Bochum. Die Coronakrise treibt viele Prostituierte in finanzielle Notlagen. Die Polizei meldet in Bochum bisher keine Verstöße gegen das Berufsverbot.

Geschlossene Bordelle bringen viele Prostituierte derzeit in finanzielle Notlagen. Während sich die einen Hilfe suchen, treffen sich andere Sexarbeiterinnen illegal weiter mit Freiern – für weniger Geld. Wer gegen das Berufsverbot verstößt, muss hohe Bußgelder zahlen. Die Polizei hat illegal weitergeführte Prostitution bisher noch nicht in Bochum festgestellt.

„Alle Probleme die es schon immer in der Prostitution gab, werden jetzt durch die Coronakrise verstärkt“, erklärt Heike Köttner, die die Bochumer Beratungsstelle Madonna e.V. leitet, „viele Frauen kennen sich nicht aus oder haben kein Vertrauen in die Hilfesysteme. Weil ihre Einnahmen wegbrechen, stehen sie ziemlich allein da.“

Manche Prostituierte arbeiten illegal weiter – unter größerem Preisdruck

Einige arbeiten trotz des temporären Berufsverbots für Prostituierte weiter, und das unter einem größeren Preisdruck. „Für mich persönlich ist das die ersten zwei bis drei Monate nicht existenzbedrohend, weil ich ganz gute Rücklagen habe – aber für andere ist das durchaus problematisch“, erklärt Johanna Weber, Vorstand des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) und selbst seit 25 Jahren als Sexarbeiterin tätig.

Die meisten Prostituierten hätten allerdings keine Rücklagen. „Viele haben schon immer nur von einem Monat zum nächsten gelebt. Die Einnahmen in der Sexarbeit sind gering, aber sie kamen gerade so zurecht. Das fällt ihnen jetzt auf die Füße“, sagt Weber.

Sie setzt sich gegen die „Drakonischen Bußgelder zur Durchsetzung des Prostitutionsverbots“ ein. „Dass die einzelne Prostituierte, die sich mit einem Kunden trifft, ebenso viel zahlen muss wie jemand, der illegal eine Prostitutionsstätte betreibt – das ist unverhältnismäßig“, so Weber, „und was macht die Frau wohl, um die 5000 Euro Strafe zusammen zu bekommen? Die muss dann den nächsten Kunden im Hotel machen, und nicht nur einen. Das führt ad absurdum!“

Ein Nothilfefonds soll Sexarbeiter in Notlagen auffangen

Die Kunden, die aktuell noch Sexarbeit in Anspruch nähmen, könnten jetzt ganz andere Forderungen an Sexarbeiterinnen stellen, weil sie um deren Notlage wissen. Mit dem Berufsverband BesD hat Johanna Weber daher einen Nothilfefonds eingerichtet, um Sexarbeitern zu helfen, die keinerlei staatliche Hilfen erhalten. „Jetzt können wir endlich die Kolleginnen unterstützen, die sonst durch alle staatlichen Töpfe durchfallen“, sagt Weber. Sie appelliert an ihre Kolleginnen, statt weiterhin Freier anzunehmen, „unbürokratisch und schnell“ das Geld aus dem Nothilfefonds über die Beratungsstellen zu beantragen.

Einige Prostituierten würden sich nun online für Stammkunden anbieten. „Ich habe ein paar Kunden, die machen jetzt mit mir Online-Sessions. Die Miete kommt da durchaus rein“, berichtet die 52-Jährige, „aber einige Kunden können das gar nicht buchen, weil sie daheim sitzen und die Kinder herumspringen.“ Außerdem wolle sie einen Zweitjob annehmen. Kolleginnen würden jetzt auch Pakete packen, im Supermarkt Regale einräumen oder beim Spargelstechen helfen.

Beratungsstelle Madonna hilft bei der Beantragung von Soforthilfen

„Ein Großteil der Frauen ist in ihre Heimatländer zurückgefahren“, sagt Heike Köttner von der Bochumer Beratungsstelle Madonna. Zunächst mussten Unterkünfte für die Prostituierten gefunden werden, die normalerweise im Bordell schlafen. Mittlerweile kämen die Sexarbeiter nur noch mit finanziellen Nöten auf sie zu.

Einigen Frauen kann Köttner bei der Beantragung von Soforthilfen unterstützen. „Problematisch ist aber, dass aufgrund des ,Düsseldorfer Verfahrens' viele Frauen keine eigene Steuernummer haben, sondern der Bordellbetreiber die Steuern abführt“, sagt Köttner. Ohne eigene Steuernummer könnten keine Soforthilfen beantragt werden. „Wir machen uns aber auch Sorgen um die Zukunft“, so Heike Köttner. Viele Sexarbeitern, die die Soforthilfen beantragt haben, wüssten nicht, wofür sie diese ausgeben dürfen oder was passiert, wenn sie mehr ausgeben als sie im Falle einer Prüfung nachweisen können.

„Für viele Frauen wäre das Arbeitslosengeld der richtige Weg, aber das ist sehr negativ behaftet“, sagt Köttner, „ohne den Hilfefonds vom BesD wären ganz viele Frauen aufgeschmissen.“ Sie geht davon aus, dass sich die Situation in den Bordellen auch nach der Krise verschlechtern wird. Einige Bordelle würden aufgrund fehlender Einnahmen schließen – und weniger Arbeitsplätze würden den Druck unter Sexarbeitern weiter erhöhen.

Weitere Entwicklungen zur Coronakrise in Bochum gibt es im Newsblog.