Bochum-Weitmar. Bürger aus Weitmar-Mark sind in Sorge um ihren Stadtteil. Dieser verkomme immer mehr, klagen sie. So bewerten Stadt Bochum und Politik die Lage.
Inga Rüsen aus Bochum-Weitmar reicht’s. „Weitmar-Mark verkommt immer mehr. Das kann nicht so weitergehen“, sagt sie und ruft bei der WAZ an. Bei Stadt und Politik rühre sich niemand. Beim Termin vor Ort stehen noch neun weitere Bürger parat, um sich Luft zu verschaffen. Sie alle eint die Sorge um ihren Stadtteil, der immer mehr verwahrlose.
Bochum: Bürger aus Weitmar-Mark sorgen sich um ihren Stadtteil
Als Treffpunkt mit der WAZ hat Inga Rüsen ganz bewusst die beiden leerstehenden Häuser an der Karl-Friedrich-Straße ausgewählt. Diese sollen für den geplanten Edeka weichen – irgendwann. Für Rüsen und ihre Mitstreiter, die sie über die Internetplattform nebenan.de kennt, ist dies eine von vielen Dreckecken, die ihnen ein Dorn im Auge sind.
Die Kritik-Liste ist lang: Es gebe kaum noch Grün, weil für den Bau des Kreisverkehrs fast alle Bäume gefällt wurden. Und das, was an Grün noch vorhanden sei, werde zugemüllt. Überall lägen noch Äste vom letzten Sturm herum. Reinigung? Fehlanzeige.
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Die Stelle vor dem Edeka-Areal werde nicht gepflegt. „Im Winter hat niemand das Eis entfernt. Dabei müssen hier so viele Menschen her, die zum Rewe wollen“, sagt Rüsen. „Hier wird nichts unternommen. Wir fühlen uns inzwischen wirklich vernachlässigt. Dabei ist das eigentlich ein schönes Umfeld.“
Anwohner fürchten den neuen Kreisverkehr als mögliche Gefahrenstelle
Den Kreisverkehr, dessen Bau derzeit vorbereitet wird, sehen die Anwohner kritisch. Sie haben Angst, dass dieser zu einer Gefahrenstelle werden könnte. „Wenn schon der Kreisel in Stiepel ein Unfallschwerpunkt ist, wie soll dass dann hier erst mit den vielen Fußgängern werden?“, fragt Jörg Kidrowski.
Ulrike Böttcher wünscht sich mehr Cafés für Weitmar-Mark, und dass die Blumenkübel mal anständig bepflanzt und dann auch gepflegt werden. Ihr Mann Manfred regt eine Müllsammelaktion an. Bernd Albrecht schlägt vor, auf dem Pfarrer-Halbe-Platz, speziell rund um den Brunnen, mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen und vielleicht auch in Weitmar-Mark einen Feierabendmarkt zu veranstalten.
Stadt Bochum sieht Weitmar-Mark nach wie vor privilegiert
Den Eindruck, Weitmar-Mark „verwahrlose“ zusehends, teilt die Stadt Bochum nicht. Entsprechende Beschwerden seien, abgesehen von sporadischen Einzelmeldungen, nicht bekannt. „Im Vergleich der Bochumer Ortsteile wird man Weitmar-Mark wohl eher als einen mit gehobener Lebens- und Wohnqualität bezeichnen können, mit einem gut ausgebauten und breitgefächerten Einzelhandelsangebot und attraktiven Grünflächen“, findet man im Rathaus.
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Laut USB werde das Stadtteilzentrum regelmäßig gereinigt – so wie vorgeschrieben. Für die Gehwege vor den Häusern seien die Eigentümer zuständig.
In Sachen Attraktivierung des Pfarrer-Halbe-Platzes sei sicherlich Luft nach oben. „Es handelt sich allerdings um eine Fläche, die für den Markt frei gehalten wird“, gibt Stadtsprecher Peter van Dyk zu bedenken. „Daher würde eine Umgestaltung schon eine komplexe und sensible Planung erfordern, um die für den Ortsteil und seine Lebensqualität ja nicht unwichtige Marktfunktion nicht zu schwächen.“
Die besondere verkehrliche Situation des Ortes werde beim Bau des Kreisverkehrs natürlich berücksichtigt. Dabei seien selbstverständlich auch Lösungen für die Schulwegs- und sonstigen Fußgängerbewegungen vorgesehen.
Bezirksbürgermeister macht Mut: „Weitmar-Mark macht einen Schritt nach vorn“
In dem Bau des Kreisverkehrs sieht Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD) die Hauptursache für die schlechte Laune im Stadtteil. „Das macht derzeit natürlich einen deprimierenden Eindruck“, gibt er zu. „Und das wird ja auch noch schlimmer, wenn das schwere Gerät anrückt.“ Doch auch, wenn es derzeit trostlos aussehe, „macht Weitmar-Mark insgesamt einen großen Schritt nach vorn“.
Idee: Andere Marktzeiten
Einen möglichen Feierabendmarkt wie am Springerplatz auf dem Pfarrer-Halbe-Platz sieht Marc Gräf eher nicht. „Das geht immer nur gut an einer Stelle. Von daher fände ich eine Kopie blöd.“ Ihm schwebt eher eine Kombination aus Markt für Konsumenten und für Genießer vor. „Das wird die Zukunft sein. Die Werbegemeinschaft Linden denkt über so etwas bereits nach.“
Begrüßen würde Gräf, wenn sich die Marktzeiten den Arbeitszeiten der Berufstätigen anpassen. „So ein Markt kann ja auch am Mittag starten, um mehr und andere Kunden zu erreichen“, findet der Bezirksbürgermeister. Aber das sei ein dickes Brett, das noch zu bohren sei.“ Gleichwohl: „Wir sind dran.“
„Wir befinden uns hier in der Entwicklung. Da muss man durchhalten“, sagt Marc Gräf. Das gebe am Ende einen „sehr grünen Kreisverkehr mit viel Aufenthaltsqualität drumherum“. Zusammen mit den Geschäftsleuten habe man im Vorfeld überlegt, wie man ohne Sitzbänke an den Baumscheiben Sitzgelegenheiten schaffen könne.
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Ergebnis: An vielen Stellen werden Betonmäuerchen rund um die Bäume gebaut, etwa am Imbiss, vorm Metzger, an den Schaukästen. „Vor der Apotheke entsteht ein großes Beet mit unterschiedlichen Sitzhöhen“, verrät Gräf. „Das wird alles richtig schick. Hoffentlich können wir im Oktober 2022 ein großes Fest zur Fertigstellung des Kreisverkehrs feiern.“
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Die Zustände rund um den Pfarrer-Halbe-Platz seien auch ihm bekannt, sagt Marc Gräf. „Ich weiß, wie viel Groll man schiebt, wenn man den ganzen Müll sieht.“ Eine stadtweite Putzaktion sei wegen Corona leider nicht möglich. Private Initiativen unterstütze er aber gern. „Und auch der USB ist bereit dazu.“