Bochum/Witten. Jörg Lukat ist neuer Polizeipräsident für Bochum, Witten, Herne. Welches Ziel für ihn ganz oben steht und was er konkret in Witten angehen will.

Erstmals seit Jahrzehnten sitzt wieder ein gelernter Polizeibeamter auf dem Chefsessel des Polizeipräsidiums Bochum, das auch für Witten und Herne zuständig ist. Die WAZ traf den neuen Polizeipräsidenten Jörg Lukat (56) vergangene Woche in seinem Büro an der Uhlandstraße zum Interview. Es ist das erste, das er seit Amtsantritt im Juni den Medien gab. Zuletzt hatte der frühere Streifenpolizist das Referat „Einsatz in besonderen Lagen“ in der Polizeiabteilung des Innenministeriums geleitet.

WAZ: Herr Lukat, was haben Sie heute Vormittag schon alles gemacht?

Jörg Lukat: Ich war bei der Lagebesprechung: Was ist übers Wochenende passiert? Dann war ich bei mehreren Besprechungen mit leitenden Polizeibeamten. Es kam keine Langeweile auf. Die Mittagspause ist auch irgendwie durchgegangen.

Sie sind in Herten aufgewachsen und leben auch heute noch dort. Welches Bild haben Sie von Witten gehabt? Bzw hatten Sie bereits die Möglichkeit sich von Witten persönlich vor Ort ein Bild zu machen?

Von Witten kenne ich aus persönlicher Anschauung bislang nur den Kemnader See und das schöne Ruhrtal. Natürlich habe ich mich über die Einsatz-/Kriminalitäts- und Verkehrslage in Witten informieren lassen. Ich freue mich, mehr von Witten zu erfahren, dazu dient natürlich auch ein erstes Kennenlerngespräch mit der Bürgermeisterin, dass für Anfang August vereinbart worden ist. In Kürze werde ich auch mit den Kolleginnen und Kollegen aus Witten vor Ort im Detail ins Gespräch kommen und den Wachbereich begehen und bestreifen. Darauf freue ich mich sehr.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie für Witten?

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Was ich wahrnehme ist eine enge und sehr gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Polizei in Witten und der Stadtverwaltung, sodass Themen der öffentlichen Sicherheit nachhaltig angegangen werden. Darüber hinaus sehe ich, dass die objektive Sicherheit aufgrund der bekannten Fallzahlen im Kriminalitäts-/Einsatz- und Verkehrsunfallbereich einen guten Verlauf genommen hat. Aber natürlich gibt es immer wieder Situationen, die ein besonderes Augenmerk erfordern, weil Menschen sich ohne Rücksicht auf die Interessen anderer ausleben wollen. Ich denke da u. a. an den Rathausplatz und den Lutherpark, aber auch an ein zum Teil grenzüberschreitendes Freizeitverhalten rund um den Kemnader See.
Übrigens: Obwohl das Polizeipräsidium historisch bedingt in Bochum beheimatet ist, haben alle drei Städte in der polizeilichen Arbeit für mich natürlich denselben Stellenwert – die Sicherheit der Menschen in Witten liegt mir genauso am Herzen wie der in Bochum und Herne. Auf die angesprochenen Entwicklungen in Witten werden wir deshalb zügig reagieren, um eine gute Lösung zu erreichen.

Was haben Sie bisher gelernt seit Ihrem Amtsantritt?

Mir war nicht so präsent, wie vielfältig die Tätigkeiten eines Behördenleiters sind. Eine Ahnung hatte ich schon, aber die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Etwa beim Thema Personal: Woher kommt es und wie wird es gerecht verteilt?

Schon mit 17 Jahren wurde Jörg Lukat Polizist

Jörg Lukat wurde von der Landesregierung nach einem Vorschlag von Innenminister Herbert Reul (CDU) ernannt. 1979 trat Lukat mit 17 Jahren in den mittleren Dienst der Polizei ein.

Nach der Ausbildung arbeitete er unter anderem im Streifendienst im Rheinland und im Ruhrgebiet. Nach Studien und Fortbildungen übernahm er Führungsaufgaben in verschiedenen Polizeibehörden, etwa beim polizeilichen Staatsschutz in Dortmund.

Lukat ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er fährt Motorrad und verbringt seine Urlaube gerne beim Camping an der Nordsee. Er folgt im Amt auf Kerstin Wittmeier, die als Beigeordnete zur Stadtverwaltung Duisburg wechselte.

Was sehen Sie als Behördenziel Nr. 1 an?

Die Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls steht weiter ganz oben. Das ist für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung exorbitant wichtig.

Die Kriminalitätsquote sinkt, aber das Sicherheitsgefühl der Menschen sinkt trotzdem auch. Wie erklären Sie sich das?

Die subjektive Sicherheit spiegelt nicht zwingend auch die Kriminalitäts- und Einsatzlage. Es hängt von der Wahrnehmung des Einzelnen ab, wie er bestimmte Anlässe bewertet und er sich deshalb sicher oder unsicher fühlt. Als Faktor dazu kommt die Präsenz bestimmter Delikte in den Medien – etwa die Übergriffe an Silvester 2015/16 vor dem Kölner Hauptbahnhof – und wie darüber berichtet wird.

Wurmt es Sie, dass aufgrund juristischer Zwänge viele Tatverdächtige kurz nach der Festnahme wieder laufen gelassen werden müssen?

Als Polizist in einem demokratischen Rechtsstaat weiß man, warum Normen gesetzt wurden. Es gibt Grenzen in einem Rechtsstaat. Und das ist auch richtig so. Ansonsten könnte jeder Grenzen setzen wie er wollte. Und dann sind wir im Bereich des Faschismus.

Stört es Sie, dass an sehr vielen Brücken und Hauswänden von Unbekannten die Buchstaben „ACAB“ („All cops are bastards – „Alle Polizisten sind Bastarde“) aufgesprüht worden sind?

Man muss aufpassen, dass man nicht langsam abstumpft, weil man es so häufig sieht. Gleichwohl steckt eine völlige Respektlosigkeit dahinter gegenüber Kolleginnen und Kollegen, die eine sehr gute Polizeiarbeit machen.

Wie erklären Sie sich das?

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Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es betrifft ja zum Beispiel auch die Feuerwehr und den Rettungsdienst. Nicht einmal in Freibädern ist man in der Lage, das soziale Miteinander ausüben zu können. Das gibt zu denken.

Was sind die vornehmsten Tugenden eines guten Polizeipräsidenten?

Ein Behördenleiter sollte je nach Situation ein guter Zuhörer, Moderator oder Entscheider sein. Eines sollte er aber immer sein: aufrichtig und berechenbar.

Empfehlen sie Schulabgängern den Polizeiberuf?

Auf jeden Fall. Das ist ein unglaublich vielfältiger Beruf. Er öffnet viele Chancen und ist immer ganz nah bei den Menschen. Ich selbst schaue auf 40 Jahre zurück und bin dankbar, was ich alles erleben durfte.