Bochum. Wohnungen bauen, Baulücken schließen, Bestand verjüngen – so soll Bochum attraktiver werden. Kritiker sehen Lücke zwischen Anspruch und Realität.

Es gibt genügend Wohnungen in Bochum. Eigentlich. Knapp 200 000 waren es Ende 2015, einige Tausend von ihnen standen leer. Rein statistisch ist also ausreichend Wohnraum vorhanden für die derzeit etwa 372 000 Bochumer – selbst für Neubürger, Wohnungswechsler und auch vor dem Hintergrund des angenommenen Einwohnerzuwachses in den nächsten Jahren.

 Bochums Wohnungsbestand
Bochums Wohnungsbestand © Denise Ohms

Das Problem: Viele Wohnungen sind zu alt, zwei Drittel von ihnen wurden vor mehr als 45 Jahren errichtet (Grafik), entsprechen nicht mehr aktuellen Ansprüchen und sind vor allem nicht das, was sich einzelne Zielgruppen wünschen. Es fehlen Wohnungen für Familien, für Bezieher geringer Einkommen, für Menschen mit Behinderungen, für Singles, für Studenten, für Senioren und für einige weitere Gruppen mit einem oder mehreren der genannten Merkmale. Kurzum: Das Wohnungsangebot ist nicht nur zu klein, es entspricht auch nicht der Nachfrage.

Das alles beschreibt ein 200-seitiges Papier, das die Stadt im September 2017 vorgestellt hat und das Bestandsaufnahme, Maßnahmen-Fahrplan und Instrumentenkoffer in einem ist: das Handlungskonzept Wohnen. Ein Papier mit Gewicht. Es steht für die Wohnungsbauoffensive, die Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) ausgerufen und als eine von 25 Kernaktivitäten der „Bochum Strategie“ ausgemacht hat.

Denn: Es geht um zentrale Fragen, wie Stadtbaurat Markus Bradtke im Rahmen einer der Veranstaltungen zur Anbahnung des Handlungskonzepts sagte: „Wohnen ist eines der elementarsten Bedürfnisse des Menschen und wir müssen wissen, wie es in den nächsten zehn bis 15 Jahren in Bochum weitergehen soll.“

52 Prozent der Wohnung gehören Privatpersonen

Auf einen kleinen Nenner gebracht, geht es darum, kurzfristig 800 Neubauwohnungen jährlich schaffen, davon 200 Sozialwohnungen. Insgesamt wurden über ganz Bochum verteilt 60 Projekte mit 3800 Wohneinheiten ausgemacht, die bis 2020 in Angriff genommen werden sollen (Grafiken). Auf weiteren 30 Flächen gebe es Potenzial für 5600 Wohnungen.

Richtfest am Waldring: Zimmermann Guido Bonrath und Karsten Koch, Geschäftsführer des Bauträgers Markus-Bau, schlugen im Sommer 2017 die letzten Nägel für das Dach eines Mehrfamilienhauses ein.
Richtfest am Waldring: Zimmermann Guido Bonrath und Karsten Koch, Geschäftsführer des Bauträgers Markus-Bau, schlugen im Sommer 2017 die letzten Nägel für das Dach eines Mehrfamilienhauses ein. © Olaf Ziegler | Olaf Ziegler

Wobei das gesamte Potenzial weit über den Bau neuer Ein- und Mehrfamilienhäuser hinausgeht. Es geht auch um die Bestandsentwicklung, bei der Wohnungsgesellschaften, aber nicht zuletzt auch einzelne Hausbesitzer eine wichtige Rolle spielen. Denn: 52 Prozent aller Wohnungen gehören Privatpersonen.

Auch kleine Maßnahmen spielen eine Rolle

Und: „Wir haben auch die Chance, Stadtreparatur zu betreiben“, sagt Eckart Kröck, Leiter des Amts für Stadtplanung und Wohnen. Möglich sei das etwa mit der Innenraum- und Lückenbebauung. Das kann mit umfassenden Maßnahmen wie Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepten (ISEK) gelingen, wie es sie in Laer, Langendreer und Wattenscheid gibt und die vom Land gefördert werden.

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Aber auch kleinere Maßnahmen spielen eine Rolle. So hatte Kröcks Amt als eine der ersten Maßnahmen im Rahmen des Handlungskonzepts die Eigentümer von 275 Baulücken im Stadtgebiet angeschrieben und die Entwicklungsperspektive der Flächen ermittelt. Ein Gutachterbüro ermittelt, wie groß das Potenzial für die Aufstockung von Gebäuden ist und wie ein Hauseigentümer sie umsetzen könnte.

Kröck: „Am Ende sollte es eine Handlungsempfehlung für Hauseigentümer geben, die nicht wie große Wohnungsgesellschaften die Möglichkeit haben, die Mieter eines Hauses vorübergehend in anderen Wohnungen unterzubringen.“

Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Der Vorteil von Bestandspflege und der Verdichtung bebauter Flächen liegt auf der Hand: Es müssen keine Freiflächen angegriffen und keine zusätzlich Infrastruktur aufgebaut werden. Denn die liegt bereits vor.

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„Das hört sich ales gut an“, sagen Kritiker. Aber es klafften Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit. So moniert CDU-Ratsmitglied Roland Mitschke, dass die Erschließungspläne für das RWE-Gelände an der Wielandstraße (Grumme) erst nach vielen Jahren fertiggestellt sind, sei ebenso ernüchternd wie hohe Auflagen für Investoren, wie es sie für die Baupläne an der Dietrich-Benking-Straße (Hiltrop) gebe.

„Durch überzogene Auflagen von erheblichem Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit gefährdet Rot-Grün notwendige Investitionen. Offensichtlich hat man aus dem Wohnbauland-Konzept nichts gelernt.“