Bochum/Herne/Essen/Duisburg. Nach Raubüberfällen auf Freier mit K.-o.-Tropfen haben der Haupttäter und die Haupttäterin Bewährungsstrafen erhalten. Ein umstrittenes Urteil.
Obwohl sie sechs schwere Verbrechen begangen haben, müssen eine Frau und ein Mann (je 21) aus Herne nicht ins Gefängnis. Sechs Freier wurden mit K.-o.-Tropfen betäubt und fünf von ihnen ausgeraubt; ein Opfer (44) aus Bochum lag sechs Tage im Koma. Trotzdem verhängte das Landgericht Bochum am Donnerstag in einem umstrittenen Urteil Bewährungsstrafen.
Richter Stefan Culemann war es deutlich anzumerken, wie schwer ihm diese Strafzumessung fiel, er selbst nannte sie „milde“.
Angeklagte Frauen gaben sich als Prostituierte aus
Anfangs saßen vier Frauen und ein Mann (20 bis 21) auf der Anklagebank. Die Frauen hatten sich im Internet als Prostituierte ausgegeben, die gegen 100 oder 170 Euro Sex in den Wohnungen der Freier anbieten. Statt körperlicher Freuden bekamen die Kunden nach der Bezahlung aber K.-o.-Tropfen in ein alkoholisches Getränk geträufelt. Als sie bewusstlos wurden, wurden Wertsachen geraubt. Gesamtwert: mehrere Tausend Euro.
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Tatorte waren Bochum, Essen, Duisburg und Kamen. Im Bochumer Fall war die Tat eskaliert: Der Kunde lag wegen der Tropfen sechs Tage im Koma und leidet bis heute.
Haupttäter verhöhnte das bewusstlose Opfer
In einem anderen Fall machte der Täter laut Urteil ein Handy-Video am Tatort, streckte die Zunge raus und ätzte über das bewusstlose Opfer: „Der alte Hurenbock!“
Tatmotiv war laut Richter „die Freude am guten Leben. Sie wollten sich teure Dinge leisten.“
Die Überfälle liegen schon zweieinhalb Jahre zurück. Culemann sagte aber, dass die Taten keine jugendliche Dummheit gewesen seien, sondern eine „erhebliche Portion Skrupellosigkeit“ ausdrücken würden.
Urteilsfindung bereitete den Richtern „viel Kopfzerbrechen“
Die Staatsanwältin forderte für den Haupttäter zwei Jahre und neun Monate Jugendstrafe (keine Bewährung möglich), zumal er schon eine Vorstrafe von einem Jahr auf Bewährung mit in den Prozess gebracht hatte. Die Richter verurteilten ihn aber – nach „viel Kopfzerbrechen“ – zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung. Ebenso die Haupttäterin. Beide müssen außerdem je drei Wochen Dauerarrest verbüßen und einen sozialen Trainingskurs machen.
Der Grund für die Milde vor allem bei dem Haupttäter: Nach Überzeugung des Gerichts hat er beruflich und persönlich „die Kurve bekommen“ und ist auf einem guten Weg. Zudem hatte er dem Bochumer Opfer 3500 Euro in bar als Entschädigung überreicht.
Gericht stellte den erzieherischen Aspekt des Jugendstrafrechts in den Vordergrund
Culemann folgte dem Grundsatz, dass im Jugendstrafrecht der erzieherische Aspekt im Vordergrund steht: Würde der 21-Jährige nun eine Gefängnisstrafe bekommen, würde dies seine gute Entwicklung „zerstören“.
Auch die anderen drei mitangeklagten Frauen (20 bis 21) bekamen Bewährungsstrafen; niedrigere, weil sie an weniger Raubtaten beteiligt waren.