Bochum. An das Schicksal von jüdischen Familien, die auf dem Kreuzfahrtschiff St. Louis nach Kuba emigrieren wollten, erinnerten Schülerinnen und Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule. Anlässlich der diesjährigen Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht stellten sie das Leben der Hilde Pander vor.
Viele Schulen haben Schilder am Schulgebäude. Als „Schulen ohne Rassismus“ weisen sie sich so aus. An etlichen Bildungsanstalten wird auch durch die Schülerinnen und Schüler die „Charta der Vielfalt“ unterschrieben. Auch an der Willy-Brandt-Gesamtschule ist das so. Dass das aber deutlich mehr als Absichtserklärungen sind, dass an der Schule immer wieder versucht wird, die Vielfalt zu leben und Rassismus keine Chance zu geben, macht eine besondere Aktion der Klasse 10c der Schule deutlich.
Dunkel angezogen, in Gestik und Mimik zurückhaltend, um die besondere Thematik deutlich zu machen, so präsentierte sie bei der zentralen Gedenkveranstaltung zum 76. Jahrestag der Reichspogromnacht am Sonntag auf dem Dr.-Ruer-Platz szenisch die Ereignisse rund um die Fahrt der St. Lous im Jahr 1939 am Schicksal der Jüdin Hilde Pander. 937 jüdische Emigranten waren auf der Flucht aus Nazi-Deutschland, wollten auf Kuba eine neue Heimat finden. Die kubanische Regierung verweigerte die Einreise, viele der Passagiere wurden in Konzentrationslagern ermordet. Hilde Pander und ihre Mutter wurden befreit und wanderten nach Amerika aus.
„Interview“ mit Hilde Pander
Die Schüler fragten zunächst das Publikum nach Hilde Pander, ihrem Leben, nach den besonderen Geschehnissen um die St- Louis. Danach gab es ein „Interview“ mit Hilde Pander über die Zeit auf dem Schiff und die danach und unter anderem die Frage, ob sie jemals wieder nach Deutschland zurückkehren wolle. „Solche Themen haben mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft zu tun“, sagt Claudia Högemann (54), die Leiterin der Willy-Brandt-Gesamtschule. „Sich damit zu beschäftigen ist eine gute und wichtige Erziehungssache.“
Katja Kuschinski (15), Mahsun Temin (16) und Cedric Drake (16) können das bestätigen. Sie und weitere 25 Schülerinnen und Schüler bereiteten zusammen mit Religionslehrerin Annelie Hoffmann sowie den beiden Lehramtsanwärterinnen Carolin Ostrowski und Christina Menge das „Projekt“ vor. Seit den Sommerferien stand es auf dem Stundenplan. Ein schwerer Stoff, wie Mahsun Temin sagt: „Sich das vorzustellen, die Angst, die Gefahr, die Lebensgefahr, das war und ist schwierig. Aber wir haben festgestellt, dass es immer intensiver wurde, wir immer mehr Verständnis für diese besondere Problematik aufgebracht haben. Anfangs waren es nur Texte, die wir abgelesen haben. Später wussten wir, dass wir langsamer lesen mussten, um es eindringlicher, verständlicher zu machen. Durch die längere Beschäftigung damit, ist das Thema für uns deutlich fassbarer geworden.“
Nicht vergessen, nicht verdrängen
Rund 200 Menschen gedachten am Sonntagnachmittag in der Innenstadt an die Reichspogromnacht vor 76 Jahren. In seiner kurzen Ansprache erteilte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Grigory Rabinovich jedem Versuch eine Absage, zu vergessen oder zu verdrängen was damals geschah: „Wir sind es den Opfern schuldig, dass wir sie immer wieder beim Namen nennen.“
Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass es immer noch Menschen gebe, die heute rassistische oder antisemitische Gedanken verbreiten. Gleichzeitig stellte sie den Widerstand der Menschen in Bochum, wie zuletzt gegen einer Demo von Neonazis gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, als mutiges Engagement heraus.
Erinnerung an das Flüchtlingsschiff St. Louis
Traditionell wurden Kränze niedergelegt, die an die Opfer der Shoa aus Bochum erinnerten. Zum Programm des Nachmittags gehörte außerdem das hebräische Totengebet, der Kaddisch, von Rabbiner Boruch Babaev und musikalische Beiträge des IG Metall Chores Chorrosion. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand aber die Erinnerung an das Flüchtlingsschiff St. Louis und das Schicksal der Bochumerin Hilde Pander durch Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule. Hilde Pander lebt noch heute hochbetagt in den Vereinigten Staaten (siehe Bericht oben).
Am kommenden Sonntag, 16. November, 14 bis 16.15 Uhr, (Treffpunkt Rathausglocke) gibt es einen Stadtrundgang mit Wolfgang Dominik. Dabei wird an das „Jüdische Leben in Bochum am Beispiel von Ottilie Schönewald“ erinnert. Kosten 5 Euro, ermäßigt 3 Euro.