Bochum/Herne/Witten. Wegen rechter Chats bei der NRW-Polizei herrschen im Präsidium Bochum „Betroffenheit und Unverständnis“. Das sagt der Polizeipräsident.

In der Affäre um rechtsextreme Äußerungen einiger Beamtinnen und Beamten der NRW-Polizei vor allem in Mülheim hat sich der Bochumer Polizeipräsident Jörg Lukat in einem WAZ-Interview im Präsidium zur Situation in der eigenen Behörde geäußert.

WAZ: Herr Lukat, gab es im Bochumer Polizeibezirk (mit Herne und Witten) schon einmal Hinweise auf mögliche rechte Äußerungen oder Aktivitäten?

Jörg Lukat: Mir sind drei Fälle aus den letzten Jahren bekannt. Dies ist zum einen ein Fall, in dem ein ehemalige Regierungsangestellter der Polizei im Jahr 2017 verfassungswidrige Symbole in soziale Medien gestellt hatte. Da er sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Ruhestand befand, gab es keine Möglichkeit, ihn disziplinarisch zu belangen.

Der zweite Fall: Da hatte ein Beamter auf einem Trucker-Treff den Begriff „linke Zecken“ verwandt. Eine Strafbarkeit hat die Staatsanwaltschaft nicht festgestellt. Auch wir haben geprüft und dann keinen Grund zu der Annahme gesehen, dass eine rechtsextreme Gesinnung vorliegt. Gleichwohl habe ich eine Missbilligung ausgesprochen.

Beamter soll gemeine Polizeiinformationen an eine Person aus der rechten Szene verraten haben

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Und der dritte Fall?

Lukat: Es geht um einen Beamten, der wegen Geheimnisverrats des Dienstes enthoben worden ist. Ein Disziplinarverfahren und ein Strafverfahren laufen. Ein Dritter, an den er Informationen weitergereicht haben soll, ist kein Unbekannter in der rechten Szene.

Wird innerhalb der Behörde jetzt selbst recherchiert, ob es rechtsradikale Äußerungen oder Aktivitäten gab und gibt?

Bei den Ermittlungen geht es um Chats auf privaten Handys. Möglichkeiten, in die Handys der eigenen Beamtinnen und Beamten zu schauen, haben wir nicht; außer wir hätten einen gerichtlichen Beschluss. Wichtiger aber ist, im Kollegenkreis ein Umfeld aufzubauen, in dem man sofort den Finger hebt und aktiv wird.

Neue Polizeikräfte in Bochum fahren zu Gedenkstätte für Polizei-Verbrechen in der Nazi-Zeit

Mit 17 Jahren in den Polizeidienst eingetreten

Jörg Lukat (57) ist seit Frühjahr 2019 Polizeipräsident in Bochum. 1979 trat er mit 17 Jahren in den mittleren Dienst der Polizei ein. Nach der Ausbildung arbeitete er unter anderem im Streifendienst im Rheinland und im Ruhrgebiet.

Nach Studien und Fortbildungen übernahm er Führungsaufgaben in verschiedenen Polizeibehörden, etwa beim polizeilichen Staatsschutz in Dortmund.

Wie wollen Sie das erreichen?

Ich fahre regelmäßig mit jedem, der neu in die Behörde kommt, zur Villa ten Hompel nach Münster, eine Gedenkstätte für Verbrechen von Polizei und Verwaltung in der Nazi-Zeit. Ziel ist, den Beamtinnen und Beamten ihre Verantwortung zu verdeutlichen, dass sie sofort aufstehen, wenn sie rechtslastige Missstände im persönlichen beruflichen Umfeld bemerken.

„Es herrschen ausgesprochene Betroffenheit und absolutes Unverständnis“

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Wie beeinflusst die Affäre in der NRW-Polizei den Arbeitsalltag innerhalb Ihrer Behörde?

Die Beamtinnen und Beamten sind nachhaltig sauer, weil sie jetzt gleichgesetzt werden mit solchen, die nicht verstanden haben, wo die Polizei in einem demokratischen Rechtsstaat steht. Ich habe gleich 60 Führungskräfte hier. Ich werde ihnen nochmal meine Erwartungshaltung formulieren, werde sie für das Thema noch einmal sensibilisieren, obwohl sie sensibel sind, und diskutieren, wie wir gemeinsam nachhaltiger in diesem Thema arbeiten. Ich habe so tolle Kolleginnen und Kollegen, die Arbeit ist ausgesprochen gut.

Wie reagieren Polizeibeamte in Bochum auf den Umstand, dass einige ganz wenige den Ruf der Polizei beschädigen, der sonst beim Großteil der Bevölkerung sehr gut ist?

Es herrschen ausgesprochene Betroffenheit und absolutes Unverständnis. Jeder Extremismus, aber auch Sexismus, haben keinen Platz in der Polizei. Da gibt es keine Grauzone. Meine Oma würde sagen: Sowas macht man nicht.