Bochum. 800 Wohnungen will Bochum jedes Jahr bauen. Das geht weit über den Bedarf hinaus – sagen Studien. Die Grünen wollen jetzt auf die Bremse treten.
800 neue Wohnungen will Bochum jedes Jahr bauen. So ist der Plan, den die Stadt 2017 im Handlungskonzept Wohnen beschlossen hat. Nun wachsen Zweifel, ob wirklich so viele neue Wohnungen benötigt werden. Allen voran äußern die Grünen im Rat Bedenken.
Sie stützen sich dabei auf eine Studie des Analysehauses Wüest Partner und auf eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Beide kommen zu dem Schluss: Bochum baut über Bedarf. „Für eine Stadt, in der bereits so viel Fläche versiegelt ist, ist das eine relevante Information. Sie entspricht auch unserer Einschätzung der Entwicklung“, sagt Olaf Krause, planungspolitischer Sprecher der grünen Ratsfraktion. Schon jetzt belege Bochum mit einer versiegelten Fläche von 37,9 Prozent Platz neun in Deutschland.
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Abkehr vom Handlungskonzept Wohnen
Das klingt so, als strebe der kleinere, aber nach der jüngsten Kommunalwahl stärker gewordene Partner in der Rathaus-Koalition von SPD und Grünen eine Abkehr vom Handlungskonzept Wohnen an. „Zwischenzeitlich hat sich beim Neubau sehr viel getan“, so Krause. Und überhaupt seien die Zahlen, auf denen das Planungsziel von jährlich 800 neuen Wohnungen basiere, überaltert, argumentiert Grünen-Fraktionschefin Barbara Jessel: „Wir müssen das Handlungskonzept auf Grundlage neuer Daten zur Bevölkerungsentwicklung und zum Wohnungsbestand auf den Prüfstand stellen. Die Zahl 800 halten wir für zu hoch. 500 können wir uns vorstellen.“
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Das geht dem Koalitionspartner zu schnell: „Zahlen überprüfen, ja“, sagt der neue SPD-Fraktionschef Burkart Jentsch. „Aber wir müssen nicht gleich alles über den Haufen werfen, nur weil eine neue Studie erschienen ist. Die 800 Wohnungen sind momentan genau das richtige Maß. Und mein Gefühl sagt mir, dass das möglicherweise nicht ausreicht.“ Genau das müsse aber überprüft werden. Tatsächlich sei im vergangenen Jahr zum ersten Mal überhaupt die Zahl von 800 neuen Wohnungen erreicht worden.
Stadt setzt auf Wachstum
Widersprüche sind nicht von der Hand zu weisen. Die Stadt Bochum geht von einem Bevölkerungswachstum aus und setzt dabei nicht zuletzt auf den Strukturwandel und zahlreiche damit verbundene neue Jobs. Bereits begonnene große Projekte wie etwa der Ostpark sollen helfen, den Bedarf zu decken, der etwa durch die Entwicklung auf Markt 51/7 entsteht. Er geht in die Tausende.
Baulücken werden selten geschlossen
In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden zwar deutlich weniger Baugenehmigungen für Häuser in Bochum erteilt als im Vergleichszeitraum des Jahres; nämlich nur 99 statt 154. Aber: Dahinter steckt eine deutlich höhere Zahl an neuen Wohnungen ; nämlich 1136 Wohnungen statt 467 im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Die Wohnraumverdichtung und das Füllen von Baulücken sind Bestandteil des Handlungskonzepts Wohnen. Viel Erfolg hatte die Stadt mit ihrer Ansprache an Eigentümer von Grundstücken bislang aber offenbar nicht. Vor drei Jahren wurden 332 Baulücken in der Stadt ausgemacht. Das Interesse der Eigentümer, diese Lücken mit Wohnimmobilien zu schließen, hält sich in Grenzen.
Aber es gibt auch ganz andere Prognosen. Der Statistikdienstleister IT.NRW sagt voraus, Bochums Einwohnerzahl werde schrumpfen – bis 2040 um 2,5 Prozent auf 356.248. Auch die jüngste Voraussage der von der Bertelsmann-Stiftung erstellten Erhebung „Wegweiser Kommune“ sagt, Bochums Einwohnerzahl sinkt. Schon 2025 würden nur noch 346.380 Menschen in der Stadt leben.
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Weniger Einwohner, weniger Wohnungen – oder zumindest weniger Neubauten. So sehen es die Grünen. Dabei haben sie nicht zuletzt den Schutz von Freiflächen im Blick. Sätze wie dieser im Koalitionsvertrag dürften vor allem der grünen Feder entspringen: „Neue Wohnungsbauvorhaben sind in erster Linie auf bereits vorgenutzten Flächen umzusetzen. Innenentwicklungsmaßnahmen wie dichtere Bebauung, Schließung von Baulücken und Aufstocken von Gebäuden haben Priorität.“ Bis 2022 sollen neue Daten erhoben und das städtische Ausbauziel vor dem Hintergrund aktueller Zahlen neu formuliert werden.
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Schon jetzt schlagen die Grünen aber Pflöcke ein: Es könne nur um Bochumer Bedarfe gehen, so Fraktionschefin Jessel. Im Blick habe sie dabei vor allem barrierefreie und bezahlbare Wohnungen. „Gerade vor dem Hintergrund der städtischen Versiegelung werden wir nicht in der Lage sein, die Wohnungsmarktprobleme anderer Städte lösen zu können.“
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