Bochum. Monatelanges Warten: Bochumer Studierende machen das Akafö verantwortlich, dass es immer weniger Bafög-Anträge gibt. Doch es gibt mehrere Gründe.

Immer weniger Studierende in Bochum beantragen eine Bundesausbildungsförderung, kurz Bafög. Von 10.881 neu eingeschriebenen Studierenden im Wintersemester 2019/20 stellten laut Geschäftsbericht des Akademischen Förderungswerks (Akafö) nur rund 15 Prozent einen Antrag. Das Akafö hofft, dass eine Bafög-Reform im vergangenen Jahr einen positiven Effekt auf zukünftige Zahlen hat. Doch liegen die Gründe ganz woanders?

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Fragt man Bochumer Studierende, wird deutlich: Der Ärger über das Akafö ist groß. Nicht der bürokratische Aufwand sei das Problem, sondern „die permanente Gängelung und Nichtbearbeitung von Anträgen durch Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen“, schildert Steven Lenze, Student der Ruhr-Universität. Sein Antrag sei monatelang nicht bearbeitet worden. „Ich habe meinen Folgeantrag für das Wintersemester im Juni gestellt und bisher keinerlei Rückmeldung erhalten“, so Lenze.

Bafög beim Akafö Bochum: „Erstantrag war katastrophal“

Er ist kein Einzelfall. „Der Erstantrag war katastrophal und ich musste mir mehrmals bei Verwandten Geld leihen“, sagt Rebekka Helfrich, die Germanistik und Philosophie an der Ruhr-Universität studiert. Auf eine Rückmeldung zu ihrem Folgeantrag für das kommende Semester wartet sie bisher vergeblich. „Obwohl mir zugesagt wurde, dass der Bescheid im September kommt. Bald ist der September um“, so die 27-Jährige.

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Sie sei auf das Geld angewiesen und werde ein Problem haben, wenn die Weiterzahlung nicht pünktlich zum Oktober erfolge. Helfrich: „Geld leihen kann ich mir dieses Mal aber definitiv nicht. Und als chronisch Kranke schaffe ich es körperlich nicht, noch zusätzlich nebenbei zu arbeiten.“ Die Studentin schätzt, dass sie in ein paar Tagen wieder am Telefon sitzt und um die Bearbeitung ihres Antrags kämpft. „Ich glaube solche Erfahrungen sind es, die manche einfach zum Aufgeben bringen“, schätzt Helmrich.

Akafö dementiert Vorwürfe der Bochumer Studierenden vehement

Das Akafö dementiert die Schilderungen der Studierenden vehement: „Sicher kommt es immer wieder vor, dass Antragssteller mit der Bearbeitung ihres individuellen Antrages nicht zufrieden sind“, heißt es in einer Stellungnahme von Geschäftsführer Jörg Lüken. Hieraus allerdings abzuleiten, dass das der Grund für den Rückgang an Antragsstellern ist, sei jedoch eine gewagte Theorie. „Auch wenn es sicher in dem einen oder anderen Fall hätte besser laufen können, ist das Bafög ja kein Verfahren, in dem es überhaupt Ermessensspielräume für die Sachbearbeiter gäbe“, so Lüken.

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Zu den beiden geschilderten und weiteren Fällen äußert er sich nicht im einzelnen: „Jeder Fall ist anders gelagert“, sagt Lüken. Bei 90 Prozent der jährlich bis zu 11.000 Anträgen komme es durch die komplexen Anforderungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu Nachforderungen. Nur in Einzelfällen dauere das jedoch mehrere Monate, die Gründe sind laut Akafö von Fall zu Fall verschieden.

Wartezeiten beim Akafö sind nicht das einzige Problem

Dem steht eine Vielzahl von Rückmeldungen von Studierenden über das soziale Netzwerk Facebook entgegen. Allein dem Statement von Steven Lenze haben 36 Studierende und ehemalige Studierende zugestimmt. Maya (28), die bis 2018 an der Ruhr-Universität eingeschrieben war, schreibt: „Bei mir war die lange Wartezeit der Horror. Das Bangen und Warten, ob es bewilligt wird oder ob man nach vier Monaten Wartezeit doch noch irgendwas nachreichen muss.“ Eine andere Studentin schildert: „Ich (...) warte seit Mai auf eine Rückmeldung für meinen Antrag, welcher ab nächsten Monat laufen soll.“

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Deutlich wird aber auch: Es gibt mehrere Gründe, warum immer weniger Studierende Bafög beantragen. „Ich schließe mich an, dass die Bearbeitung einfach viel zu lange dauert. Ein anderer großer Kritikpunkt am ganzen Bafög-System ist das mit der Regelstudienzeit: Es war so ein enormer Druck, das Studium in Regelstudienzeit durchzukriegen, weil man ja sonst normalerweise kein Bafög mehr bekommt“, sagt Studentin Laura Dobrescu. Sie ist dankbar, dass es Bafög gibt, weil sie sonst vielleicht nie mit ihrem Studium begonnen hätte. Trotzdem findet sie, dass sich etwas ändern muss, auch insgesamt. Ein anderer Student kritisiert unter anderem den großen bürokratischen Aufwand. „Die Bemessungsgrenzen und Freibeträge für die Einkommen der Eltern sind völlig absurd und an der Realität vorbei“, heißt es zudem.

Bessere Handhabung durch digitaleres Bafög?

Die Bafög-Reform und Bafög während Corona

Seit dem 1. August 2019 ist die Bafög-Reform wirksam. Sie bringt laut Bildungsministerium unter anderem höhere Förderungsleistungen (insbesondere für Wohnkosten) und höhere Freibeträge. Gleichzeitig sollen mehr Menschen Bafög erhalten.

Aufgrund von Corona soll es für Studierende, Schülerinnen und Schüler, die auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz angewiesen sind, keine finanziellen Nachteile, so Bundesministerin Anja Karliczek. Bafög sei in pandemiebedingten Fallkonstellationen weiterzuzahlen.

Laut Akafö gibt es keinen Zusammenhang zwischen seiner Arbeit und rückläufigen Bafög-Anträgen: „Die Antragszahlen gehen auch in anderen Studierendenwerken in NRW stärker zurück als in Bochum, teilweise bis zu zehn Prozent“, so Geschäftsführer Lüken. Trotzdem sagt er: „Besser werden kann man immer.“ Eine Arbeitsgemeinschaft der Studierendenwerke setze sich für die Digitalisierung im Bafög ein. Unter anderem soll voraussichtlich im Jahr 2021 eine digitale Akte eingeführt werden. „Die Digitalisierung des Bafögs wird für eine bessere Handhabe in der Antragsstellung und -bearbeitung sorgen. Und damit letztlich die Situation der Antragstellenden und unserer Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter verbessern.“

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