Bochum. Der VfL Bochum strebt Sonntag zurück in die Bundesliga. Auch die Stadt schreibt Erfolgsgeschichten. Zufall ist das nicht, sondern harte Arbeit.

Es läuft in Bochum. Beim VfL und in der Stadt. Der Traditionsclub will zurück in die Fußball-Bundesliga. Ein Punkt fehlt noch. Am Sonntag soll das Werk im Ruhrstadion vollbracht werden; ab 15.30 Uhr im Spiel gegen den SV Sandhausen.

Wie sehr die Anhänger des VfL Bochum nach elf Jahren Zweite Liga den Aufstieg herbeisehnen, wurde am vergangenen Sonntag mehr als deutlich: 5000 Fans pfiffen auf Corona-Regeln, standen bei der Abfahrt zum Auswärtskick in Nürnberg Spalier, zündeten Pyrotechnik und grölten VfL-Lieder. „Das hat uns aus den Schuhen gehauen“, musste die Polizei eingestehen. Ein Video aus dem Mannschaftsbus ging in den Sozialen Medien steil.

Bochum hat einen Lauf: Im Fußball und als Stadt

Mit einem Sieg in Nürnberg wollte der 13. der Ewigen Bundesligatabelle den Aufstieg klar machen. Gut möglich, dass das gewaltige Fan-Aufgebot im Bengalo-Nebel für die Mannschaft von Trainer Thomas Reis zu viel des Guten war. Wer so viele Geisterspiele hinter sich hat, ist dem Druck aus der Kurve vielleicht nicht mehr gewachsen. Das 1:1 in Nürnberg jedenfalls reichte nicht. „Wir hatten einen Zitterfuß“, kommentierte Reis den vertagten Aufstieg.

Mit „fester Hand“ indes schütteln VfL und Stadt in diesen Monaten und Tagen den Staub von so manchem Klischee und Vorurteil. Von wegen graue Maus und Ruhrgebietsidylle. Nicht nur Fans des VfL gehen mit geradem Rücken durch Bochum. An vielen Stellen läuft es in der Stadt Richtung Erstklassigkeit.

Aufstieg des VfL passt gut zum 700. Geburtstag der Stadt

VfL-Trainer Thomas Reis mit VfL-Schriftzug. Ein Bild aus den 1990er Jahren.
VfL-Trainer Thomas Reis mit VfL-Schriftzug. Ein Bild aus den 1990er Jahren. © Bernd Kiesewetter

Ur-Bochumer sind hier am Werk. Beim VfL auf der Trainerbank der seinerzeit beinharte Verteidiger Thomas Reis (47), der sich einst euphorisch den Schriftzug „VFL“ in seine Haare rasieren ließ. Ein anderer Thomas steuert mit klarem Kurs die Stadt, die dieses Jahr ihren 700. Geburtstag feiert: Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (50). 85.397 Bochumerinnen und Bochumer gaben ihm bei er Kommunalwahl im Herbst ihre Stimme. Das sind fast so viele Prozent (61,8) wie der VfL Punkte hat (64).

Eiskirch ist Bochumer durch und durch und von klein auf VfL-Fan; bis heute Dauerkartenbesitzer in der Ostkurve. Tugenden des Klubs sind auch (meistens) seine: bodenständig, optimistisch, immer wieder aufstehen.

Seit Dienstbeginn 2015 redet der SPD-Mann bei jeder sich bietenden Möglichkeit vom Aufbruch in der Stadt. Vieles in Bochum hat sich in den vergangenen Jahren zum Positiven entwickelt. Vorbei das in Sacke-und-Asche-Gehen nach dem Aus von Nokia und Opel.

500 Millionen Euro fließen in die Innenstadt von Bochum

Der Gesundheitscampus als Trostpflaster der Landesregierung für die Pleite des Handy-Herstellers – ein Erfolgsmodell. Mark 51/7, wie das Opel-Gelände im Stadtteil Laer den Geodaten geschuldet heute heißt – ein Erfolgsmodell. Ruhr-Universität und acht Hochschulen – ein Pfund mit dem sich werben lässt.

Die Bosch-Tochter Escrypt baut ihre Deutschlandzentrale in Bochum, ein Max-Planck-Institut für Cybersicherheit befindet sich seit 2019 im Aufbau. G-Data schmiedet seit 1985 vor Ort Software gegen Viren. „Bochum wird Hauptstadt der IT-Security“ – solche Sätze gehen dem Oberbürgermeister leicht über die Lippen.

Auch interessant

Aktuell wird die Bochumer Innenstadt umgekrempelt. 500 Millionen Euro lassen sich das Stadt und Investoren kosten. Die Verjüngungskur sieht ein Einkaufsquartier samt Hotel vor und den Umbau der alten Post in ein „Haus des Wissens“. Bücherei, Volkshochschule und eine Markthalle werden dort eine Heimat finden. Vergleichbares sei in Deutschland nicht zu finden, versprechen die Verantwortlichen. Der Vorentwurf mit Urbanen Gärten in 15 Meter Höhe ist in der Tat vielversprechend.

Viele Spitzen der Stadtgesellschaft ziehen an einem Strang

Für den Erfolg des VfL indes kann Eiskirch nichts, aber er spielt ihm bei der „Vermarktung“ der Stadt in die Karten. Zwei Fußballgrößen zitiert er dazu gern: Andi Brehmes: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.“ Und „Wenn einer immer Glück hat, dann ist das Können“ von VfL-Urgestein Hermann „Tiger“ Gerland. „Wahrscheinlich“, so Eiskirch, „liegt die Wahrheit in der Mitte. Das gilt sowohl für die Stadt als auch für den VfL.“

Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit von Verein und Kommune. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Eiskirch hat in den ersten Jahren seiner Amtszeit nahezu die komplette Dezernentenriege im Rathaus austauschen können. Und auch beim VfL dauerte es ein paar Jahre, bis die richtigen Leute an der rechten Stelle waren und die Mannschaft auf dem Rasen als Einheit spielte.

Beim VfL und in der Stadtspitze ziehen alle an einem Strang, sagt Eiskirch. Nicht nur das. Bochums OB erfährt auch große Unterstützung in der Stadtgesellschaft. „Als ich 2015 OB wurde, wechselten fast zeitgleich an vielen der Hochschulen die Spitzen - bei der IHK, beim Handwerk bei den Kirchen, überall gab es neue Leute und alle haben neben ihrer originären Aufgabe auch eine gemeinsame Aufgabe gesehen. Und die heißt Bochum.“

Treue lokale Sponsoren unterstützen den VfL Bochum

VfL und Stadt profitieren zudem von lokalen Unternehmen. Der Dax-Konzern Vonovia baute seine Konzernzentrale in Bochum und kaufte den Stadionnamen, wohlwissend, dass außer den Offiziellen niemand Vonovia-Ruhrstadion sagen würde. Die Krankenkasse Viactiv bündelt ihre Kräfte auf Mark 51/7. Die Brauerei Fiege, die Tiemeyer-Gruppe als größter VW-Händler im Ruhrgebiet und Aral stehen treu zum VfL und Bochum.

Auch interessant

Norman Faber ist auch so einer. Der Chef von Lotto Faber spendierte fünf Millionen Euro für den Bau des Anneliese-Brost-Musikforums Ruhr in der Innenstadt – noch ein Bochumer Erfolgsmodell - und gilt als treuester Werbepartner des VfL. Kult sind mittlerweile die Regenbogentrikots aus den 90ern.

Obwohl Faber seit Jahren keine Sportwetten mehr anbietet, pumpt er Geld in den Sportverein. „Wir gucken nicht so genau da drauf“, sagt Faber mit Blick auf den aktuellen Werbewert des VfL. „Wir sind aus Überzeugung dabei.“

Stadt und Verein fordern Fans auf, zu Hause zu bleiben

Genau hinschauen, was am Sonntag passiert, dürften die Wirte und Hoteliers der Stadt. Ein Erstligist bedeutet: Kasse machen. „An Bundesliga-Spieltagen schnellen die Umsätze in die Höhe“, sagt Christian Bickelbacher, Sprecher der ISG Bermudadreieck. Viele auswärtige Fans reisten bei einem Samstagsspiel einen Tag vorher an und erst nach dem Frühschoppen am Sonntag wieder ab.

Wann das Coronavirus ein solches Szenario wieder zulässt, scheint offen. Fest steht aber, dass das „VfL-Virus“ im Falle eines Aufstiegs am Sonntag die Stadt für ein paar Stunden infizieren und blau-weiß färben wird. „Feiert bitte zu Hause, hängt Schals und Fahnen aus dem Fenster“, appellieren VfL und Stadt.

Wenn das mal so läuft in Bochum…