Bochum. Die Sperrung eines Bereichs der A 43 für Lkw trifft vor allem die Wirtschaft schwer. Logistiker wie DHL und Nagel spüren bereits Auswirkungen.
Staus und Behinderungen gehören schon lange auf den Autobahnen im Ruhrgebiet zur Tagesordnung. Seit Montag ist die Autobahn 43 zwischen dem Kreuz Herne und dem Kreuz Recklinghausen nun aber für Lkw ab 3,5 Tonnen sogar gesperrt, weil Stahlträger der 1965 gebauten Brücke durchhängen und sich das Bauwerk um mehrere Zentimeter gesenkt hat. Und das könnte auf die Dauer schwere Folgen für heimische Unternehmen haben.
Am Tag der Einführung des Lkw-Verbots auf der maroden Emschertalbrücke hielten sich die befürchteten Auswirkungen zwar in Grenzen. Mehr als die üblichen, baustellen-bedingten Behinderungen gab es nicht, so die Auskunft der Polizei. Von Rückstaus und Umfahrungsverkehr auf Bochumer Stadtgebiet war keine Rede.
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Frischelogistiker Nagel muss täglich 40 Touren umleiten
Aber bei einigen Unternehmen schrillen bereits die Alarmglocken. So etwa bei der Nagel-Group, die in Harpen ein 72.000 Quadratmeter großes Frischelogistikzentrum betreibt. „Die Sperrung beeinträchtigt uns am Standort Bochum enorm“, sagt Unternehmenssprecher Julian Mester. „Derzeit dürfen Lkw über 3,5 Tonnen die Emschertalbrücke nicht überqueren. Mehr als 40 Touren pro Tag werden von Bochum aus über diese Teilstrecke ins nördliche Ruhrgebiet gefahren, die nun umgeleitet werden müssen. Die längeren Routen verursachen mehr Kosten und mehr CO2-Ausstöße.“ Und: „Sollte die Brücke auch für Pkw gesperrt werden, würde dies auch den Arbeitsweg vieler unserer 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Bochum verlängern, die ebenfalls einen Umweg fahren müssten.“
Mehrere Hundert Firmen allein aus der näheren Umgebung sind nach Einschätzung der IHK Mittleres Ruhrgebiet unmittelbar von der Sperrung betroffen, schätzt IHK-Mobilitätsexperte Jörn Kleinelümern. Sie alle haben IHK und die Wirtschaftsförderung Herne zu einer virtuellen Informationsveranstaltung am Donnerstag (15. April) eingeladen. Carola Ziebs, Projektleiterin für den Ausbau der A 43 bei der Autobahn GmbH des Bundes, werde aus erster Hand über den Sachstand der Brückensperrung für LKW, die Folgen und den möglichen Zeithorizont der Einschränkungen informieren. So viel ist sicher: „Die Sperrung wird uns nicht nur ein paar Monate beschäftigten“, so Mobilitätsexperte Kleinelümern.
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Fachhändler Picard versendet täglich 1000 Pakete
Noch lassen sich die Auswirkungen nur vage beschreiben. „Bislang hat sich die Sperrung noch nicht auf die Abhol- und Lieferzeiten ausgewirkt“, heißt es etwa beim Industrie-Fachhändler Picard in Hiltrop. Durchschnittlich 1000 Pakete verlassen täglich den Versand an der Dietrich-Benking-Straße. Von dort werden Ersatzteile mit verschiedenen Kurierunternehmen um den ganzen Globus geschickt. Man müsse abwarten, ob es mittelfristig zu negativen Auswirkungen komme.
Brücke muss Belastungstest bestehen
Die Stahlträger der Emschertalbrücke über den Rhein-Herne-Kanal hängen durch, das Tragwerk droht zu versagen. Bei einem Belastungstest soll in Kürze geprüft werden, ob der Abschnitt auch für Pkw gesperrt werden muss.
Geprüft werden soll zudem, ob eine Ersatzbrücke beschafft werden kann, bis eine neue Brücke gebaut und fertig gestellt ist.
Auch Opel in Langendreer beobachtet erst einmal die neue Situation. „Aktuell ist es noch zu früh, die Auswirkungen der A 43-Sperrung auf unser Warenverteilzentrum abzuschätzen“, so Sprecher Harald Schmidt.
Opel beliefert von Bochum 5500 Händler in Europa
Fakt ist: Bochum spielt für den Autokonzern als Drehkreuz für den Ersatzteilversand in ganz Europa eine zentrale Rolle. 120.000 unterschiedliche Artikel werden dort gelagert. Insgesamt 5500 Opel-Händler in ganz Europa werden vom alten Opel-Lager, dem früheren Werk III, und vom neuen Warenverteillager beliefert. Die Opel Group Warenhouse GmbH verschickt jährlich in Europa Ersatzteile mit einem Gewicht von 240.000 Tonnen und einem Volumen von 2,3 Millionen Kubikmetern. Das entspricht 26.000 Güterwaggons.
Beliefert wird der Autobauer von 2300 Zulieferern, die ihre Ware nach Bochum schicken. Von dort aus werden elf regionale Warenverteilzentren und am Ende Einzelhändler auf dem gesamten Kontinent bedient. Ein Teil der Ware kam bislang aus dem Norden über die A 43 und wurde über diese Route auch auf die Händler vor allem im Norden Deutschlands und in Skandinavien verteilt.
DHL-Lkw fuhren bislang 30 Mal täglich über Emschertalbrücke
Für den größten Warenumschlag in Bochum sorgt allerdings das Megapaketzentrum von DHL in Laer. Bis zu 1,2 Millionen Pakete können dort täglich umgeschlagen werden – einige davon werden über die Nord-Route A 43 befördert. Etwa 30 Lkw-Touren wickelt einer der weltweit größten Logistiker bislang täglich über den nun gesperrten Bereich der A 43 ab.
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Nun „müssen Routen durch die erforderlichen Umleitungen anders gefahren werden, auch Fahrplanumläufe können dadurch betroffen sein und müssen anders zusammengelegt werden. Zusätzlich notwendiges eigenes Postpersonal oder auch Personal von eingekauften Transportunternehmen durch erforderliche Zusatzfahrten ist wahrscheinlich“, schildert DHL-Sprecher Rainer Ernzer den durch die Baustelle entstandenen Aufwand.
Logistiker geht von steigenden Kosten aus
„Durch vermutlich länger dauernde Touren, bedingt durch die notwendigen Umleitungen, steigen die Kosten auf jeden Fall.“ Möglicherweise, so Ernzer, kommt es auch zu zusätzlichen Fahrten, „da die bislang passenden Fahrten in Summe zu lange dauern werden, um die Sendungsmenge im notwendigen Zeitfenster zu transportieren“.
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Betroffen ist der regionale Verkehr ebenso wie die überregionale Logistik. „Fahrten von Bochum und zurück gehen in diesem Baustellenbereich in Richtung Recklinghausen, Oer-Erkenschwick, Münster und Coesfeld“, so Ernzer.
Weitere Sperrungen werden befürchtet
Damit nicht genug: „Die schlechte Infrastruktur und speziell marode Brücken sind seit Jahren ein echtes Problem in der Region“, so Julian Mester von der Nagel-Group. Dazu gehören die Dauerbaustelle an der Leverkusener Brücke und die maroden Kanalbrücken an der A 40 vor Duisburg und an der A 42 zwischen Altenessen und Oberhausen. „Hier drohen in den kommenden Jahren die nächsten Sperrungen und damit verbundenen enormen Auswirkungen auf die Menschen und die Unternehmen der Region.“