Essen/Bochum. Goldgrube Testzentrum. Die Bochumer Firma MediCan steht unter Verdacht, falsche Testzahlen gemeldet zu haben. Das sagt der Chef zu den Vorwürfen.
Das Geschäft ist zeitlich begrenzt aber mit Sicherheit hoch profitabel. Mit Schnelltest-Zentren lässt sich in diesen Wochen sehr schnell sehr viel Geld machen. Und Kontrollen, ob die Zahl der Tests korrekt gemeldet und abgerechnet wird gibt es so gut wie keine. Bei MediCan, mit 54 Testzentren in 36 Städten Deutschlands einer der größten Anbieter auch im Ruhrgebiet, soll es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein. „Stimmt nicht“, sagt der Chef Oguzhan Can.
Knapp 9000 Testeinrichtungen in NRW
Man muss nicht Medizin studiert haben, muss weder Arzt noch Apotheker sein, um Bürgerschnelltests anzubieten. Medizinisch geschultes Personal und passende Räumlichkeiten sowie eine grundsätzliche „Zuverlässigkeit“, reichen für die Eröffnung eines Schnelltest-Zentrums. Was erklärt, warum es allein in NRW mittlerweile knapp 9000 solcher Einrichtungen gibt.
18 Euro bekommen die Betreiber dort pro Testung. Sechs Euro für den eigentlichen Test, obwohl der mittlerweile bei Großabnahme schon für weniger als die Hälfte zu bekommen ist, und 12 Euro für die Probenentnahme und Auswertung. Allein in NRW, dem einzigen Bundesland, in dem die Betreiber der Zentren täglich die Zahl der Getesteten nach Düsseldorf melden müssen, meldete das Gesundheitsministerium im vergangenen Monat täglich 200.000 bis 270.000 Tests. Eine Zahl, die in den vergangenen Wochen noch einmal drastisch gestiegen sein dürfte, weil die Tests bis Freitag Voraussetzung waren, um in vielen Geschäften Eintritt zu bekommen.
Wie viele Menschen wurden tatsächlich getestet?
Ob all diese Tests tatsächlich stattgefunden haben, ist nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung zumindest unklar. Reporter haben sich nämlich in den vergangenen Wochen vor Testzentren des Betreibers MediCan gestellt, gezählt wie viele Menschen das Zentrum während der Öffnungszeiten besucht haben und diese Zahl dann mit den ihnen zugespielten Zahlen des Gesundheitsministeriums verglichen. Dabei kommt es – vorsichtig ausgedrückt – zu Abweichungen.
So zählten die Beobachter etwa an der Teststelle vor dem Ikea Markt in Essen am 22. Mai rund 550 Besucher. Gemeldet wurden für diesen Tag von MediCan allerdings 1743 Bürgertests. In einem Kölner Zentrum ließen sich einen Tag zuvor laut MediCan 977 Menschen testen, die Reporter kamen nur auf etwa 80.
Gab es Absprachen?
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Das sei möglich, sagt MediCan-Chef Oguzhan Can auf Anfrage, und liefert eine Erklärung für die Diskrepanz gleich mit. In Städten mit mehreren Zentren – allein in Essen betreibt das Unternehmen derzeit sechs – habe man Zahlen aus einem Standort bei einem anderen draufgeschlagen.
Das sei oft anders gar nicht möglich gewesen. Mal hätten die Behörden dem Center die so genannte „Teststellennummer“ noch nicht zugewiesen, mal habe das für die Online Meldung ans Ministerium nötige Passwort nicht funktioniert, behauptet der Unternehmer aus Wattenscheid. Das sei alles mit den Städten abgesprochen gewesen. Eine Absprache, die in Essen und anderen Städten bestritten wird. Allerdings liegt dieser Zeitung eine E-Mail vor, nach der die zusammenfassende Meldung der Zahlen dem Essener Gesundheitsamt zumindest bekannt gewesen sein muss.
Überwachung gibt es so gut wie keine
Can jedenfalls sieht gar keinen Grund für die Aufregung. „Auf einzelne Standorte bezogen mögen die Zahlen manchmal falsch gewesen sein“, sagt er. „Auf die gesamte Stadt bezogen, haben sie immer gestimmt.“ Und überhaupt: „Wir reden hier von gemeldeten Tests, nicht von denen, die bei den Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechnet wurden.“
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Grundsätzlich allerdings wäre es – ganz unabhängig von MediCan - kein großes Problem, dort mehr abzurechnen, als getestet worden ist. Die für die Erstattung zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen nehmen die monatlichen Meldungen der entstandenen Kosten nämlich nur entgegen. „Überprüfen können wir ausschließlich formale Aspekte“, sagt eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. „Mehr ist nicht möglich, da die übermittelten Angaben der Anbieter keinen Bezug zu getesteten Personen aufweisen dürfen.“
Ministerium warnt vor nachträglichen Kontrollen
Das sei richtig, räumt das Bundesgesundheitsministerium ein, verweist aber auf die Möglichkeit „nachträglicher Kontrollen“. „Die Daten, die für die Kontrolle der korrekten Leistungserbringung nötig sind, müssen bis zum 31. Dezember 2024 aufbewahrt werden“, sagt ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. In Einzelfällen soll nun auch geprüft werden, ob ein Testzentrum überhaupt so viele Testkits eingekauft hat, wie es später abrechnet. Für Oguzhan Can nach eigener Aussage kein Problem. „Ich habe jeden Lieferschein abgeheftet.“