Bochum. Zwei Tage nach dem gewaltsamen Tod einer 79-Jährigen sind die Ermittlungen in vollem Gange. Das Entsetzen bei Nachbarn und Freunden ist groß.

  • Zwei Tage nach der Bluttat an der Rottstraße sind die Hintergründe weiterhin rätselhaft
  • Eine 79-Jährige war in ihrer Wohnung getötet, ihr Ehemann (78) schwer verletzt worden
  • Bei den Nachbarn und im Chor der Seniorin sind die Trauer und das Entsetzen riesengroß

Zwei Tage nachdem die 79-jährige Marlies B. tot in ihrer Wohnung an der Rottstraße 11 in der Innenstadt aufgefunden wurde, gibt es weiterhin keinen Anhaltspunkt für die Hintergründe der Bluttat . Ihr schwerverletzter Ehemann (78) liegt im Krankenhaus, wo er von der Polizei bewacht wird. „Sein Zustand ist stabil, aber er ist nicht vernehmungsfähig“, sagte am Montag Polizeisprecher Volker Schütte. Die Ermittler sprechen von „einem sehr schweren Kapitalverbrechen“, bei dem beide Senioren „massiver, fremder, äußerlicher“ Gewalt ausgesetzt waren.

Ehepaar lag 18 Stunden in der Wohnung

Ein Raubmord ist nicht ausgeschlossen. Allerdings gibt es bislang weder Hinweise darauf, dass etwas entwendet wurde, noch Einbruchspuren. „Wir gehen davon aus, dass der oder die Täter durch die Wohnungstür gekommen sind und vermutlich Frau B. die Tür geöffnet hat“, so Volker Schütte. Das sei vermutlich bereits gegen 8 Uhr am Freitagmorgen der Fall gewesen. Der schwerverletzte Ehemann hatte erst in der Nacht zum Samstag durch Hilferufe auf sich aufmerksam machen können. Erste Ermittlungen hätten ergeben, dass das Ehepaar nach der Tat etwa 18 Stunden in der Wohnung lag.

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Einen Verdächtigen gibt es bislang noch nicht. Schütte: „Wir setzten jetzt vor allem auf die Öffentlichkeit und fragen, wer am Freitagmorgen am oder rund um das Haus auffällige Personen, Fahrzeuge oder Umstände bemerkt hat. Jede Kleinigkeit könnte wichtig sein.“

Fassungslosigkeit in der Nachbarschaft

„Die Wohnung im Erdgeschoss liegt Mauer an Mauer neben meinem Geschäft. Aber ich habe am Freitagmorgen nichts gehört. Allerdings mache ich auch erst um 10 Uhr auf.“ Sandra Thiele betreibt seit 25 Jahren eine Änderungsschneiderei an der Rottstraße 9 – unmittelbar neben dem Wohnhaus Rottstraße 11, in dem Marlies B. so grausam getötet und ihr Ehemann schwer verletzt wurde. „Ich stehe noch immer unter Schock. Unfassbar, dass so etwas Schlimmes hier passiert. Das sind doch ganz einfache, normale Leute ohne irgendwelche Reichtümer“, sagt die 53-jährige Schneiderin im WAZ-Gespräch.

Regelmäßig habe Marlies B. bei ihr Mangelwäsche abgegeben und Kleider ändern lassen. Sandra Thieles Beschreibung deckt sich mit den Aussagen weiterer Nachbarn: „Sie war eine sehr liebenswerte Frau, höflich, hilfsbereit. Sie hat ihre Chor-Freundinnen gern zuhause mit Kaffee und Kuchen bewirtet. Zugleich war sie aber auch robust und forsch. Sie konnte sich durchsetzen und ließ sich nichts gefallen. Vielleicht ist ihr ja genau das zum Verhängnis geworden.“

Trauer und Angst im Andza-Chor

Niemals, glaubt Sandra Thiele, hätte Marlies B. fremde Personen freiwillig in ihre Wohnung gelassen. Umso rätselhafter sei es, dass keine Einbruchspuren entdeckt wurden: weder an der Wohnungstür noch an der Terrassentür zum Hinterhof hinaus, wo am Montag noch Wäsche hing. Aber: Kann ein Bekannter des Ehepaares eine derartige Bluttat verübt haben? „Man will es nicht glauben“, sagt die Schneiderin. Und eine Nachbarin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, ergänzt: „Marlies war immer so auf Sicherheit bedacht. Dass ausgerechnet ihr so etwas passiert, macht uns hier allen große Angst.“


Wolfgang Zantow, Leiter des Andza-Chores, ist mit den Mitgliedern tief bestürzt über den gewaltsamen Tod von Marlies B. 40 Jahre war sie Mitglied.
Wolfgang Zantow, Leiter des Andza-Chores, ist mit den Mitgliedern tief bestürzt über den gewaltsamen Tod von Marlies B. 40 Jahre war sie Mitglied. © Claudia Schütte

Angst mischt sich auch in die tiefe Trauer der Mitglieder des Andza-Chores . Drei Jahre nach der Gründung durch Ursula Andza 1974 war Marlies B. dem Chor beigetreten. 40 Jahre war sie als Sängerin aktiv. Sie sei immer mit vollem Herzen dabei gewesen, habe kaum eine Probe donnerstags in der Lenneschule verpasst, habe an allen Ausflügen teilgenommen, berichtete Chorleiter Wolfgang Zantow (59) am Montag im WAZ-Gespräch. Geschockt ist er, seitdem ihn am Wochenende der Sohn von Marlies B. über den gewaltsamen Tod seiner Mutter telefonisch informierte. „Unsere Mitglieder sind alle hochbetagt, viele über 80. Für uns ist das Gewaltverbrechen unvorstellbar. Die Furcht ist gerade bei den Älteren riesengroß. Alle haben Angst“, sagt Wolfgang Zantow, der auf der Internetseite des Andza-Chores einen Nachruf auf Marlies B. veröffentlicht hat. Er selbst sehe seine wichtigste Aufgabe nun darin, „die Chormitglieder zu stärken und sie aus der Öffentlichkeit herauszuhalten“.

Vor der Haustür an der Rottstraße wurden am Montag Blumen niedergelegt. Eine Kerze wurde entzündet.