Bochum. Derzeit läuft an der Ruhr-Universität das dritte Semester unter Corona-Bedingungen. Vorlesungen statt Hörsaal – für viele ist das sehr belastend.

Wer vom Bochumer Hauptbahnhof auf dem schnellsten Weg zur Ruhr-Universität möchte, kommt an der U 35 nicht vorbei. Normalerweise bringt sie im Minutentakt mehr als 5000 Menschen pro Stunde vom Bahnhof zur Uni. Mittlerweile ist davon allerdings nicht viel zu spüren. Die Corona-Pandemie hat den Alltag an der Ruhr-Universität fest im Griff.

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Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass gerade die Vorlesungszeit des neuen Sommersemesters begonnen hat. Wie schon in den beiden Semestern zuvor finden wegen Corona auch diesmal fast alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen ausschließlich online statt. Vor dem Gebäude der medizinischen Fakultät steht Carlos (24) und raucht eine selbstgedrehte Zigarette. Er kommt aus Spanien, studiert im vierten Mastersemester Biologie und ist wegen eines Laborpraktikums an der Uni. Der derzeitigen Situation kann er nicht viel abgewinnen. Er vermisst vor allem sein Sozialleben.

Leere auf dem Campus der Ruhr-Universität in Bochum. Wo sonst Tausende Studierende herlaufen, ist bedingt durch die Corona-Pandemie nichts los.
Leere auf dem Campus der Ruhr-Universität in Bochum. Wo sonst Tausende Studierende herlaufen, ist bedingt durch die Corona-Pandemie nichts los. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Corona-Semester an der Ruhr-Uni: Präsenz wird nie überflüssig

Anna (22) kommt gerade von der Arbeit an ihrem Institut. Die Bochumerin studiert im sechsten Semester Medienwissenschaften und sieht die momentane Situation weniger kritisch. Ihr gefällt vor allem, dass sie öfter Veranstaltungen nach Interesse und nicht nur mit Blick auf die benötigten Creditpoints wählen kann. Auf die Frage, ob sie der Meinung sei, dass eine Rückkehr zur Präsenzlehre deshalb überflüssig sei, zieht sie die Augenbrauen hoch. „Auf keinen Fall.“, sagt sie. Zu einem Studium gehöre schließlich nicht nur die Vermittlung von Fachwissen, sondern ebenso der spontane Austausch mit den Kommilitonen und die reale Begegnung auf dem Campus.

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Es ist 11.45 Uhr, Vorlesungsende: Vor den Gebäuden der geisteswissenschaftlichen Fakultäten, wo sich um diese Zeit sonst viele Studierende treffen, um gemeinsam eine zu rauchen, Kaffee zu trinken, oder die Zeit bis zur nächsten Veranstaltung auf der gegenüberliegenden Wiese in der Sonne zu vertrödeln, ist heute kein Mensch. Die Sitzgelegenheiten vor den Hörsälen sind mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Das studentische Leben auf dem Campus steht weitgehend still. Auch die Mensa hat geschlossen.

Gerade Austausch-Studierende haben es schwer

Carla und Juhee laufen über den Campus. Da sie keine Maske tragen, sieht man sie lächeln. Obwohl sie damit gegen die seit Oktober 2020 auf dem gesamten Campus bestehende Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verstoßen, werden die beiden 21-jährigen Erasmusstudentinnen, nicht von der in gelben Warnwesten patrouillierenden Security behelligt.

Auf dem Campus der Ruhr-Universität herrscht Maskenpflicht.
Auf dem Campus der Ruhr-Universität herrscht Maskenpflicht. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Carla kommt aus Italien und studiert Politikwissenschaften. Juhee stammt aus Südkorea und studiert deutsche Literatur. Natürlich fehlen ihnen, wie den meisten, die sozialen Kontakte, die Debatten und der Austausch von Ideen mit anderen. Die beiden stört vor allem, dass sie weniger Gelegenheiten haben, ihr Deutsch zu verbessern, weil ihnen der Kontakt zu den einheimischen Studierenden fehlt.

Was sagen die Lehrenden zum Online-Semester?

Die Ansichten der Studierenden zum Thema Online-Lehre decken sich in weiten Teilen mit denen der Dozenten. Bereits im vergangenen Jahr forderten mehr als 2000 Hochschulprofessoren aus ganz Deutschland in einem offenen Brief eine behutsame Rückkehr zur Präsenzlehre. Auch in Bochum blickt man mit gemischten Gefühlen auf die aktuellen Verhältnisse: Zwar könne die reine Wissensvermittlung in Vorlesungen womöglich auch in Zukunft digital stattfinden. Problematisch sei aber, dass sich derzeit keine Arbeits- oder Lerngruppen bilden können, sodass ein vertieftes Verstehen des Stoffs durch den Austausch mit anderen vor allem für Studienanfänger auf der Strecke bleibe, erklärt ein Bochumer Professor für Philosophie.

Studieren in Bochum

Die Ruhr-Universität Bochum ist mit über 40.000 Studierenden eine der zehn größten Universitäten in Deutschland.

Neben ihr gibt es im Bochumer Stadtgebiet außerdem fünf Fachhochschulen.

Wolfgang Schuhmann, Professor für Analytische Chemie an der RUB, sieht dies ähnlich. Auch er betrachtet Vorlesungen im Videoformat als weitgehend unproblematisch, betont jedoch, dass man in der Chemie unmöglich auf Präsenzveranstaltungen verzichten könne. Insgesamt glaubt er, dass in seinem Fachbereich auch nach Corona vieles digital bleiben wird. Ein Problem sei das nicht. Im Gegenteil.

Kommen Studierende bald zurück auf den Campus?

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Die Ruhr-Universität Bochum hat das Sommersemester 2021 zunächst als „flexibles Hybridsemester“ geplant. Zwar finden die meisten Veranstaltungen zu Beginn ausschließlich online statt, allerdings wolle man sich vorbehalten, auf eine sich verändernde Pandemiesituation zu reagieren und gegebenenfalls im Laufe des Semesters mit einigen Veranstaltungen auf den Campus zurückzukehren. Es besteht also Hoffnung, dass doch noch Studierende zurückkehren – und das Semester auf dem Campus nicht so menschenleer endet, wie es begann.