Bochum. Bis zu 50 Prozent der Kinder werden in manchen Bochumer Kitas betreut. Die Tendenz könnte steigen, so die Stadt. Eltern und Träger nennen Gründe.
Bis zu 50 Prozent der angemeldeten Kinder werden in Bochum derzeit von ihren Eltern in die Kita gebracht. Das hat eine Abfrage bei den Trägern ergeben. "Die Betreuungsgarantie gilt, aber alle Eltern sind dringend aufgerufen, die Betreuung ihrer Kinder – wenn immer möglich – selber sicherzustellen", heißt es vom Land NRW. Es besteht kein Betretungsverbot trotz Corona-Lockdown, anders als in anderen Bundesländern.
"Wir wissen, dass Eltern verantwortungsbewusst mit der aktuellen Situation umgehen", meint Christopher Becker, Sprecher des Kita-Trägers Awo. 30 bis 50 Prozent der Kinder besuchen demnach aktuell die Einrichtungen. "Belastungssituationen können sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext vorliegen. Es liegt nicht an uns, dies zu beurteilen", so Becker weiter. Den Infektionsschutz und die Gesundheit der Erzieherinnen und Erzieher behalte die Awo dabei im Blick.
Betreuungsquote in Bochums Kitas steigt voraussichtlich
Ähnliche Zahlen liefert die Stadt Bochum. Die Inanspruchnahme der Betreuung sei in den vergangenen Wochen sehr unterschiedlich gewesen, der Anteil lag größtenteils zwischen rund 30 und 45 Prozent, so Stadtsprecher Thomas Sprenger. Grundsätzlich gehen die Eltern sehr verantwortungsvoll mit der aktuellen Situation um. Es sind aber nicht nur Eltern mit systemrelevanten Berufen, die die Betreuung in Anspruch nehmen. "Alle Einrichtungen rechnen mit einer steigenden Zahl der zu betreuenden Kinder - in den meisten Fällen wurde dies bereits seitens der Eltern auch so angekündigt", so Sprenger.
Rund ein Viertel der Kinder des Kita-Zweckverbandes besuchen in diesen Wochen ihre Einrichtung. "Wir gehen davon aus, dass das Angebot nur dann genutzt wird, wenn es notwendig ist", sagt Sprecherin Lina Strafer. Dabei setze der Verband auf die Solidarität der Eltern. In den evangelischen Kitas liegt der Anteil betreuten Kinder bei ungefähr einem Drittel. Das seien verglichen mit dem ersten Lockdown sogar weniger Kinder, teilt Michael Both, Geschäftsführer der evangelischen Kindergartengemeinschaft, mit. „Derzeit haben wir circa 40 Kinder in der Einrichtung Kita Abenteuerland, das sind circa 45 Prozent der „Normalauslastung“, so DRK-Sprecher Christian Seibel. Allerdings steige auch hier die Nachfrage.
Eltern nutzen Kitas, weil die Nerven inzwischen blank liegen
Je nach Einrichtung ist die Betreuungsquote auch in die sieben Caritas-Kitas in Bochum unterschiedlich, liege im Schnitt jedoch bei 40 bis 50 Prozent. Betreut werden nicht nur Eltern von Kindern, die systemrelevante Berufe ausüben. "Genauso viele betreute Kinder haben aber auch Eltern, die im Homeoffice sind, als Selbständige arbeiten oder normal zur Arbeit, ins Büro gehen", so Caritas-Sprecherin Annette Borgstedt. Gerade von Eltern, die im Homeoffice sind, werde die Betreuung in der Kita damit begründet, dass durch die Doppelbelastung aus Kinderbetreuung und Job „die Nerven inzwischen blank liegen", so Borgstedt.
Das bestätigen zwei Mütter aus Bochum. "Alleinerziehend und berufstätig. Irgendwo muss das Kind dann ja bleiben", sagt Jennifer Krusy-Sczepanski. Genau so geht es Antje Johannsen: "Da ich Vollzeit arbeiten und alleinerziehend bin." Sarah F. aus Bochum räumt ein, ihr Kind auch in die Kita zu bringen, wenn sie nicht arbeiten muss - aus zwei Gründen: "Weil mein Kind einfach die sozialen Kontakte braucht und ich als alleinerziehende Mutter ein paar Stunden für mich brauche."
Angepasste Betreuungszeiten bedeuten Probleme für Bochums Kita-Eltern
Die Bochumerin Franziska Richter sieht das anders: "Ich habe durch den Lockdown die Möglichkeit, zuhause zu betreuen, also mach ich das auch." Britta Fichtner gewinnt der aktuellen Situation Positives und Negatives ab: "Ich genieße die Zeit mit den Kindern, die mir keiner mehr nehmen kann. Es ist nur traurig für die Kinder. Bin auch seit dem 16. Dezember zuhause mit einem Kindergarten-Kind", so die Mutter. Ihr Sohn vermisse natürlich seine Freunde.
Probleme bereiten vielen Müttern und Vätern die angepassten Betreuungszeiten, die für jedes Kita-Kind um zehn Stunden reduziert wurden. Das verdeutlicht Mutter und Krankenschwester Katharina Leichtenberger: "Eine Notbetreuung von 7.30 bis 12.30 Uhr bringt mir rein gar nichts in meinem Job als Krankenschwester." Sie arbeite derzeit viele Stunden in Wochenendarbeit oder im Nachtdienst, bekomme Unterstützung ihrer Familie. "Ich versuche es so wenig wie möglich zu nutzen, aber ich muss, soll und möchte meinen Job natürlich weiterhin ausüben und meine Kinder dann betreut wissen."
Stadtelternrat in Bochum fordert: "An die Kinder denken"
Mit diesem Problem ist Leichtenberger nicht allein, weiß Meike Kessel, Vorsitzende des Stadtelternrates in Bochum. "Die reduzierten Öffnungszeiten sind ein großes Problem", schildert sie im Gespräch mit dieser Redaktion. Im Vergleich zum ersten Lockdown würden wieder mehr Kinder von den Großeltern betreut. "Viele Eltern arbeiten derzeit im Homeoffice und haben das Gefühl, niemandem richtig gerecht zu werden. Nicht den Kindern und nicht ihrem Arbeitgeber."
Der Stadtelternrat sorgt sich vor allem um die Kinder. "Eltern sehen einen guten Schulbeginn gefährdet, weil Programme für Vorschulkinder fehlen oder die Kommunikation in deutscher Sprache", so Kessel. Sie fordert, dass die Kinder selbst nicht vergessen werden dürfen. "Es ist so wichtig, dass der Kontakt zwischen Kita und Kindern bestehen bleibt. Die Kommunikation muss besser werden." Ihre Tochter besucht die Integrative Kindertagesstätte Wasserstraße, dreimal pro Woche finden 15-minütige Video-Konferenzen für die Vorschulkinder statt. "Die Kinder sehen sich und sind glücklich darüber", sagt die Vorsitzende des Stadtelternrates. Der fehlende Austausch mit Gleichaltrigen müsse irgendwie ermöglicht werden - von möglichst vielen Einrichtungen. Kessel: "Ich wünsche mir, dass dabei kein Kind vergessen wird."
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