Bochum. Weil so viele Bäume gefällt werden, steht die Stadt Bochum unter Beschuss. Die WAZ hat einen Baum-Manager mit den Kritikpunkten konfrontiert.

Überall in Bochum werden derzeit Bäume gefällt: an der Blankensteiner Straße in Weitmar, an der Feldmark in Altenbochum, am Schulzentrum Gerthe – und am Donnerstag und Freitag (25./26. Februar) am Kesterkamp in Linden. Viele Bürger können das nicht nachvollziehen und überziehen die Stadt mit Kritik. Zurecht? Die WAZ hat den Baum-Manager der Stadt Bochum, Marcus Kamplade (54) mit den Kritikpunkten konfrontiert.

Es werden nicht genug Anstrengungen unternommen, um die Bäume zu erhalten! „Definitiv falsch“, sagt Marcus Kamplade beim Ortstermin am Kesterkamp, wo sowohl Straße als auch Bürgersteig inklusive der Versorgungsleitungen erneuert werden. 49 Bäume fallen hier. „Wir vom Grünflächenamt sind immer beteiligt und prüfen vorher jeden Baum.“ Dann werde untersucht: Wie gesund ist der Baum? Was passiert beim Eingriff ins Wurzelwerk?

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Das sei auch am Kesterkamp so geschehen. „Wir machen uns das nicht einfach“, versichert Kamplade. Bei der Baumaßnahme am Kesterkamp habe auch die Biologische Station als unabhängige Instanz eine Expertise abgeben und die Stadt in ihrem Tun bestärkt. „Die meisten der Bäume hier sind bereits krank“, erklärt Kamplade. „Hinzu kommt, dass massive Eingriffe in den Wurzelbereich vonnöten sind.“ Dadurch sei die Standfestigkeit nicht mehr garantiert. „Bei 45 Prozent Wurzelverlust sprechen wir von einem Totalschaden“, so Kamplade weiter. „Ohne Wurzel kein Leben.“

Eine Grableuchte hängt an einem Baum am Kesterkamp in Bochum-Linden. Anwohner trafen sich hier in den vergangenen Wochen zu Mahnwachen, um gegen die Baumfällungen zu protestieren.
Eine Grableuchte hängt an einem Baum am Kesterkamp in Bochum-Linden. Anwohner trafen sich hier in den vergangenen Wochen zu Mahnwachen, um gegen die Baumfällungen zu protestieren. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Das Umwelt- und Grünflächenamt kämpfe aber um jeden Baum, garantiert Kamplade. So hätten vor Jahren die 100 Jahre alten Platanen an der Alexandrinenstraße erhalten werden können. „Da wurde aber auch nur die Straße gemacht.“ Die Baumaßnahme am Kreisel in Weitmar-Mark zum Beispiel sei umfassender, da hätten die meisten Bäume weichen müssen. „Aber auch hier kann eine große Platane stehen bleiben. Es ist wirklich nicht so, dass wir es nicht versuchen.“

Die Aufgaben des Baum-Managers

Seit einigen Jahren ist Marcus Kamplade Baum-Manager der Stadt Bochum. In allen Belangen rund um den städtischen Baumbestand ist Kamplade erster Ansprechpartner, bei ihm laufen alle Informationen, die Straßenbäume und den Stadtforst betreffen, zusammen, er koordiniert Baumpflege und -pflanzungen.

Zu den Aufgaben des Baum-Beauftragten zählt insbesondere die Bearbeitung von Anfragen von Bürgern und Politik rund um das Thema Baumfällungen. Kamplade ist Fachagrarwirt Baumpflege und ehrenamtlicher Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. den Frust über Baumfällungen könne er absolut nachvollziehen“, sagt er. „Auch mir tut jeder gefällte Baum in der Seele weh.“

Der Baum kann nicht krank sein, der steht doch kerzengerade! „Das täuscht“, gibt Marcus Kamplade zu bedenken. „Der Pilzbefall ist meist nicht sichtbar“, erklärt er und zeigt bei einer Esche auf die noch unbelaubte Krone. „Die Eschen sind vom Triebsterben betroffen. Heißt: Der Pilz nimmt über die Blüten Einfluss und lässt den Baum absterben. Die Birken leiden in den vergangenen Jahren per se unter den trockenen Sommern.“

Es wird nicht ausreichend nachgepflanzt! „Sogar mehr als das“, sagt Marcus Kamplade und nennt zur Veranschaulichung die Zahlen von 2020: „Im vergangenen Jahr wurden in Bochum 425 Bäume gefällt und mehr als 1000 neu gepflanzt, davon allein 650 Straßenbäume. Auch an der Blankensteiner Straßen werden mehr Bäume nachgepflanzt, als gefällt wurden. Der Kesterkamp in Linden erhält wieder eine Allee, auch mit durchaus größeren Bäumen mit einem Stammumfang von 50 Zentimetern. Vermutlich Ahorn.“

Ein Pilz wächst an einer Birke am Kesterkamp in Bochum-Linden. Äußerlich sei ein Pilzbefall oft nicht sichtbar, sagt Baum-Manager Marcus Kamplade.
Ein Pilz wächst an einer Birke am Kesterkamp in Bochum-Linden. Äußerlich sei ein Pilzbefall oft nicht sichtbar, sagt Baum-Manager Marcus Kamplade. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Es gibt nicht genug Geld für Nachpflanzungen! „Doch, inzwischen schon“, verweist Marcus Kamplade auf das Bochumer Stadtbaumkonzept, dass seit 2018 pro Jahr eine Million Euro für Neupflanzungen bereitstellt. „Das ist einsame Spitze“ freut sich der städtische Baum-Manager. „Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da hatten wir dafür gerade einmal 20.000 Euro.“

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Die jungen Bäume brauchen viele Jahre, um die Klimabilanz gefällter Bäume zu erreichen! „Stimmt“, räumt Marcus Kamplade ein. „Aber wir versuchen, da einen Ausgleich hinzubekommen. Deshalb pflanzen wir auch entsprechend große Bäume.“ Allerdings könne ein kranker Baum auch klimabelastend sein.

Neue Bäume: Stadt Bochum versucht, für die Zukunft zu pflanzen

Wichtig sei, jetzt für die Zukunft zu pflanzen. „Und das machen wir, indem wir genau schauen, welche Bäume sich für die aktuelle Zeit des Klimawandels am besten eignen. Wir achten darauf, dass die Bäume möglichst insektenfreundlich, salzverträglich, sauerstoffspendend und hitzeresistent sind.“

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Auch würden die Standorte der neuen Bäume optimal ausgestattet. Kamplade nennt die Stiepeler Straße: „Hier sind die Baumscheiben zwei mal zwei Meter groß, die Bäume stehen in speziellem Pflanzsubstrat, das ausreichend Feuchtigkeit auch für trockene Zeiten speichert.“

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Bochum wird immer mehr zugebaut! „Baumaßnahmen sind nicht mein Fachgebiet, aber ich finde, Bochum ist immer noch sehr grün“, sagt Marcus Kamplade. „Allerdings: Noch grüner geht immer.“

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