Essen/Mülheim. Polizisten einer Mülheimer Dienstgruppe haben über Whatsapp rassistische Nachrichten verbreitet. Nun sind Essener Polizisten in Sorge.

Schon wieder sieht sich Präsident Frank Richter mit dem Vorwurf konfrontiert, unter den Polizisten des Essener Polizeipräsidiums sind ausländerfeindliche Frauen und Männer und solche, die rassistischen Auswüchsen zumindest nicht widersprechen.

Wegen mutmaßlicher rechtsextremer Chatgruppen ermittelt die Polizei in NRW gegen insgesamt 29 Polizeibeamte aus den eigenen Reihen. Sie sollen in mehreren Chatgruppen auf WhatsApp fremdenfeindliche Bilder und Nachrichten verschickt und empfangen haben. Der Kern des rechtsextremistischen Netzwerks soll bei der Polizei in Mülheim sein, berichtete NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) überraschend am Dienstag. In Chat-Gruppen bei Whatsapp seien weit mehr als 100 Bilder mit strafrelevanten Inhalten gefunden, darunter Bilder von Adolf Hitler, Hakenkreuzen und Reichskriegsflaggen sowie eine fiktive Darstellung eines Flüchtlings in einer Gaskammer.

Polizisten vom Dienst suspendiert

15 der beschuldigten Polizisten, die aktiv Nachrichten verschickt haben, wurden vom Dienst suspendiert. Auch die restlichen 14 Beamten sind vorläufig des Dienstes enthoben worden.

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„Das ist ein Schock“, sagt ein Polizist, der in Essen Dienst schiebt. „Ich kenne zwei der Kollegen, die suspendiert wurden, aber selber keine Nachrichten verschickt haben. Die beiden sind ganz weit weg davon, Rassisten zu sein. Aber man kommt ins Grübeln“, so der Beamte. Er kennt solche Chatgruppen, war selbst mal in einer, in denen Polizisten unter sich sind, auch mal einen derberen Witz teilen oder ein Foto mit einer rechten, aber nicht verbotenen Meinung. Irgendwann wurde es ihm zu bunt, er verließ die Gruppe.

„Dennoch“, so der Polizeibeamte: „Es gibt einen Punkt, an dem man widersprechen muss, den Kollegen Einhalt gebieten, wenn es Ernst wird“. Auch wenn das nicht einfach sei, der Korpsgeist sei schließlich weiterhin ein Hohes Gut unter Polizisten, auch wenn Vorgesetzte in der Öffentlichkeit ungern von Korpsgeist und stattdessen viel lieber von „Zusammenhalt“ sprächen.

Polizisten in Essen und Mülheim machen sich Sorgen

Nach den Durchsuchungen machten sich jetzt viele Polizisten in Essen und Mülheim „ihre Gedanken“. Wie weit gehen die Ermittlungen jetzt, ab wann werden empfangene oder verschickte Nachrichten nun Konsequenzen nach sich ziehen. „Droht die Suspendierung, wenn man mal einen dummen Witz gepostet hat?“, fragten sich nun die Beamten des Essener Präsidiums. „Ein bisschen geht schon die Angst um.“

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Heiko Müller, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für Essen und Mülheim, weiß von Betroffenen, die am Mittwochmorgen aus allen Wolken fielen, als Kollegen bei ihnen auftauchten, um die Durchsuchungsbeschlüsse zu vollstrecken. Bevor sie erfuhren, was ihnen vorgeworfen wird, war der Schreck groß, dass einem Verwandten etwas passiert sein könnte. In dreien der Fälle sind mögliche strafrechtliche Vorwürfe bereits verjährt, doch das Disziplinarrecht kennt keine solche Befristungen.

Was, wenn diese Beamten es nach langer Zeit noch nicht einmal mehr präsent hatten, dass ihnen vielleicht vor Jahren rechtsextreme Anschauungen aufs Handy geschickt worden waren, denen sie gar keine Beachtung schenkten. Auch dies ist denkbar, sagt Müller, so lange niemand weiß, wer welche strafbewehrten Inhalte in welcher Größenordnung tatsächlich verteilt oder empfangen hat. Dabei steht nicht nur die Frage im Raum, in welcher Dimension aktives Fehlverhalten vorlag, sondern auch, wie intensiv schlichte Unaufmerksamkeit betrieben worden ist.

„Extremismus, sei es von rechts, sei es von links, hat keinen Platz bei der Polizei“

„Nach dem Disziplinarrecht haben die Behörden nun drei Monate Zeit, ihre Vorwürfe zu zementieren“, sagt Müller, der eine große Betroffenheit im Präsidium, aber auch bei sich selbst spürt: „Das alles passt nicht in mein Weltbild. Extremismus, sei es von rechts, sei es von links, hat keinen Platz bei der Polizei.“ Der GdP-Chef sieht nun allerdings auch vorbeugenden Handlungsbedarf, selbst wenn es vor dem Hintergrund der Massivität der Vorwürfe banal klingen mag: Es müsse für einen angemessenen Umgang mit neuen Medien innerhalb der Polizei sensibilisiert werden.

Polizeipräsident Frank Richter indes muss sich binnen weniger Monate zum Wiederholten Mal öffentlich zum Thema Rassismus bei der Essener und Mülheimer Polizei äußern: „Ich bin zutiefst bestürzt über das unentschuldbare Fehlverhalten und kann nur mit aller Deutlichkeit sagen, dass im Polizeipräsidium Essen kein Platz für Personen ist, die sich mit solchen rechten Inhalten identifizieren“, erklärt Richter, während in drei ganz anderen Fällen aus diesem Jahr weiterhin gegen Essener Polizisten ermittelt wird, weil der Vorwurf erhoben wurde, sie hätten aus rassistischen Motiven unnötig Gewalt angewandt.

Für Aufsehen hatte auch ein Fall in Mülheim-Styrum Ende Juli gesorgt: Ein Polizist hatte bei einem Einsatz einen augenscheinlich betrunkenen 33 Jahre alten Ruhestörer mit einem Faustschlag niedergestreckt. In einem vierminütigen Video, das Anwohner aufgenommen haben ist zu sehen, wie der 33-Jährige mit den Worten „Ich geh zu Haus“ kehrt macht und ihm ein Polizeibeamter hinterherruft: „Hey, hier bleiben! Was ist los?“ Der 33-Jährige geht auf den Polizisten zu, ruft „Was?“ und wird von ihm zu Boden geschlagen. Er hat gegen den Beamten Anzeige erstattet, die Duisburger Staatsanwaltschaft ermittelt.

Nach scharfer Kritik an Polizisten: Demonstratives Zeichen im Essener Stadtrat

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Nach scharfer Kritik an den Polizisten bei einer linksautonomen Demo in Essen-Altendorf und den wiederholten Rassismus-Vorwürfen gegen die Polizei hatte der Essener Stadtrat im Juni demonstrativ ein Zeichen gesetzt. In einer Resolution wurde anerkannt, dass „die Einsatzkräfte ihre Aufgabe zum Wohle der Menschen in Essen verantwortungsvoll ausüben“.

„Im Lichte der neuen Fakten wirkt die Resolution des Stadtrats, die bedingungslose Solidarität mit der Essener Polizei einforderte, noch stärker wie ein Hohn. Schließlich stand die Essener Polizei in den vergangenen Monaten mehrmals in der Kritik“, kommentierte Daniel Kerekeš, Kreissprecher der Linken in Essen nun das Bekanntwerden der rechtsextremen Chatgruppe.

„Das alles“, so der Essener Polizist, „wirft ein Bild auf uns alle, das kaum zu ertragen ist.“

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