Bochum. Wegen Graffiti-Sprühereien auf Zügen der Bahn und von Abellio sind zwei Männer in Bochum verurteilt worden. Sie müssen Geldstrafen zahlen.
Die Schäden sind fast überall auf Gleisanlagen weithin sichtbar: Farbsprühereien an den Wänden, Fenstern und Türen von Zügen. Die Mehrheit ist künstlerisch wertlos, nur die wenigsten sind tatsächliche Graffiti. Strafbar sind an Zügen aber alle solche Sprühereien. Deshalb wurden zwei Bochumer am Mittwoch vom Amtsgericht Bochum wegen Sachbeschädigung verurteilt.
Ein 27-jähriger Bürokaufmann muss 2800 Euro Geldstrafe zahlen (70 Tagessätze), ein 23-jähriger Student 400 Euro (40 Tagessätze).
Anklage listete 18 Fälle in verschiedenen Städten auf
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Die Strafen seien „moderat“, sagte Richterin Maren Butscher. Das kann man wohl sagen, denn die Anklage listete 18 Fälle in den Jahren 2017 und 2018 auf. Geschätzter Mindestschaden: 36.000 Euro. Die Tatorte waren mehrfach der Bahnhof Bochum-Riemke, die Hauptbahnhöfe in Essen und Duisburg, der Bahnhof Herne-Baukau-Ost, aber auch ein Bahnhof in Dorsten.
Betroffen waren meist Züge der Abellio-Bahn, aber auch solche der DB und einmal auch der Nordwest-Bahn. Der höchste Einzelschaden entstand laut Anklage am Hbf. Duisburg: 10.825 Euro. Nicht nur gesprüht wurde auf den Zügen, auch gemalt.
Erst wollten die Angeklagten zu den Vorwürfen gar nichts sagen. Dann aber räumten sie nach geheimer Unterredung nur unter den Juristen doch ein bisschen ein: des Ältere drei Fälle (in Riemke und Essen), der Jüngere nur eine Tat (Riemke).
Polizei Bochum durchsuchte die Wohnung eines Angeklagten
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Im Juni 2018 hatte die Polizei die Wohnung des 27-Jährigen durchsucht und dort ein „Kamikaze-Video“, wie es in dieser Szene heißt, gefunden. Darauf soll er bei einer blitzartigen Tat zu sehen sein, gefilmt von Komplizen. Weil in allen 18 Anklagefällen immer ein Zeichen mit drei bestimmten Buchstaben an den Zügen zurückblieb, wurden ihm alle Fälle auch persönlich zugerechnet.
Dieser Rückschluss war im Prozess aber nicht beweisbar. Der Verteidiger erklärte, dass eine ganze Gruppe diese drei Buchstaben benutzen würde: „Man läuft unabhängig voneinander los, malt irgendwo was hin, ohne dass der andere davon was weiß.“ Mangels Beweisen stellte das Gericht dann 15 der 18 Anklagefälle ein.
Kein einziges Wort der Entschuldigung und der Reue
Beide Angeklagten sind nicht vorbestraft. Laut den Verteidigern distanzieren sie sich heute von den Sachbeschädigungen, aus der Szene seien sie „komplett raus“. „Er malt nicht mal mehr legal“, sagte ein Anwalt. Eine Entschuldigung oder ein Ausdruck der Reue kam den Angeklagten aber nicht über die Lippen.
Das Urteil ist rechtskräftig. Die Täter müssen mit Schadenersatzforderungen rechnen - insgesamt bis zu knapp 4000 Euro.
Graffiti an Zügen verursachen bei Bahn-Unternehmen einen riesigen Schaden. Allein die bloße Reinigung eines einzigen Quadratmeters Fläche koste 30 Euro, sagt Abellio-Sprecherin Julia Limia y Campos auf WAZ-Anfrage. Hinzu kommen die Kosten wegen der Lackschäden.
Französischer Schnellzug Thalys im Ruhrgebiet besprüht
Die Bundespolizei hat regelmäßig mit solchen Straftaten zu tun. Am Mittwoch (29.) wurde zum Beispiel in Essen die Wohnung einer verdächtigen Frau durchsucht. Und in der Nacht zuvor wurde entdeckt, dass ein im Ruhrgebiet abgestellter Schnellzug aus Frankreich, der Thalys, auf 45 qm Fläche mit Lackfarbe beschmiert wurde.
Bahn in NRW hat jährlich einen Millionen-Schaden
Die Deutsche Bahn in NRW muss jährlich rund 100.000 Quadratmeter Graffiti von den Zügen entfernen. Das geschieht wegen der Chemikalien in speziellen Anlagen in Köln, Essen und Düsseldorf.
Fünf Millionen Euro investiert die Bahn in NRW in die Beseitigung der Graffiti-Schäden. Hinzu kommen die Ausfallzeiten der Züge, der Rangieraufwand, Ersatzteile und Neulackierungen. Jährliche Kosten: noch einmal rund drei Millionen Euro. „Das ist nicht nur ein wirtschaftlicher Verlust, sondern auch ein Ärgernis für die Fahrgäste“, ein Sprecher.
Die Täter kämen aus allen sozialen Schichten.
Besprüht werden im Ruhrgebiet vor allem Züge in Dortmund, danach folgen Essen und Bochum. Wie Bundespolizei-Sprecher Volker Stall der WAZ sagte, seien Tätergruppen mit bis zu 20 Beteiligten unterwegs. Die Videos, die sie von den Graffiti machen, würden untereinander ausgetauscht. Auch im Internet.
Die Mehrzahl der Täter bleibe unentdeckt. Erwischt würden Sprayer meist nur auf frischer Tat. Im Jahr 2019 sei die Häufigkeit dieser Art Sachbeschädigung im Ruhrgebiet (eine mittlere dreistellige Anzahl) um 21 Prozent gegenüber 2018 angestiegen. Auch im laufenden Jahr stiegen die Fallzahlen. Stall warnt, dass sich die Täter „in Lebensgefahr bringen“, auch nachts herrsche Rangierbetrieb.