Bochum-Linden. Mit Mahnwachen protestieren Kesterkamp-Anwohner in Bochum-Linden gegen bevorstehende Baumfällungen. Sie hoffen auf stadtweite Strahlkraft.

Annette Kopka zündet mit ihrem Mann rote Kerzen und Fackeln an und steckt sie in ihren Vorgarten. Unweit von ihrem Haus ist eine schwarze Schleife um eine Platane gebunden, weitere Anwohner haben Grabkerzen aufgestellt. „Wir sind gegen den Straßenausbau in der geplanten Form, denn ihm fallen viele alte Bäume zum Opfer", sagt Kopka. Die Bäume –Eschen, Birken, Ahorn, Eiben und Platanen – müssten bleiben, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.

Wöchentliche Mahnwachen

Diese Forderung wollen die Anwohner am Kesterkamp mit einer wöchentlichen Mahnwache unterstreichen: Weil der Start am letzten Sonntag in 2020 (27.) ins Wasser fiel, ging es mit dem ersten Sonntag im neuen Jahr (3.) los. „Die Bäume speichern CO2 und sind Emissionsschutz“, nennt Frank Höfener zwei Gründe, die aus Sicht der Lindener für den Erhalt der Bäume sprechen. Die Stadt, die die Fahrbahn verbreitern und einseitig einen Fahrradweg errichten will, hält das nicht für möglich. Aus ihrer Sicht sind die Fällungen von 49 geschützen Bäumen unausweichlich.

Kritik am Straßenumbau

„Es werden nicht genug Anstrengungen unternommen, um die Bäume zu erhalten", ist sich Rüdiger Hossiep sicher. Wie weitere Anwohner vermutet auch er, dass die Neuordnung der Straße vor allem Logiken von Zuschüssen und verfügbaren Geldern folgt – und weniger dem Klima- und Umweltschutz. „Ein Fahrradweg macht auf dem Verbindungsstück gar keinen Sinn, weil er an den Hauptverkehrsstraßen Hattingerstraße und Dr.-C.-Otto-Straße gar nicht angebunden ist", sagt zum Beispiel Kopka. Und auch Höfener meint: „Hier ist eine 30er Zone, aber es wird gerast. Wir wünschen uns, dass die Straße verkehrsberuhigter wird und nicht verbreitert wird."

Anwohner: Ersatzbepflanzung reicht nicht

Die Ersatzbepflanzung, die im Zuge des Umbaus geschaffen werden soll, reicht aus Sicht der Anwohner nicht aus. „Selbst, wenn man junge Bäume nachpflanzt, würde es zig Jahre dauern, bis sie die Funktion der jetzigen ersetzen können", sagt Christa Jodeleit, Initiatorin der Mahnwache. Vor dem Hintergrund der heißen Sommer sei es ohnehin fraglich, ob sie überhaupt angehen. Für die 49 geschützten Bäume, die nach der Zustimmung des Naturschutzbeirates im vergangenen Oktober abgeholzt werden dürfen, will die Stadt 68 neue mit einem Umfang von 30 bis 40 Zentimetern pflanzen.

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Stadt Bochum hält dagegen

Laut Behörden sind die Hauptbaumarten etwa 40 Jahre alt. Die Anwohner aber haben alte Familienfotos hervorgekramt. „Die Bäume sind viel älter, teilweise weit über 100 Jahre alt und im Schnitt etwa 70 Jahre", so Petra Hossiep und zeigt eine besonders stattlich gewachsene Platane. „Die nötige Ernsthaftigkeit zum Erhalt der Bäume und zum Schutz des Klimas fehlt einfach. Man kann die Straße auch sanieren und die Bäume erhalten", meint Stefan Rampe und Jodeleit sagt: „Bäume abzusägen, die jahrzehntelang gewachsen sind, ist unumkehrbar. Der Klimanotstand ist aber jetzt da!"

Baumwurzeln werden beschädigt

Die Stadt hat in der Vergangenheit jedoch bereits jede Menge Gegenargumente aufgefahren: Die Erneuerung der Gehwege und der Strom- und Wasserleitungen würden zu einem enormen Verlust an Baumwurzeln führen und die Standfestigkeit der Bäume beeinträchtigen, hieß es beispielsweise aus dem Tiefbauamt.

Stadtweite Strahlkraft

Nach Einschätzung der Biologischen Station sei die Allee außerdem gar nicht so prächtig; weise Lücken auf und habe kein geschlossenes Kronendach. Die Anwohner, die sich im gesamten Prozess mehr Einbindung gewünscht hätten, rechnen sich geringe Chancen aus, mit ihrer Mahnwache gegen die Pläne der Stadt anzukommen.

„Trotzdem ist es wichtig, auf den Wahn der Flächenversiegelung aufmerksam zu machen", sagt Höfener, der sogar eine Protest-Website einrichten will. Der Kesterkamp hofft derweil auf stadtweite Strahlkraft seiner Aktion: „Wenn wir die Fällungen schon nicht verhindern können, wollen wir wenigstens Bochumer in anderen Stadtteilen zum Protest anregen – etwa am Schlosspark." Dort sollen uralte Bäume einem Neubaugebiet weichen. Barbara Weighardt ist sich außerdem sicher: „Die Aktion wird uns Anwohner am Kesterkamp sicherlich zusammenschweißen."

INFO: Bezirksvertretung Südwest und Naturschutzbeirat stimmten zu

Der Naturschutzbeirat der Unteren Naturschutzbehörde hat der Beseitigung der Allee in seiner Sitzung im Oktober 2020 zugestimmt, ebenso die Bezirksvertretung Südwest. Die Alleebäume sollen noch im Winter 2021 gefällt werden. Nach Beendigung der Maßnahme werden als Ersatzmaßnahme 68 heimische Bäume gepflanzt. Viele Eschen am Kesterkamp haben eine Pilzkrankheit, die nicht aufhaltbar ist. Ihre Fällung befürworten auch die Anwohner.

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