Bochum-Südwest. Er ist Bezirksbürgermeister, sie sitzt jetzt im Rat der Stadt Bochum. Die Politik bestimmt das Leben des Ehepaars Gräf – nun noch mehr als zuvor.

Für Marc und Sonja Grä f beginnt jetzt ein neuer Lebensabschnitt. Denn nach ihm wird nun auch sie für die SPD auf der kommunalpolitischen Ebene aktiv. Marc Gräf geht in seine zweite Amtszeit als Bezirksbürgermeister für den Stadtbezirk Bochum-Südwest, Sonja Gräf sitzt künftig im Rat der Stadt Bochum. Und so werden fortan abends auf der heimischen Couch weniger Bücher, dafür umso mehr Verwaltungsvorlagen gelesen und Bebauungspläne studiert.

Die Politik bestimmt das Familienleben der Gräfs jetzt mehr als zuvor. Früher hatte das Ehepaar die Rollen klar verteilt. „Mein Mann kümmert sich ums Ehrenamt, ich mich in erster Linie um die Kinder“, erklärt Sonja Gräf. Nun sind Sohn (19) und Tochter (16) aber so groß, dass die elterliche Betreuung nicht mehr so viel Zeit in Anspruch nimmt. Für „die Ehefrau des Bezirksbürgermeisters“ also Gelegenheit, selbst auch ins politische Geschehen einzugreifen.

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„Ehefrau von Marc Gräf“ – diese Bezeichnung mag Sonja Gräf überhaupt nicht. „Ich bin viel mehr als das“, sagt die 47-Jährige. Geärgert hat sich auch, im Wahlkampf von einem politischen Konkurrenten oft so genannt worden zu sein. Doch spätestens mit der Stimmenauszählung am Wahlabend (fast 40 Prozent) und ihrem Einzug in den Rat war der Ärger so ziemlich verraucht.

Überhaupt, der Wahlkampf. „Das ist schon anstrengend, wenn plötzlich beide Elternteile da aktiv sind“, wissen die Gräfs nun. Komisch war es auch für die Kinder, die nicht nur den Papa, sondern nun auch noch die Mama überall im Stadtteil auf Plakaten sahen. „Ich weiß noch, wie meine Tochter mich anrief und sagte ,Mama, Du hängst am Aldi’“, erinnert sich Sonja Gräf, die sich selbst auch erst daran gewöhnen musste, nicht nur vorm Discounter, sondern überall „zu hängen“.

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Im Frühjahr 2019 bereits hatte Sonja Gräf entschieden, für ein politisches Amt zu kandidieren. Das wurde natürlich auch im vierköpfigen Familienrat diskutiert. Die Kinder hatten nichts dagegen, auch wenn es offenbar nicht ohne ist, „prominente“ Eltern zu haben. „Für unseren Sohn war das nicht immer einfach“, berichtet Marc Gräf und nennt das Beispiel Sanierung der Theodor-Körner-Schule, die beide Gräf-Kinder besuch(t)en. „Diese Sanierung war ja mit auf meinem Mist gewachsen, die Schüler mussten während der Bauarbeiten viel ertragen. Da hat mein Sohn schon mal Sprüche gedrückt bekommen, dass sein Vater ja schuld daran sei.“

Auch mehrere Giftanschläge schreckten nicht ab

Noch viel schlimmer traf es die Familie, als vor sechs Jahren mehrere Giftanschläge auf Garten und Vorgarten verübt wurden. Doch einschüchtern lassen wollten sich die Gräfs nicht. „Du machst weiter – jetzt erst recht“, habe die Familienrunde damals entschieden.

Und nun mischen sogar zwei Gräfs in der heimischen Politik mit. Die allgemeine Politikverdrossenheit habe sie dazu bewogen, sagt Sonja Gräf. „Und die vielen Rechtswähler.“ Sie wolle etwas tun, um ihr Umfeld vor Ort positiv zu verändern. „Und wie geht das besser als über die Kommunalpolitik?“

Politische Familienbande

Das Politik auch Familiensache sein kann, zeigt nicht nur das Ehepaar Gräf. Schon sehr lange sind Axel und Gaby Schäfer für die SPD politisch aktiv – er als Bundestagsmitglied, sie als Bochumer Ratsfrau und stellvertretende Bürgermeisterin.

In der Bezirksvertretung Süd sitzen zwei Brüder am Tisch der CDU: Gereon und Johannes Kuriewicz. In der Bezirksvertretung Ost führt Carolin Pesch den CDU-Fraktionsvorsitz; ihre Mutter Elke ist seit vielen Jahren Ratsmitglied. Ebenso Martina Schnell (SPD), der ihre Zwillinge politisch nacheifern.

Um nur einige Beispiele zu nennen.

Dass sie im Rat sitzt und er in der Bezirksvertretung, birgt eine gewisse Brisanz. Das ist auch dem Bezirksbürgermeister klar: „Der Rat, der das Gesamtstädtische im Blick haben muss, kann ja Entscheidungen des Bezirks einkassieren“, sagt Marc Gräf. Das komme zwar selten vor, passiere aber durchaus. „Von daher kann das bei uns zu Hause sicherlich auch mal rauschen.“ Zumal beide zugeben: „Diskutieren können und tun wir sehr gerne.“

Auf Ortsvereins-Ebene kommen sich die Gräfs übrigens nicht in die Quere. Marc, ein paar Monate jünger als seine Frau, ist seit jeher Mitglied in Linden, Sonja nun in Dahlhausen. Das hat mit dem Wohnort zu tun. Das Haus der Gräfs liegt in Dahlhausen. Eine Hausnummer weiter ist Linden. Dort, am Krüzweg, hat die Familie früher gewohnt, als Marc Gräf politisch aktiv wurde.

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Dass die Gräfs, die sich während des Studiums in Berlin kennengelernt haben, im Bochumer Südwesten gelandet sind, war purer Zufall. „Wir haben beide bei der Knappschaft gearbeitet und uns damals drei Wohnungen angesehen“, erinnert sich Sonja Gräf. „Erst eine in Werne, dann eine in Weitmar und dann sind wir die ganze Zeit hinter der Straßenbahn nach Linden gefahren. Mein Mann fragte schon, wo sind wir denn hier? Auch das Haus sah auf den ersten Blick nicht gerade einladend aus.“ Dafür punktete die Wohnung. „Tja, und seitdem wollten wir hier nie wieder weg.“

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