Bochum. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat am Freitag (28.) Ermittlungen gegen die Corona-Teststellen-Firma Medican eingeleitet. Es gab Durchsuchungen.
Die Bochumer Schwerpunktstaatsanwalt gegen Wirtschaftskriminalität hat am Freitag (28.) gegen zwei Verantwortliche des in Bochum ansässigen Unternehmens Medican ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betrugs im Zusammenhang mit der Abrechnung von Bürgertests gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung eingeleitet.
Wie die Staatsanwaltschaft am Freitagabend auf Anfrage der WAZ mitteilt, sind Geschäftsräume und Privatwohnungen im Ruhrgebiet durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt worden. Nähere Auskünfte können, so die Staatsanwaltschaft am Abend, im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen derzeit nicht erteilt werden.
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Hintergrund ist, dass einem der größten deutschen Teststellenbetreiber Medican aus Wattenscheid nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung vorgeworfen wird, deutlich mehr Corona-Schnelltests gemeldet zu haben als tatsächlich gemacht worden sind.
Can reagiert auf Vorwürfe: Wir haben nichts zu verbergen
Zu dem Vorwurf erklärt Inhaber Oguzhan Can auf Nachfrage dieser Redaktion: „Alles ist ok, wir haben nichts zu verbergen und werden uns auch in schriftlicher Form dazu äußern.“ Er kündigt eine umfangreiche Presseerklärung an, die er auch der WAZ schicken wolle.
Can betont, sein Unternehmen habe in keinem Fall mit überhöhten Zahlen gearbeitet. In der Summe sei über alle Standorte stets korrekt gemeldet worden. Alle 54 Medican-Teststellen müssten daher zusammen gesehen werden. Es könne durchaus – wie jetzt vom WDR recherchiert – sein, dass die Zahlen einzelner Standorte von den insgesamt gemeldeten Zahlen abweichen.
Die Journalisten hatten gezählt, wie viele Menschen in einzelnen Teststellen von Medican – betrieben vom Wattenscheider Immobilienunternehmer Oguzhan Can, der bis 2019 auch Aufsichtsratschef des Fußball-Regionalligisten Wattenscheid 09 war – an einem Tag getestet wurden und das mit internen Unterlagen aus dem NRW-Gesundheitsministerium verglichen.
Ergebnis: In Münster seien etwa mehr als 100 Menschen an einem Tag getestet worden, gemeldet worden seien aber 422 Tests. Ein ähnliches Bild habe sich bei Ikea in Essen mit 550 getesteten Menschen und 1743 gemeldeten Tests ergeben.
In Bochum betreibt Medican drei Teststellen: bei Möbel Hardeck in Bochum-Laer, auf dem Husemannplatz in der Innenstadt und im WTC in Wattenscheid. Insgesamt sind es 54 Testzentren in 36 Städten. Die Stadt Münster, wo Medican bisher zwei Teststellen an Baumärkten betreibt, hat dem Betreiber der Medican-Testzentren „die Beauftragung zum Betrieb der beiden Testzentren (...) entzogen. Der per Post zugestellte Bescheid mit sofortiger Wirkung müsste heute dort eingegangen“, teilt die Stadt Münster am Freitagmittag auf Anfrage mit.
Stadt Bochum: Keine vertragliche Verbindung
Ein Sprecher der Stadt Bochum betont, dass „es keine vertragliche Verbindung“ mit dem Unternehmen gebe. Das Wattenscheider Unternehmen Medican habe allerdings vor der Genehmigung seiner Teststellen drei Bedingungen erfüllen müssen. Es musste ein Hygienekonzept vorlegen, nachweisen, dass die Mitarbeiter entsprechend geschult sind und sicherstellen, dass die entsprechenden Aushänge mit Verhaltensmaßregeln an den Teststellen angebracht worden seien. „Diese drei Punkte werden regelmäßig vom Ordnungs- oder Gesundheitsamt überprüft“, so der Stadtsprecher.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte unterdessen „stichprobenartig mehr Kontrollen“ an. „Egal ob bei Masken oder beim Testen - jeder, der die Pandemie nutzt, um sich kriminell zu bereichern, sollte sich schämen“, schrieb der Minister im Kurznachrichtendienst Twitter. „Es ist gut, dass die Staatsanwaltschaft bei den bekannt gewordenen Einzelfällen die Ermittlungen aufgenommen hat.“
In Bochum gibt es insgesamt 160 Teststellen
Nach der erfolgten Genehmigung habe Medican, wie alle der mittlerweile insgesamt 160 Teststellen in Bochum auch, eine Teststellennummer zugeteilt bekommen, mit der das Unternehmen dann mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abrechne. Insgesamt werden der Stadt an Werktagen zwischen 6000 und 10.000 solcher Tests täglich gemeldet. Am von Medican betriebenen Testzentrum am WTC in Wattenscheid seien es zwischen 800 und 2000 Tests in der Spitze pro Tag.
Reger Testbetrieb in Wattenscheid läuft weiter
Reger Betrieb herrscht am Freitagvormittag und -mittag (28. Mai) weiterhin am Testzentrum „Medican“ genau dort auf dem Parkplatz des WTC Camp Sports. Dicht an dicht fädeln sich die Autos in zwei Reihen ein, wer dran kommt, zeigt unter anderem einen QR-Code sowie Personalausweis vor. Dann geht es auch schon fast los mit dem Test.
Mehr als zehn Autos mit Testwilligen befinden sich zeitweise gleichzeitig in der Schlange an der Isenbrockstraße 15. Gegen 13 Uhr schließt dann die eine Teststraße, umso länger wird die zweite Schlange. Während den Kundinnen und Kunden, die trotz der Vorwürfe in den Medienberichten erscheinen, Freundlichkeit entgegengebracht wird: Auf Nachfrage von Reporterin und Fotografen an die Mitarbeitenden, ob der Chef äußern möchte, gibt es nur einen harschen Verweis vom Gelände.
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