Bochum. 100 Jahre Radfahren in Bochum: Unter diesem Titel erforschen zwei Historikerinnen die Geschichte des Radfahrens. Gesucht werden Zeitzeugen.

Knapp 123.000 Radfahrer sind in diesem Jahr schon in Höhe Querenburger Straße über die Bochumer Springorum-Trasse gefahren. So hat es eine im Boden versenkte Zählstelle registriert. Ungezählte weitere Radfahrer kommen noch hinzu, die woanders auf der Trasse unterwegs waren. Diese hohe Fahrrad-Frequenz gab es viele Jahrzehnte in Bochum überhaupt nicht.

Bochum war und ist großteils immer noch von Autos dominiert. Welche Geschichte das Radfahren in Bochum hat, wird zurzeit von zwei Hobby-Historikern erforscht. Und WAZ-Leser können dabei mithelfen.

Das Fahrrad verschwand fast völlig aus dem Stadtbild in Bochum

Auch interessant

„100 Jahre Radfahren in Bochum“: Unter diesem Titel wollen Ute Leschny und Gerlinde Ginzel dem damaligen Bedeutungsverlust des Fahrrades auf die Spur kommen. „Nach dem Siegeszug des Fahrrades als beliebtestes Verkehrsmittel im Berufsverkehr des Ruhrgebietes verschwand es angesichts zunehmender Motorisierung des Nahverkehrs fast völlig aus dem Straßenbild“, sagt Gerlinde Ginzel, die auch Vorsitzende des ADFC Bochum ist.

Die beiden Frauen haben ein Stipendium der GLS-Bank bekommen. Mit diesen Mitteln arbeiten sie schon seit Monaten an ihrer Recherche. Am Ende soll es eine Ausstellung und eine Broschüre geben.

In Bochum gab es Radrennbahnen

Die ehrenamtlichen Historikerinnen, die selbst viel Rad fahren, zeichnen vor allem das historische Radwegenetz in einer Übersichtskarte nach und vergleichen es mit der aktuellen Infrastruktur. Dabei sind sie „auf eine lebendige Radgeschichte gestoßen“, wie sie sagen.

So gab es eine erste Bochumer Radrennbahn von 1889 bis 1904 an der Freudenbergstraße in Hamme, 1924 wurde eine weitere Bahn im Ehrenfeld erbaut. Dort wurden internationale und deutsche Rad- und Steherrennen veranstaltet. 1977 wurde die Bahn abgerissen und an ihrer Stelle Hochhäuser errichtet.

„Auch persönliche Erinnerungen wirken mit“, sagt Gerlinde Ginzel. Auf dem Schulweg fuhr eine von ihnen mit dem Fahrrad über einen gut ausgebauten Fahrradweg auf der Straße Op de Veih in Wattenscheid. Der ehemalige Radweg ist heute nicht mehr vorhanden, er wird als Autoparkplatz genutzt.

Wie in Bochum aus dem Opel-Fahrrad das Opel-Automobil wurde

Zu den Fragen, mit denen sich das Forschungsprojekt auseinandersetzt, gehören auch folgende Themen: Wie viele alte Fahrradwege gab es früher – inklusive derjenigen, die jetzt Autoparkplätze sind? Welche Rolle spielte das Rad als Mobilitätsfaktor für die Beschäftigten im Ruhrgebiet: vom Opel-Fahrrad zum Opel-Automobil?

So können Leser-Beiträge eingereicht werden

Ute Leschny und Gerlinde Ginzel planen auch die Präsentation der Ergebnisse im Internet (Webseite mit Fotos, Videos, Podcasts und eine Straßenkarte/Open-Street-Map).

Zeitzeugen können ihre Berichte und persönlichen Geschichten schriftlich per E-Mail, als Brief oder mündlich im Interview weitergeben. Kontakt per Mail über: ginzel@adfc-bo.de sowie uleschny@historische-Radwege.de

Auch die Bedeutung des Fahrrades in der Geschichte Bochums und im Ruhrgebiet soll mit Unterstützung von Zeitzeugenberichten erforscht werden.

Deshalb sind für die beiden Frauen auch persönliche Erlebnisse in der Zeit von 1920 bis 1970 von besonderem Wert: auch in der Familie Überliefertes und schicksalhafte Erlebnisse wie zum Beispiel Flucht per Rad, Versorgung in Kriegs- und Nachkriegszeiten, Arbeitswege, Freizeitnutzung und anderes.

Historikerinnen suchen Fotos und anderes Datenmaterial

Und natürlich Erlebnisse von Radreisen, als der Urlaub mit dem Rad noch nicht so populär war. „Wir suchen Fotos, Daten- und Kartenmaterial, Abbildungen alter Fahrräder und ihrer Verwendung sowie die Erzählungen von Zeitzeugen“, so Gerlinde Ginzel.

Nach der Auswertung sollen die eindrucksvollsten Erzählungen in der WAZ veröffentlicht werden.