Bochum/Herne/Duisburg/Essen. Die Angeklagten, die Freier mit K.-o.-Tropfen betäubt und ausgeraubt haben, haben in Bochum Geständnisse abgelegt. Ein Opfer bekam 3500 Euro.

„Ich habe gehört, wie man mit Männern Geld verdienen kann“, sagt die 20-jährige Angeklagte am Montag vor dem Landgericht Bochum. Sie meinte genau das, was in der Anklage steht und weshalb jetzt vier Frauen und ein Mann (20 bis 21) aus Herne und Gelsenkirchen vor der 8. Jugendstrafkammer stehen: Sich im Internet als Prostituierte anbieten, den Freiern in ihren Wohnungen K.-o.-Tropfen in ein alkoholisches Getränk träufeln und dann, wenn die Männer bewusstlos geworden sind, ausrauben.

Alle fünf Angeklagten – darunter zwei, die in der Altenpflege arbeiten – haben die Vorwürfe am Montag eingeräumt, mit nur wenigen kleineren Einschränkungen. Immer wieder ist zu hören, dass sie damals „nicht richtig nachgedacht“ hätten, was sie den Opfern angetan haben.

Opfer mussten sich nach den K.-o.-Tropfen übergeben

Explosion am Ruhrpark-Geldautomaten- Haft für Bochumer (21) Die betäubten Männer, die in ihren Wohnungen zuvor 100 bis 170 Euro an die jungen Frauen bezahlt hatten, bekamen nicht nur keinen Sex, sondern lagen plötzlich ohnmächtig auf dem Boden in ihrem Erbrochenen oder schliefen auf dem Sofa und wurden ihrer Wertsachen beraubt.

„Haben Ihnen die Männer nicht leid getan?“, fragte Richter Stefan Culemann. „Auf jeden Fall“, antwortete der 21-jährige Angeklagte, der bei allen sechs Verbrechen dieser Art in Bochum, Essen, Duisburg und Kamen Ende 2018 mit dabei war. Er ergänzte aber sofort: „nicht so intensiv nachgedacht.“ Er hatte vor den Wohnungen draußen gewartet, bis seine Komplizinnen ihm die Tür öffneten, damit er beim Einsammeln der Wertsachen hilft.

„Manche haben schnell reagiert, sind schnell eingeschlafen“

Die K.-o.-Tropfen hatte er im Ausland bestellt, angeblich bei einer spanischen Internet-Apotheke. In Fläschchen wurde die Ware geliefert. Nachdem die Frauen (eine war zur Tatzeit erst 17) ihre Körper über die Portale markt.de und kaufmich.com zum Scheine angepriesen hatten, gingen zwei in die Wohnungen der Männer. Eine lenkte den Freier ab, die andere kippte zwei bis drei K.-o.-Tropfen in sein Glas – dann warteten sie ab, bis das Opfer bewusstlos wurde. „Manche haben schnell reagiert, sind schnell eingeschlafen“, sagte eine Angeklagte, andere erst später.

Opfer: „Dann wurde mir ganz schummerig“

Das Hauptopfer ist ein alleinstehender Bochumer. „Ich habe auf markt.de Kontakte gesucht und bin fündig geworden“, sagte der 44-Jährige den Richtern. In seiner Wohnung hatte er sich für 100 Euro mit einer Angeklagten verabredet, die noch eine weitere, damals 17-Jährige mitbrachte.Er hatte Cola zu Hause, die Frauen hatten Wodka dabei. Und die KO-Tropfen. „Ich habe ein paar Schluck getrunken, dann wurde mir ganz schummerig.“ Und übel. „Mir ist nicht gut“, habe er gesagt. In der Dusche habe er sich übergeben und sei „umgeklappt“. „Danach weiß ich nichts mehr. Ich bin erst im Krankenhaus aufgewacht.“ Nach sechs Tagen im Koma.Im Hospital erlitt er auch epileptische Anfälle, die er vorher nicht gehabt hatte. Seit der Tat hat er Konzentrationsstörungen und sich auch sozial zurückgezogen.

Eines der Opfer wurde auf seinem Bett „in eine stabile Seitenlage gebracht“, wie eine Frau sagt. „Aus Vorsicht.“ Als Altenpflegerin wisse sie, dass der Mann erbrechen könne.

Angeklagte: „Wir mussten uns Mut antrinken“

In dem Fall aus Bochum war die Situation aber „eskaliert“, wie eine Frau sagte. Der Wohnungsinhaber (44) begann, durch die K.-o.-Tropfen zu krampfen, schlug mehrfach mit dem Kopf auf den Boden. Sechs Tage lag er später im Koma. „Er hatte sein Glas geext“, sagt eine Angeklagte. Sie habe ihm dann ein Kissen unter den Kopf gelegt.

Man habe sich bei den Raubzügen, sagte sie, „nicht toll gefühlt“. Niemals seien sie dabei nüchtern gewesen. „Wir mussten uns Mut antrinken.“

Angeklagter hat Angst, jetzt ins Gefängnis zu müssen

Hagen- „Babygirl“ gibt vor Gericht das brave Mädchen Der 21-jährige Angeklagte sagte: „Als ich die Anklage durchgelesen habe, wurde mir schlecht.“ Er habe unheimlich Angst, jetzt ins Gefängnis zu müssen. Als das Hauptopfer (44) aus Bochum am Montag im Zeugenstand aussagte, übergab ihm der 21-Jährige 3500 Euro in bar in einem Briefumschlag als Entschädigung. Er hatte das Geld extra dafür gespart, denn heute arbeitet er in einem festen Job.

„Ich bin auf keinen Fall mehr eine Gefahr für die Gesellschaft. Ich bin nicht mehr der, der ich früher war“.

Bei dem 44-jährigen Opfer haben sich alle drei Angeklagten, die an dieser Tat beteiligt waren, entschuldigt. Auch die weiteren Opfer werden bald vom Gericht vernommen. Der Prozess wird fortgesetzt.