Bochum-Hamme. Nachbarn in der Speckschweiz stemmen sich gegen Wohnbebauung auf einer Grünfläche. Doch die Stadt Bochum hat das Grundstück längst verkauft.

Sozialer Wohnungsbau oder Klimaschutz? Vor diesem Dilemma stand die Bezirksvertretung Bochum-Mitte in ihrer letzten Sitzung dieser Legislaturperiode am Donnerstag. Es geht um ein 656 Quadratmeter großes Grundstück an der Hofsteder Straße 44, das die Stadt 2018 verkauft hatte. Dort sollen Mietwohnungen, auch für Menschen mit Behinderungen, gebaut werden. Dagegen wächst der Widerstand in der Nachbarschaft. Die Anwohner fordern nun, auf die Bebauung zu verzichten, und argumentieren mit Naturschutz: Das Grundstück solle als Grünfläche erhalten bleiben.

Mit Protestschreiben an Bäumen setzen sich die Nachbarn für den Erhalt der Bäume an der Hofsteder Straße 44 ein.
Mit Protestschreiben an Bäumen setzen sich die Nachbarn für den Erhalt der Bäume an der Hofsteder Straße 44 ein. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Martin Senft wohnt seit 16 Jahren in der Speckschweiz und appellierte in der Sitzung an die Bezirksvertreter: „Die Verwaltung hatte sich fürs Wohnen und gegen den Klimaschutz entschieden. Jetzt sollte der Sachverhalt neu bewertet werden. Wir haben binnen einer Woche 220 Unterschriften gesammelt, die sich alle für den Erhalt der Grünfläche aussprechen.“ Der größte Teil der zu bebauenden Fläche ist eine Grünanlage, gerne genutzt von den Anwohnern. Dort stehen mittelalte bis alte Buchen, Eschen, Eiben und Felsenbirnen. „ISEK Hamme schafft die Chance, dort eine grüne Oase für die Bewohner zu erhalten.“

Stadt Bochum will Frist für den Investor verlängern

Im März dieses Jahres hat der Käufer den Bauantrag für ein Mehrfamilienhaus mit elf öffentlich geförderten Wohneinheiten eingereicht. Die Baugenehmigung wurde ihm Mitte September erteilt. Der Investor hatte sich im Kaufvertrag 2018 verpflichtet, das Areal innerhalb von zwei Jahren nach Vertragsabschluss gebrauchsfertig zu bebauen. Nun kann er die Frist nicht einhalten; sie soll um weitere zwei Jahre verlängert werden.

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Ingbert Ridder vom Amt für Geoinformation, Liegenschaften: „Es ist eine Abwägung. Der Bezirk Mitte hatte einer Bebauung 2016 zugestimmt; 2018 wurde der Kaufvertrag geschlossen. Der Eigentümer handelte in gutem Glauben und hat die Verzögerungen im Baugenehmigungsverfahren nicht selbst verschuldet.“

Rechtsamt: Beschluss gegen das Bauen wäre nicht umsetzbar

Das Rechtsamt gibt zu bedenken, dass eine Aufhebung der Baugenehmigung und die Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts erhebliche Schadensersatzforderungen auslösen würden. Ridder: „Selbst, wenn der Bezirk sich gegen eine Bebauung ausspricht, wäre der Beschluss nicht umsetzbar. Die Rechtslage ist eindeutig.“

Geld statt Ersatzpflanzungen

Der Fällantrag für acht Bäume wurde Ende April dieses Jahre gestellt und Ende September erteilt. Der Investor könnte jetzt fällen, die Saison hat begonnen.

Die Bäume sind allesamt geschützt; als Ersatzpflanzung wären 15 Laubbäume mit einem Mindeststammumfang von 20 cm zu pflanzen, zu erhalten und zu pflegen.

Da allerdings das Grundstück großflächig erschlossen wird, muss der Antragsteller eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1200 Euro pro Baum zahlen.

Das Gremium folgte mehrheitlich dem Vorschlag der Verwaltung, die Anregung der Anwohner abzulehnen. Doch es gab auch Befürworter für mehr Klima- und Artenschutz. Sven Ratajczak von den Linken fand: „Wir sollten alles versuchen, um aus dem Vertrag herauszukommen und dort eine Parkanlage für die Nachbarn zu schaffen.“

Linke und CDU auf Seite der Bürger

Auch David Schary schlug sich für die CDU auf die Seite der Bürger: „Vor dem Hintergrund, dass die Stadt 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat, muss man Entscheidungen neu bedenken. Sonst wäre es nur ein Lippenbekenntnis.“ Zudem verwies er auf die Parkprobleme in der dicht besiedelten Speckschweiz; vier neue Stellplätze für die geplante Wohnbebauung seien da viel zu wenig.

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Holger Schneider (SPD): „Wir haben uns 2016 für den sozialen Wohnungsbau stark gemacht. Zwar haben sich die Zeiten geändert, aber die Stadt sollte als zuverlässiger Partner gelten, der Verträge einhält.“

Ähnlich die Grünen. Karsten Finke sagte, dass „leider dort Bäume gefällt werden. Doch wir wissen, eine Rückabwicklung wäre rechtlich nicht haltbar“. Zudem würden Sozialwohnungen dringend gebraucht.

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