Bochum. Klausuren von zuhause, teils wenig motivierte Profs. Studieren zu Corona-Zeiten zerrt an den Nerven – und bietet zeitgleich neue Möglichkeit.
Dass sie ihre Klausuren einmal zuhause, am eigenen Schreibtisch schreibt, hätte Katja Kuhlmann (41) sich vor einem Jahr nicht mal träumen lassen. „Prüfungen online sind mehr als verrückt. Warten Sie bis der Host das Meeting startet. Das Starren auf einen weißen Bildschirm kann sich sehr, sehr lang anfühlen“, berichtet die Studentin der Hochschule für Gesundheit. So geht es auch Fabian Guth, der an der Ruhr-Universität studiert: „Es entsteht zusätzlicher Stress.“ Seit einem Jahr haben Studierende in Bochum Hochschule und Uni so gut wie nicht mehr betreten. Das zerrt an den Nerven – und bietet gleichzeitig ganz neue Möglichkeiten.
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Lösungen auf Papier schreiben, scannen, in das richtige Format umwandeln und dann an Dozent oder Dozentin schicken. Es war deutlich einfacher, als Guth, der im Master „Economic Policy Consulting“ studiert, seine Klausuren noch vor Ort an der Uni schrieb. In Sachen Prüfung könnte die Ruhr-Uni noch einiges optimieren, gleichzeitig sagt der 28-Jährige aber auch: „Sie bemüht sich aber sehr, das beste aus der Situation zu machen.“
Sarah Schmidt (28) hat ähnliches an der Ruhr-Uni erlebt. „Die meisten meiner Dozenten verschieben die Klausuren mal wieder, Online-Lösungen werden nicht angeboten. Nicht nur, dass man sich dann auf Klausuren vorbereiten soll, bei denen man bis kurz vorher nicht weiß, ob sie überhaupt stattfinden werden. Man hat auch das Gefühl irgendwie stehen zu bleiben“, meint sie.
Prüfungen zuhause schreiben: Werden Klausuren schwieriger?
Maximilian, Student der Hochschule Bochum, schreibt in diesem Semester die sogenannten Open-Book-Klausuren. Es sind praktisch alle schriftlichen Hilfsmittel zugelassen, insbesondere das Vorlesungsskript oder beliebige Bücher. „Es ist schwierig, sich vorzubereiten. Viele Profs sehen das möglicherweise als Anhaltspunkt, die Klausur schwieriger zu machen“, befürchtet Maximilian.
Doch nicht überall werden die Klausuren nur von zuhause geschrieben. Patricia studiert an der Evangelischen Hochschule: „Digitale Klausuren, das ist wohl Wunschdenken. Klausuren werden in Präsenz geschrieben, mündliche Prüfungen aber dürfen über Zoom stattfinden. „Die Prüfungen werden weiterhin hauptsächlich im digitalen Format, einige Klausuren in Präsenzform unter strengen Corona-Auflagen durchgeführt“, heißt es von Julia Gottschick, Sprecherin der Evangelischen Hochschule.
Dafür gebe es ein tragfähiges Hygienekonzept aus dem letzten Semester. Ähnlich handhaben es die anderen Hochschulen in Bochum – nur in wenigen oder in Ausnahmefällen gebe es Klausuren in Präsenz. An der EBZ Business School und der Technische Hochschule Georg Agricola (THGA) finden nur Online-Prüfungen statt.
Student aus Bochum zu Online-Lehre: „Man lernt deutlich mehr“
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Die Studierenden sehen auch positive Aspekte: „In diesem Semester lief vieles besser als im vorherigen. Die Dozenten wussten, wie es funktioniert“, sagt Maximilian. „Man lernt deutlich mehr. Früher war man vor Ort, heute hört man es sich an, arbeitet es nach.“
Das Engagement sei dabei sehr unterschiedlich – während einige Lehrende digital richtige Vorlesungen vorbereiten, würden andere lediglich auf hilfreiche Bücher verweisen. Detlef Bremkens, Sprecher der Hochschule in Bochum, erklärt: „Die Gestaltung ist den Professoren selbst überlassen. Manche engagieren sich sehr, andere naja... Denn das ist auch nicht immer nötig und manchmal nicht möglich.“ Die Fachhochschule sei bemüht, in der digitalen Lehre Vielfalt zu streuen. Da müssten die Möglichkeiten der Gestaltung auch auf die Inhalte des Prüfungsstoffes zugeschnitten sein.
Doch die Präsenz und die sozialen Kontakte fehlen. „Langsam wird es hart in den eigenen vier Wänden. Es jährt sich bald das Studieren von zuhause. Bei den Diskussionen um Homeoffice wird gerne vergessen, dass wir Studierende die ganze Zeit zu Hause sind“, schildert Hanna (22), die soziale Arbeit an der evangelischen Hochschule studiert.
„Isolation schlägt auf Gemüt und Produktivität“
Freiversuchsregelung und Sommersemester
An den meisten Hochschulen in Bochum gibt es in diesem Semester eine Freiversuchsregelung. So an der Ruhr-Universität, der Hochschule Bochum, der Evangelischen Hochschule, der EBZ Business School und der Hochschule für Gesundheit. Keine Freiversuchsregelung gibt es an der Technische Hochschule Georg Agricola (THGA).
An den meisten Hochschulen wird das kommende Semester wohl größtenteils digital ablaufen – mit wenigen Präsenzveranstaltungen, das haben die jeweiligen Sprecherinnen und Sprecher mitgeteilt. Die konkrete Umsetzung hänge vom Pandemie-Geschehen ab.
Sarah Schmidt findet: „An sich läuft es gut, die Online-Vorlesungen sind tatsächlich sinnvoll und sollten so beibehalten werden“, findet die 28-Jährige. Gruppenarbeiten oder Lerngruppen hingegen seien aktuell schon herausfordernder. Bei den Klausuren werde es doch deutlich schwieriger. Das sieht auch Robert so: „Aufzeichnungen von Vorlesungen finde ich besser als Präsenzvorlesungen, da man sie so zeitlich flexibel anschauen kann.“ Es habe keinen Vorteil, sich in den Hörsaal zu schleppen und live von der Vorlesung berieseln zu lassen.
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Studieren in Corona-Zeiten hat Vor- und Nachteile – den einen Studierenden liegt das digitale Lernen mehr, den anderen weniger. Trotzdem: „Die Isolation schlägt auf das Gemüt und die Produktivität“, meint Fabian Guth und spricht damit wohl für sehr viele der rund 52.300 Studierende in Bochum.
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