetzt Guy Clemens in den KammerspielenBochum: Bei ihm wird das Stück zu einer leichten, fast schon beschwingten Komödie, deren heiterer Tonfall bestens zu unterhalten versteht. Statt in den kargen Räumen einer Polizeistation zeigt er es in einem hübsch eingerichteten Kinderzimmer mit Wölkchen-Tapete und Schaukelpferd (Bühne: Katrin Bombe). Nur das zynische Ende weiß gehörig zu erschrecken. Dass ein einziges Stück dermaßen grundverschieden ausgelegt werden kann, zeugt gewiss von seiner Qualität.
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Dabei muss man wissen: Guy Clemens ist im Hauptberuf Schauspieler und gibt mit „Der Kissenmann“ sein Regiedebüt. Vorderes Ziel für ihn scheint zu sein, seinem Ensemble auf der Bühne ein bestmögliches Plateau zu bieten. Auf eigene Inszenierungs-Mätzchen verzichtet Clemens komplett, von denen gab es im Schauspielhaus in den letzten Wochen schließlich mehr als genug. Vielmehr steht die Geschichte im Fokus – getragen von vier beherzt aufspielenden Schauspielerinnen, von denen jede einzelne an diesem Abend kräftig leuchten darf.
Weibliche Besetzung erweist sich als Coup
Das Stück ausschließlich mit Frauen zu besetzen, ist allerdings ein Coup. Normalerweise sind es vier stramme Typen, die sich hier gegenseitig an die Gurgel gehen, doch die ungewöhnliche Besetzung bietet eine Menge Chancen. Sie schafft mehr Sympathie für die Figuren, als es vom Autor wohl beabsichtigt war – und übermittelt nebenbei die augenzwinkernde Botschaft, dass weibliche Cops im Zweifel ohnehin die wesentlich härteren Kerle sind.
So ist es einfach ein herrlicher Spaß, Anna Drexler in der Rolle des eiskalten Inspektors Tupolski zu sehen. Die Haare nach hinten gegelt, trägt sie eine viel zu große Polizeiuniform. Selbst bei einer simplen Befragung kann sie den Finger nicht vom Revolver lassen. Auch mit Romy Vreden als Polizeikollege Ariel ist nicht zu spaßen: Als knallharter Verhör-Profi verstrickt sie den Verdächtigen dermaßen schnell in Widersprüche, dass es kein Entrinnen mehr gibt.
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Hinter der freundlichen Fassade lauern Abgründe
Verdächtig ist hier vor allem der Autor Katurian, den Karin Moog als späten Hippie-Freigeist gibt. Doch hinter der freundlichen Fassade lauern Abgründe (mehr wird hier nicht verraten!). Als jüngerer, geistig zurückgebliebener Bruder Michal gelingt Anne Rietmeijer eine Glanzleistung. Ihr Michal ist infantil, spitzbübisch, bockig und liebenswert gleichermaßen: Allein dafür lohnt sich der Theaterbesuch. Großer Jubel!