Bochum-Querenburg. Immer mehr Geschäfte im Uni-Center in Bochum-Querenburg schließen. Dabei sollte es mit dem Einkaufszentrum aufwärtsgehen. Die Hintergründe.

Der Eigentümer des Uni-Centers in Bochum-Querenburg hat große Pläne, will das Einkaufszentrum neben der Ruhr-Universität Bochum wieder aufblühen lassen. Doch der aktuelle Trend scheint genau in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Immer mehr Händler fliehen aus dem Uni-Center und schließen nach und nach ihre Geschäfte. Das hat unterschiedliche Gründe.

Vor 20 Jahren war das hier eine fantastische Einkaufsstraße“ sagt Dorota Gietzel, die das Reisebüro neben dem Rewe führt. „Es gab einen Schuhladen, Boutiquen und so weiter.“ Und heute? Stehen die meisten Ladenlokale leer. Zuletzt ging die Post raus, und auch das Traditionslokal „Summa cum laude“. Weitere werden folgen.

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Wie Dorota Gietzel mit ihrem Reisebüro. Ihr wurde Corona zum Verhängnis. Und, wie sie sagt, die fehlende Unterstützung durch den Eigentümer des Uni-Centers, Grand City Property (GCP) aus Berlin. „Anfang März hatte ich nach der Möglichkeit einer Mietminderung gefragt“, erzählt sie. „Nach drei Wochen schrieb man mir, ich solle einen Kredit bei Bund und Land aufnehmen.“

„Es geht bergab mit dem Uni-Center – aber die Mieten bleiben“

„Es geht bergab mit dem Uni-Center“, sagt Dorota Gietzel, „aber die Mieten bleiben“. 1550 Euro zahlt sie monatlich für das 80-Quadratmeter-Ladenlokal. Doch durch Corona ist ihr das Geschäft weggebrochen. Auch sollte sie plötzlich für eine Nebenkosten-Nachzahlung in Höhe von 4000 Euro aufkommen. „Belege dafür habe ich bis heute nicht gesehen. Auf die Schreiben meiner Anwältin antwortet GCP nicht einmal.“

Die Einkaufsstraße des Uni-Centers in Bochum-Querenburg: Einst blühende Flaniermeile, treten viele Geschäftsleute inzwischen die Flucht an.
Die Einkaufsstraße des Uni-Centers in Bochum-Querenburg: Einst blühende Flaniermeile, treten viele Geschäftsleute inzwischen die Flucht an. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Für Dorota Gietzel ist klar: „Ich werde zum Jahresende kündigen.“ Sie wolle zunächst als mobile Beraterin von zu Hause aus arbeiten und sich dann, wenn sich die Reise-Branche von Corona erholt hat, ein kleines Ladenlokal in Uni-Nähe suchen. „Ich will hier ja eigentlich gar nicht weg. Ich wohne hier, habe einen treuen Kundenstamm.“

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Nebenan im Querenburger Brillenstudio sind die Lichter bereits ausgegangen. Inhaber Alexander Jäh hat zum 31. Dezember gekündet, den Laden aber schon Ende August geschlossen. 2016 habe man ihm von GCP versichert, dass es bald aufwärtsgehe. Spätestens in zwei Jahren, also 2018, wolle man hier durchstarten. Doch das Gegenteil sei der Fall.

Jäh hatte 2017 mehr Glück als seine Nachbarin, durfte die Miete (2500 Euro) in Absprache mit GCP für ein Jahr um 500 Euro reduzieren. Diese Abmachung wollte der 48-Jährige gerne verlängern, „denn die Umsatzzahlen gingen mit dem Verfall des Uni-Centers und der Schließung weiterer Läden runter“. Doch die Verhandlungen zogen sich, er fühlte sich hingehalten. Okay, sei ihm signalisiert worden, er solle einfach weiter 500 Euro weniger zahlen. „Aber ich bekam das nicht schriftlich.“

Nachzahlungsforderung über 10.400 Euro

Nach langem Hin und Her sei dann ein dicker Umschlag aus Berlin gekommen. Mit der schriftlichen Bestätigung der Mietminderung, „aber auch mit weiteren vertraglichen Verpflichtungen, auf die ich mit meiner Unterschrift eingehen sollte“, berichtet Alexander Jäh. „So sollte ich meine Umsätze und Bilanzen offenlegen. Und ich sollte meine Öffnungszeiten zur allgemeinen Vereinheitlichung im Uni-Center verlängern. Andernfalls drohe eine Vertragsstrafe.“

Auch die Universitätsbuchhandlung Schaten verlässt das Uni-Center in Bochum-Querenburg.
Auch die Universitätsbuchhandlung Schaten verlässt das Uni-Center in Bochum-Querenburg. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Für Jäh war klar: „Unterschreibe ich das, ist das mein wirtschaftliches Todesurteil.“ Er ließ die ihm gesetzte Acht-Wochen-Frist verstreichen. „Drei Tage später kam ein Einschreiben mit einer Nachzahlungs-Forderung über 10.400 Euro. Ich bin sicher: Die haben nur darauf gewartet.“ Für Jäh war zu diesem Zeitpunkt klar: „Ich will hier nicht bleiben. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die in Berlin kein Interesse daran haben, hier etwas zu verbessern. Ich glaube nicht an eine Sanierung.“

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Neben seinem Hauptstandort in Weitmar hat er nun eine Filiale in Herne eröffnet. Alexander Jäh ist froh, raus aus dem Uni-Center zu sein. Allerdings ahnt er, dass das Ganze noch ein Nachspiel haben wird. „Da ich mich ja jetzt nicht mehr an die Öffnungszeiten halte, dürfte mir eine Vertragsstrafe drohen.“ Dabei findet er sogar, dass sich einheitliche Öffnungszeiten für ein ordentliches Einkaufszentrum gehören. „Nur ist es hier nicht ordentlich.“

Auch die Buchhandlung und „Jeans Fritz“ machen dicht

Ebenfalls das Uni-Center verlassen wird die Buchhandlung Schaten. Auch Inhaber Joachim Schaten nennt Probleme mit dem Vermieter. Das sei allerdings nicht der Hauptgrund. Wegen Corona gebe es keine Präsenzveranstaltungen in der Ruhr-Universität, die Studenten blieben weg – auch aus der Buchhandlung. Schaten berichtet von 80 Prozent Umsatzeinbußen. „Und es ist keine Besserung in Sicht.“

Weiterhin keine Details zum Entwicklungskonzept

Grand-City-Property (GCP) hält daran fest, „eine langfristige Strategie für das Uni-Center“ zu haben, sowohl für den Wohn- als auch für den Gewerbebereich. „Wir sehen für das gesamte Uni-Center sehr gutes Potenzial, das wir weiter ausschöpfen möchten“, heißt aus der Unternehmenszentrale in Berlin.

Man habe seit der Übernahme der Objekte „zahlreiche Aufwertungsmaßnahmen“ durchgeführt. „Wir setzen unsere Investitionen schrittweise und planvoll um und wir führen Zug um Zug Modernisierungsmaßnahmen durch.“ Der Wille, für das Uni-Center eine positive Entwicklung fortzuführen, sei „bekannt wie sichtbar“.

Das Entwicklungskonzept, das von GCP jüngst dem Gestaltungsbeirat der Stadt Bochum vorgelegt wurde, sei „Teil unserer langfristigen Strategie für das Uni-Center, sowohl zur Aufwertung als auch zur weiteren Wiederbelegung“. Man habe großes Interesse daran, „die Vielfalt der Angebote im Center noch weiter auszubauen“. Details werden von GCP allerdings nach wie vor nicht verraten.

Deshalb ist am 18. Dezember Schluss. „Das war’s dann. Das ist ganz bitter“, sagt Joachim Schaten, hörbar mitgenommen. Bei ihm gebe es aber weiterhin „alles, was man fürs Studium braucht“. Denn seinen Großhandel an der Rombacher Hütte betreibt der 64-Jährige weiter. „Hier nehmen wir auch Einzelbestellungen entgegen und liefern auch aus.“

Kurz vor Weihnachten macht auch „Jeans Fritz“ dicht. „Die Filiale wird aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen, da sie nicht mehr unseren Anforderungen, die wir an einen Standort haben, erfüllt“, teilt das Unternehmen nur knapp mit.

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Grand City Property gibt vor, nichts von einer Flucht der Händler aus dem Uni-Center zu wissen. „Uns liegen aktuell keine Kündigungen von Mietverhältnissen vor“, teilt Unternehmenssprecherin Katrin Petersen auf WAZ-Anfrage mit. Zu Vertragsinhalten wolle man sich nicht äußern – wegen einer „für beide Seiten verbindlichen Vertraulichkeitsvereinbarung“. Nur so viel: „Unsere Verträge entsprechen den marktüblichen Konditionen und sind branchenkonform.“

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Man pflege mit den Gewerbemietern „einen kooperativen Austausch auf Augenhöhe“, habe „immer ein offenes Ohr“ und sei „gesprächsbereit bezüglich aller Anliegen“.

Das sehen viele Gewerbetreibende offensichtlich anders.

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