Bochum. Eine ADFC-Umfrage in Bochum ergab: Radfahren in Bochum ist meist mit Stress verbunden. Gesamtnote: 4-. Für die Stadt ist das zu pessimistisch.
„Versetzung gefährdet, hier ist ein blauer Brief erforderlich!“ Mit dieser Mahnung beginnt der ADFC Bochum eine Pressemitteilung, in der er der Stadt für ihre Anstrengungen bei der Verbesserung der Fahrrad-Infrastruktur ein insgesamt schlechtes Zeugnis ausstellt. „Als Gesamtnote gibt es eine vier minus, also dringender Handlungsbedarf, dafür hätten manche Eltern ihren Kindern mehr Disziplin und Nachhilfe verordnet“, sagt ADFC-Sprecher Georg Puhe.
Anlass der Schelte ist das Ergebnis des „Fahrradklimatests 2020“. Alle zwei Jahre fragt der Fahrradclub bundesweit in allen Städten nach, wie zufrieden Radfahrende mit den Bedingungen vor Ort sind. An der Onlinebefragung in Bochum nahmen 643 Bürger teil. „Das Ergebnis hat sich gegenüber der Befragung von 2018 stabil auf unterdurchschnittlichem Niveau gehalten“, resümiert Puhe.
Umfrage des ADFC Bochum ist nicht repräsentativ
Auch interessant
Repräsentativ ist die Umfrage allerdings nicht, denn in Bochum sind viele Tausend Menschen regelmäßig mit dem Rad unterwegs.
Laut ADFC nimmt Bochum (ca. 370.000 Einwohner) im Vergleich zu den 26 Städten zwischen 200.000 und 500.000 Einwohnern den 16. Rangplatz ein. „Das darf aber der aufstrebenden Stadt Bochum mit hohen Ambitionen nicht genügen. Die Universitäts- und Wissensstadt muss sich am Spitzenreiter Karlsruhe messen, der ein befriedigend erreicht hat“, sagt Puhe.
Befragt wurden die Bürger zu ihrer Einschätzung in 27 Disziplinen gefragt wie zum Beispiel die Sicherheit, Erreichbarkeit des Zentrums oder Komfort. In 24 Disziplinen liegt sie - teilweise weit - unter dem Durchschnitt. „Das Befragungsergebnis bestätigt das Bild, das die Radfahrverbände ADFC und Radwende seit Jahren kritisieren.“
Der ADFC nennt Einzelwerte: Für 58 Prozent der Befragten ist Radfahren in der Stadt eher mit Stress verbunden. Die Akzeptanz der Radfahrer als Verkehrsteilnehmer wird von 72 Prozent negativ eingeschätzt. Ein Grund dafür liegt laut ADFC in von Autos oder Lastern zugeparkten Radwegen. 88 Prozent vermissen eine regelmäßige Kontrolle auf Radwegen. Besonders schlecht bewertet werden auch die Breite von Radwegen und die Führung an Baustellen.
Schlechte Noten bei Reinigung der Radwege und bei Ampelschaltungen
Auch interessant
Auch bei der Reinigung der Radwege und bei Ampelschaltungen für den Radverkehr schneidet Bochum im bundesweiten Vergleich deutlich schlechter ab. Diese wird von den Bürgern mit 71 bzw. 81 Prozent negativ eingestuft.
84 Prozent der Befragten bemängeln Konflikte mit dem Kraftfahrzeugverkehr, 82 Prozent fühlen sich unsicher.
Bei der Bewertung der Erreichbarkeit des Stadtzentrums schneidet Bochum mithin am schlechtesten ab.
Es gibt auch Positives in der Umfrage
Es gibt in der ADFC-Umfrage aber auch drei Bewertungen, die über dem Durchschnitt der Vergleichsstädte liegen: Punkten kann Bochum mit der Wegweisung für Radfahrer sowie mit den – wenn auch zahlungspflichtigen – Leihradsystemen. Auch der Diebstahl von Fahrrädern scheint hier ein relativ geringeres Problem zu sein.
Gefragt wurde auch zum Thema Radfahren in der Pandemie. Dabei gaben 75 Prozent der Bochumer eine gestiegene Bedeutung des Radfahrens an. Es wurde mehr gefahren und mehr erkundet: 59 % haben neue Radziele entdeckt.
Vermisst wurden von 86 Prozent der befragten BochumerInnen „handfeste Radsignale“ von der Politik - zum Beispiel provisorische Popup-Radfahrstreifen (auf der rechten von zwei Autofahrspuren), neue Fahrradstraßen, verkehrsberuhigte Zonen, Poller gegen Autodurchfahrten, kostenloser Fahrradverleih. Puhe: „Im Gesamtresümee ist festzustellen, dass nach Einschätzung der befragten Bürger kein Fortschritt für den Radverkehr in den letzten Jahren erzielt wurde. Es gibt einen erheblichen Nachholbedarf. Es mangelt bisher an einer klar definierten erkennbaren Umsetzungsstrategie.“
Es gibt aber auch drei Bewertungen, die über dem Durchschnitt der Vergleichsstädte liegen: Punkten kann Bochum mit der Wegweisung für Radfahrer sowie mit den – wenn auch zahlungspflichtigen – Leihradsystemen. Auch der Diebstahl von Fahrrädern scheint hier ein relativ geringeres Problem zu sein.
Für Stadtbaurat in Bochum fallen die Umfrageergebnisse zu pessimistisch aus
Stadtbaurat Dr. Markus Bradtke reagierte auf WAZ-Anfrage zwar mit Verständnis („Wir haben noch Luft nach oben“), vermisste aber auch Anerkennung für die jüngsten und die bereits festgezurrten Projekte wie etwa den Radwegausbau an der Hattinger und Castroper Straße sowie der Königsallee („Wir haben schon einiges erreicht“).
Bochum stehe in der Umfrage etwas besser da als die meisten anderen Revierstädte. Und: Die Stadt sei vor Jahrzehnten autogerecht umgebaut worden, da sei es „nicht leicht“, das wieder zurückzubauen, ohne den ÖPNV zu stören. Der Blick der Gesamtbevölkerung auf die hiesigen Fahrrad-Verhältnisse sei wahrscheinlich „wohlwollender“ als bei vielen Umfrage-Teilnehmern, die sicherlich sehr fahrradaffin seien und deshalb auch einen kritischeren Blick hätten.
Hier geht es zum Instagram-Account der WAZ Bochum.