Bochum. Bochumer Vereine finden den Vorstoß der Stadt, alle Sportstätten zu schließen, überzogen. Sie haben eigene Vorstellungen vom Umgang mit Corona.
Dass die Stadt Bochum all ihre Sportstätten gesperrt und geschlossen hat, stößt in den Vereinen auf immer mehr Kritik. Klar, den steigenden Zahlen von Corona -Infizierten müsse entgegen gesteuert werden, da sind sich alle einig. Aber so? Auf Vereinsebene hält man den Vorstoß der Stadt für überzogen und nicht zu Ende gedacht. Und in Teilen auch für unlogisch und ungerecht.
Denn man fühlt sich in Sippenhaft genommen. Stichprobenartige Kontrollen hatten laut Stadt ergeben, dass in einer Vielzahl von Fällen die Hygiene-Vorgaben nicht ausreichend eingehalten wurden. Ergo wurde der Entschluss gefasst, alle städtischen Sportstätten zu schließen – bis auf Weiteres.
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Marian Kellermann, Vorsitzender des TuS Querenburg, geht das zu weit. „Wir haben viel Zeit und Kraft in unsere Hygiene-Konzepte investiert. Und sie haben funktioniert“, stellt er fest. „Uns hat niemand gesagt, dass wir Dieses oder Jenes verbessern müssten.“ Gerade das hätte im Falle der „schwarzen Schafe“, die auffällig wurden, vielleicht erstmal ausgereicht, anstatt gleich alles zu schließen und sperren, findet Kellermann.
Er hätte sich von der Stadt konkrete Vorgaben gewünscht. „Viele der Auflagen können so oder so interpretiert werden. Da fehlen klare Ansagen“, findet Marian Kellermann. Seine Idee: Wer gegen Vorgaben verstoße, sollte konkret darauf hingewiesen werden. Bei weiteren Verstößen könne dann – individuell – sanktioniert werden.
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So aber müssten alle Sportler für die Fehler anderer büßen. Das sieht auch Manfred Nachtigall so. Er ist der Vorsitzende von Bochums größtem Breitensportverein, dem TV Frisch-Auf Altenbochum. „Wir als Verein haben unsere Hausaufgaben gemacht, haben Konzepte entwickelt, die es uns erlaubten, auch in Corona-Zeiten Sportkurse anzubieten.“
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Die Reaktion der Stadt, alle Sportstätten bis auf Weiteres zu schließen, hielt man bei Frisch-Auf anfangs für richtig. „Und so haben wir auch unser vereinseigenes Bonhoeffer-Haus geschlossen“, sagt Nachtigall. Aber beim näheren Betrachten der Situation seien dann doch Zweifel aufgekommen. Und Fragen: „Warum etwa dürfen die Prellballer in Essen trainieren, unsere in Bochum aber nicht? Die haben sogar zum Teil unsere Hygiene-Konzepte übernommen. Und warum dürfen Kinder und Jugendliche in der Schule in einem Raum sitzen, aber nicht in kleineren Gruppen in einer Turnhalle oder auf einem Sportplatz Sport machen?“
Vereine hängen am Tropf der Stadt Bochum
Fragen, die Manfred Nachtigall an dem Vorgehen der Stadt zweifeln lassen. „Alles stillzulegen ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss.“ Nachtigall, Kellermann und all die anderen Vereinsoberen hoffen nun, dass die von der Stadt angekündigten Gespräche mit dem Stadtsportbund über eine mögliche Lockerung des stadtweiten „Sport-Lockdown“ fruchten werden.
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Denn alle hängen am Tropf der Stadt. „Wir nutzen stadtweit zehn Turnhallen, Schwimmbäder und zwei bis drei Sportplätze“, rechnet Manfred Nachtigall für seinen TV Frisch-Auf mit rund 2100 Mitgliedern vor. Beim TuS Querenburg können aktuell rund 200 Fußballer nicht ihrem Hobby nachgehen. Ebenso wenig die Tischtennisspieler des Vereins, deren Saison bis Jahresende ausgesetzt wurde. „Wäre trotzdem schön, wenn die zumindest bald wieder in der Halle der Hufelandschule trainieren könnten“, sagt Marian Kellermann.
Auch die Gardetänzer leiden
Corona und die Schließung der städtischen Sportstätten beschäftigt Marian Kellermann gleich doppelt. Denn er lenkt nicht nur die Geschicke des TuS Querenburg, sondern ist zugleich auch zweiter Vorsitzender des Theater- und Karnevalsvereins Germania 1888 Querenburg.
Dessen Gardetänzer hatten für die bald startenden Session zumindest auf ein, zwei Auftritte gehofft. „Doch nun ist auch die Halle der Waldschule, in der wir trainieren, dicht“, klagt Kellermann. Damit die Tänzer fit bleiben, würden gerade Online-Trainingsformate erstellt. „Das ist auch wichtig, um in Kontakt zu bleiben. Denn durch die Folgen von Corona geht ja gerade das Soziale vielerorts verloren.“
Er findet es vor allem bei Sportarten, die an der frischen Luft stattfinden, unsinnig, diese zu verbieten. Und man könne ja lokal auf Probleme reagieren, so wie dies schon geschehen sei, etwa mit dem Reduzieren der Zuschauerzahl oder der Anzahl der Personen pro Kabine. Kellermann hofft, dass die Stadt noch einmal zum Umdenken animiert werden kann. Gleichzeitig schwant ihm allerdings Böses: „Aktuell sickert durch, dass das Land NRW den Kontaktsport ganz verbieten will.“ Da hätte man dann auch mit der frischen Luft kein Argument mehr.
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Wie viele Kontrollen genau vom Sportamt durchgeführt wurden und wie hoch die „Vielzahl“ an Verstößen war, war bis Redaktionsschluss von der Stadtverwaltung nicht in Erfahrung zu bringen. Nach WAZ-Informationen sollen 80 Prozent der überprüften Vereine gegen die eigenen Hygiene-Konzepte verstoßen haben. Was dies in absoluten Zahlen bedeutet, bleibt unklar. Ebenso, bei welchen Sportarten die Kontrollen durchgeführt wurden.
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