Bochum/Herne. . Der Sohn der Opfer und sein Lebenspartner mussten den Tatort selbst reinigen. Der Tatverdächtige verkehrte regelmäßig in ihrer Wohnung.
- Der Tatverdächtige (34) im Mordfall Rottstraße verkehrte nachher in der Wohnung der Hinterbliebenen
- Der Sohn der Tatopfer und sein Lebensgefährte (je 49) fühlen sich von der Polizei nicht gut behandelt
- „Wir sind an der Grenze der Belastbarkeit“, sagen sie. Nun beginnen sie eine Therapie
Der mutmaßliche Mörder (34), der den tödlichen Raubüberfall auf ein Ehepaar (78, 79) an der Rottstraße auf dem Gewissen haben soll, hat nachher mehrfach in der Wohnung des hinterbliebenen Sohnes und seines Lebenspartners (je 49) verkehrt. Er habe dort Anteilnahme bekundet, gegessen und gekocht und im Garten mitgeholfen. Das berichten die beiden Hinterbliebenen in einem WAZ-Gespräch.
Der vorbestrafte Mordverdächtige (U-Haft), der durch eine DNA-Spur belastet wird, ist ein Bekannter der beiden Männer. Dass er bei dem Überfall im Februar dabei gewesen sein soll, hat die beiden völlig überrascht. „Wir waren schockiert und wollten es tagelang nicht glauben. Man schämt sich, so einen Menschen gekannt zu haben.“
Hinterbliebene fühlten sich verdächtigt
Die beiden Männer leben in Herne. Unter dem Verbrechen leiden sie bis heute enorm. „Wir sind an der Grenze unserer Belastbarkeit.“ Neben der Trauer sind sie enttäuscht von der Polizei. Sie habe ihnen bis vor kurzem das Gefühl gegeben, sie zum Kreis der Tatverdächtigen zu zählen.
Außerdem: Als wenige Stunden nach der Entdeckung des Mordes Polizeibeamte an der Wohnung der Männer anklingelten und die Todesnachricht überbrachten, hatten sie keinen Notfallseelsorger dabei und auch nicht auf einen solchen hingewiesen, beklagen die Männer.
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Hilfe hätten sie nur von der Opferschutzorganisation Weißer Ring erhalten. „Er hat uns beigestanden und gezeigt, was uns zusteht. Er hat sämtliche Anträge gestellt.“ So wurden die Beerdigungen vom Amt für soziales Entschädigungsrecht beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe übernommen.
Polizei: Notfall-Seelsorge wurde „versäumt“
Einige hundert Euro steuerte der Weiße Ring selbst bei, davon bezahlten die Männer die Desinfizierung der blutverschmierten Tatwohnung. Den Hauptteil der Tatortreinigung haben sie selbst erledigt. „Darum mussten wir uns selber kümmern.“ Das hätten sie von der Polizei erwartet, zumal die Arbeit psychisch sehr belastend gewesen sei.
Die Polizei rechtfertigt sich: Den Tatort zu säubern, sei grundsätzlich Sache des Eigentümers. Was aber die Seelsorge betrifft, habe man dies tatsächlich am ersten Tag „versäumt“; man sei wohl zu sehr mit der Klärung des Sachverhaltes und der Tätersuche befasst gewesen. Später habe man den Männern sehr wohl Hilfe angeboten.
Krankenkasse zahlt Therapie erst nach WAZ-Anfrage
Zusätzlich haben die beiden 49-Jährigen – der eine Frührentner, der andere arbeitslos – Druck vom Jobcenter. Sie sollen erklären, woher Zahlungseingänge auf ihrem Konto kommen, um zu prüfen, ob das Arbeitslosengeld II gekürzt werden muss. Es geht um das LWL-Geld für die Beerdigungen, das Geld vom Weißen Ring und eine „Todesfallentschädigung“ (ca. 1000 Euro) aus anderer Quelle.
Schließlich waren die beiden bis gestern von ihrer Krankenkasse (AOK) enttäuscht. Sie weigerte sich erst, eine Therapie wegen posttraumatischer Belastungsstörung zu bezahlen. Grund: Die Männer hatten sich eine Privatpraxis ausgesucht, weil andere keine Termine frei hatten. Nach einer WAZ-Nachfrage bei der AOK wurde aber doch ein Therapieplatz gefunden. Erster Termin war schon gestern.