Bochum. Im WAZ-Interview verrät Bochums Intendant Johans Simons, was er nach Corona vorhat. Und was er zurzeit am meisten vermisst.
Das Schauspielhaus Bochum bleibt bis auf Weiteres geschlossen, Vorstellungen fallen aus, Proben finden nicht statt. Intendant Johan Simons (73) weilt in den Niederlanden, und hofft, dass der künstlerische Betrieb bald weitergehen kann. Im WAZ-Interview verrät der Theatermacher, was er nach Corona vorhat. Und was er am meisten vermisst.
Wie geht es Ihnen persönlich in Zeiten von Corona? Sind Sie gesund?
Johan Simons: Ich bin gesund, ja. Ich verbringe die Tage zu Hause in Gelderland mit meiner Frau. Keine Reisen, keine Feste, kaum Kontakte. Ich lese viel und mache mir Gedanken, wie es künstlerisch weitergeht, wenn die Krise vorbei ist.
Ansammlungsverbote, Shutdown, Atemmasken: Ist die Lage in den Niederlanden mit der in Deutschland vergleichbar?
Ich denke, das ist ähnlich. Auch hier in den Niederlanden ist alles leer, Gaststätten und Theater sind zu, das Leben ist runtergefahren. Ich frage mich, wie lange das noch dauern wird? Keine Ahnung! Ich hoffe, dass schnell ein Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt wird. Bis dahin müssen wir als „Zwei-Meter-Abstand-Gesellschaft“ klar kommen.
Welche Auswirkungen hat Corona auf Ihre künstlerische Arbeit am Schauspielhaus? Sicher wirft der Shutdown allerhand durcheinander?
Natürlich, wir erleben gerade eine ganz schwierige Zeit. Das Schauspielhaus hatte doch einen tollen Lauf: „Hamlet“ und „Iwanow“ waren immer ausverkauft, für die Premiere von „Herbert“ gab es nach zehn Minuten keine Karten mehr, das Berliner Theatertreffen stand bevor… Viele Pläne warteten auf Realisierung. Auch wenn ich die Maßnahmen für richtig halte, ist es wirklich sehr traurig.
Wie halten Sie Fühlung nach Bochum?
Es gibt viele Telefonate und regelmäßige Internet-Videokonferenzen mit der Dramaturgie sowie meiner Stellvertreterin Susanne Winnacker und dem kaufmännischen Geschäftsführer Matthias Nowicki. Auch zu manchen Schauspielern halte ich „auf Abstand“ Kontakt. Aber natürlich kann das alles den persönlichen Austausch nicht ersetzen. Genau wie ja auch die vielen Künstlervideos, die jetzt im Internet veröffentlicht werden, das Theater nicht ersetzen können, weil das Persönliche und die Nähe fehlen, das gemeinsame Atmen in einem Raum.
Wie werden Sie, wie wird das Schauspielhaus auf das Thema „Corona“ reagieren – wenn wieder gespielt werden kann.
Das wird von ganz allein Thema werden, das braucht man sich nicht vorzunehmen. Wir erleben eine Situation, die es noch nie gegeben hat, und natürlich muss ein Theater damit umgehen, nach Antworten suchen, das Thema bearbeiten. Man kann an Camus‘ „Die Pest“ denken, aber auch an Stücke von Canetti oder an „König Ödipus“, ein antikes Drama, in dem das Wüten einer Seuche von Bedeutung ist. Ich denke viel darüber nach, aber bevor es zur Umsetzung kommt, müsste das Theater ja erst einmal wieder geöffnet sein…
Wann wird das sein?
Die Stadt Bochum wird eine vernünftige Entscheidung treffen. Abstandsregeln in einem Theatersaal umzusetzen, ist schwierig. Und auch die Kontakte des Publikums im Foyer muss man bedenken. Das sind alles noch ungeklärte Fragen und Probleme, denen sich das Schauspielhaus stellen muss.
Sie gehen nicht von der sofortigen Wiederaufnahme des Spielbetriebs, z.B. im Mai, aus?
Selbst wenn es dafür von den Behörden Grünes Licht gäbe, wäre das sehr schwierig. Auch der Theaterbetrieb hinter den Kulissen muss ja, wie alles andere auch, erst wieder hochgefahren werden. Momentan können wir nicht proben. Es sind sehr viele Fragen offen.
Wie kann das Theater mit dem Publikum, das sein Schauspielhaus vermisst, in Kontakt bleiben?
Wir probieren da verschiedene Wege aus. Die Internet-Reihe „Schauspielhaus #HOMESTORIES“ wurde von unserem Ensemble entwickelt und hat eine tolle Resonanz hervorgerufen. Die Überlegungen gehen aber weiter: Wären Live-Aufführungen außerhalb des Theaters „auf Abstand“ zum Publikum denkbar? Es müssten Stücke sein mit nur einem oder zwei Schauspielern wie die Harold Pinter-Inszenierung „Asche zu Asche“ mit Elsie de Brauw und Guy Clemens. Mal sehen… Erst mal freue ich mich aber, dass 3sat am 2. Mai unseren „Hamlet“ ausstrahlt. Vielleicht ein kleiner Trost für das Publikum, das die Inszenierung bei uns im Schauspielhaus oder beim Berliner Theatertreffen sehen wollte.
Bochums Theaterfreunde vermissen nicht nur die Schauspieler, sondern auch Johan Simons. Ist ein Grußwort/Lebenszeichen des Intendanten an die Theateröffentlichkeit geplant?
Auch darüber denke ich nach. Ich bin niemand, der sich in den Mittelpunkt stellen muss, ich möchte meine künstlerischen Arbeiten für sich sprechen lassen. Aber, ja, eine Videobotschaft ist in diesen Zeiten eine gute Idee.
>>> Info: Gutscheine spenden
Das Schauspielhaus bleibt wegen Corona geschlossen, die Abonnenten erhielten Gutscheine für ihre ausgefallenen Vorstellungen. Auch Nantke und Norbert Roth, treuen Schauspielhaus-Besuchern aus Witten, ging das so.
Allerdings wird das Ehepaar die Coupons nicht einlösen, sondern hat sie ans Theater zurückgegeben.
Die Roths fordern dazu auf, es ihnen gleich zu tun: „Es ist eine kleine Geste des Dankes an alle im Schauspielhaus Tätigen für viele wichtige Erlebnisse und Eindrücke, die uns dieses Haus ermöglicht hat.“