Bochum/USA. Bochumer Horst Braeuner packt 1964 Mut zusammen und verlässt Deutschland mit dem Frachter gen USA. In der Tasche hat er gerade mal 170 Dollar.
Wenn er heute über seine Auswanderergeschichte nachdenkt, dann fragt er sich selbst: „Junge, wie konntest du das eigentlich machen?“. Mit gerade einmal 21 Jahren, nur 170 Dollar in der Tasche und rudimentären Englisch-Kenntnissen bestieg Bochumer Horst Braeuner 1964 den Frachter nach Norfolk, Virginia. 12 Tage war der heute 78-Jährige auf dem Atlantik unterwegs, ohne Plan, wie er im Anschluss nach Chicago kommen sollte.
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Dort hatte eine Familie aus der deutschsprachige Baptistenkirche die Bürgschaft für ihn übernommen, damit er einreisen konnte. Sie mussten für ein Jahr garantieren, dass er dem Staat nicht zur Last fiel. Mehr als eine Ausbildung an der Schule Feldsieperstraße, eine kaufmännische Lehre bei Auto Hoffmann und zwei Jahre bei der deutschen Luftwaffe hatte der Bochumer auf der Suche nach Arbeit in den USA nämlich nicht vorzuweisen.
Unkomplizierte Bürokratie: Bochumer findet Job in den USA
Doch es dauerte kaum eine Woche, da hatte er eine Anstellung als Maschinist – ohne Erfahrung mitzubringen. Braeuners erstes Erlebnis, wie unkompliziert es in Amerika laufen kann. „Ich wollte nur zwei Jahre in den USA bleiben, aber am Ende habe ich fast 30 Jahre als Maschinist gearbeitet“, sagt Braeuner, der mit seiner Ehefrau Elisabeth aktuell dem Winter in den Nordstaaten der USA entflohen ist und in South Carolina wohnt. Auch Elisabeth Braeuner ist gebürtige Bochumerin.
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„Wir haben uns auf einer Geburtstagsfeier kennengelernt, als Horst zu Besuch in Deutschland war“, erinnert sie sich. 13 Jahre lebte der einstige Altenbochumer da schon in den Staaten. „Geheiratet haben wir 1977 aber in Bochum-Hamme“, betont Elisabeth Braeuner, die gepackt durch die Abenteuerlust nach Chicago folgte und von ihrem Ehemann mit einem Strauß gelbe Rosen empfangen wurde. Sie selbst hatte in Bochum die Pestalozzi- und die Helene-Lange Schule besucht, außerdem eine Ausbildung als Sekretärin gemacht und bei RWE in Essen gearbeitet.
Mit Bochumer Kennzeichen durch die USA
Ihre Heimatstadt, die ist immer noch die „Perle im Ruhrpott, der Diamant im Universum“, sagen die Braeuners. „Uns gehört sogar noch ein Haus in Bochum, in dem eine Zeit lang eine aus Beirut evakuierte Familie wohnte, welche wir über die Baptistengemeinde an der Hermannshöhe kannten“, sagt Elisabeth Braeuner. Ein bis zwei Mal im Jahr zieht es das Ehepaar noch nach Bochum zurück. Abstecher bei Borgböhmer und Dönninghaus stehen dann ebenso auf dem Plan wie Spaziergänge durch das Weitmarer Holz, die Innenstadt oder Verwandtenbesuche. „In Wisconsin fuhren wir mit einem Kennzeichen, auf das wir vom Staat ‚Bochum‘ haben aufdrucken lassen“, sagt Horst Braeuner und erinnert sich an Abende an der Tankstelle von Radsportler Walter Lohmann.
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So sehr die Braeuners Bochum auch lieben, sie sind sich sicher: „Was wir in Amerika erreichen konnten, wäre in Deutschland so nicht möglich gewesen.“ Denn nachdem Horst Braeuner die Firma als Maschinist verlassen hatte, begab sich das Ehepaar in das Kunstgewerbe. „Wir haben Kunst aus ganz USA gekauft und verkauft“, berichten die Braeuners.
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Blockhütten aus Bochum in den USA
Und wie es der Zufall so wollte: Als die Braeuners nach Hayward (Wisconsin) reisten, um mit Kettensägen geschnitzte Holzkunst zu kaufen, gefiel ihnen das dortige zum Verkauf stehende Motel so gut, dass sie es erwarben. „Wir haben es einfach gegen unser Haus in Illinois getauscht. In Deutschland undenkbar“, sagt Horst Braeuner. Kurzerhand stiegen sie damit in das Urlaubsgeschäft ein – ließen Blockhütten der Firma Gaidt (Dorstenerstraße) aus Bochum importieren. Auch die Schreiner flogen zum Aufbau ein.
USA – ein Top-Auswandererziel
Zu den USA zählen 50 Bundesstaaten – von Alabama über Texas bis Wyoming. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind der drittgrößte Staat der Erde – sowohl flächenmäßig (hinter Russland und Kanada) also auch bevölkerungstechnisch (hinter China und Indien).
Auch bei den Top-Auswandererzielen der Deutschen spielen die USA ganz vorne mit: Hinter der Schweiz landen sie alljährlich auf Platz 2.
„Mittlerweile haben wir Teile unserer Motels verkauft, der Rest folgt bald“, sagt Horst Braeuner. Die Antwort auf seine Frage, wie er den Schritt über den Atlantik wagen konnte, die gibt Braeuner sich selbst: „Ich habe wohl zu viele Cowboyfilme gesehen in Kombination mit meinem unbedingten Drang nach Freiheit.“ Ob eine dauerhafte Rückkehr nach Bochum trotzdem noch in Frage kommt? „Vielleicht, wenn wir mal älter sind“, sagen die Braeuners und lachen.