Bochum. . Der Gaza-Krieg hat das Sommerfest der Jüdischen Gemeinde Bochum, Herne und Hattingen überschattet. Viele Gemeindemitglieder fühlen sich nicht mehr sicher. Die Solidarität der Parteien und Kirchen in Deutschland wird von ihnen vermisst.
Heiter ging es am Sonntag auf dem Erich-Mendel-Platz zu. Zum sechsten Mal hatte die Jüdische Gemeinde ein Sommerfest mit Musik und Tanz organisiert. Hinter den Kulissen herrscht Nervosität, mitunter Angst. Die anti-israelischen, zum Teil antisemitischen Parolen bei Kundgebungen gegen den Gaza-Krieg „haben uns zutiefst beunruhigt“, sagt der 1. Vorsitzende Grigory Rabinovich.
So habe es in den letzten Wochen Überlegungen gegeben, das Sommerfest aus Sicherheitsgründen abzusagen. Letztlich habe man sich für die Feier entschieden – wenn auch mit weithin sichtbarem Polizeischutz. „Wir lassen uns nicht unterkriegen!“, bekräftigt Geschäftsführer Alexander Schrader.
Furcht in der Jüdischen Gemeinde wächst
Vor allem die jüngsten Anschläge auf Synagogen u.a. in Belgien und Wuppertal lassen die Furcht in der Jüdischen Gemeinde wachsen. „Wir erhalten Mails mit übelstem Nazi-Geschmier. Wir werden als ,Kindermörder’ beschimpft. Es gibt kaum noch Gemeindemitglieder, die sich mit Kippa (jüdische Kopfbedeckung, die Red.) oder dem Davidstern als Kettenanhänger auf die Straße wagen. Die Polizei fährt an der Synagoge verstärkt Streife. Ein Armutszeugnis für den deutschen Staat“, schildert Rabinovich.
1100 Mitglieder in Bochum, Herne und Hattingen
Der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen gehören rund 1100 Mitglieder an.
Sie ist damit die zweitgrößte Jüdische Gemeinde in Westfalen.
Die Arbeit umfasst religiöse Veranstaltungen, Feiern und Religionsunterricht. Zudem gibt es vielfältige Weiterbildungsangebote, Sport und Kultur und eine rege Kinder- und Jugendarbeit.
Nein, zu Zwischenfällen sei es in Bochum, Herne und Hattingen bisher nicht gekommen. „Aber die Angst ist jederzeit da“, weiß der Vorsitzende: nicht nur vor Islamisten, wie sie insbesondere in Bochum aktiv sind, sondern auch vor „scheinbar ganz normalen Bürgern, die mit dem Gaza-Konflikt ein Ventil für ihren Antisemitismus finden“, so Alexander Schrader.
„Recht auf Verteidigung“
Wie jeder Beobachter trauere die Jüdische Gemeinde um die zivilen Opfer, um die getöteten Kinder und Frauen, die die israelische Offensive bei den Palästinensern fordert. Das Vorgehen der Regierung Netanjahu sei bei den Mitgliedern durchaus umstritten. Zweifellos aber habe Israel „das Recht, sich gegen Angriffe auf seine Zivilbevölkerung zu verteidigen und gegen die Infrastruktur des Hamas-Terrors vorzugehen“, sagt Rabinovich.
Die Jüdische Gemeinde rückt in diesen Wochen stets neuer, schrecklicher Nachrichten zusammen. Rückhalt und Solidarität, die der Vorsitzende in Bochum weitgehend vermisst: „Als einzige Partei hat uns die CDU kürzlich einen freundschaftlichen Besuch abgestattet. Von den christlichen Kirchen kommt nichts.“ Mut machte das Sommerfest, das gestern hunderte Besucher anlockte -- auch viele nichtjüdischen Glaubens.