Bochum.. Die Aktionen gegen einen Jura-Studenten der Bochumer Ruhr-Universität, der hoher Kader der Dortmunder Neonazi-Szene ist, haben bei der Ruhr-Uni einen Denkanstoß bewirkt. Die Uni will den Protest aufnehmen und eine Kampagne gegen Rechts starten. Doch auch eine Strafanzeige ist geplant.
Nach den Tumulten in einem Hörsaal der Bochumer Ruhr-Universität machen Antifa-Aktivisten mit ihrer Kampagne gegen einen polizeibekannten Neonazi, der an der Ruhr-Uni (RUB) Jura studiert, weiter. In einer Mail, die jetzt laut RUB "eine größere Anzahl Studierender" erhalten hat, erklären die Aktivisten, "es ist nicht hinnehmbar, dass ein aktiver Neonazi an der RUB für das Vorantreiben der Ideologie des Nationalsozialismus ausgebildet wird." Unterzeichnet ist die Mail mit "Antifaschistischer Infodienst der RUB". Ihr Ziel ist das Outing des Dortmunder Neonazis Michael Brück.
Wieso die Mail über den offiziellen Uni-Mailaccount ihre Adressaten erreichen konnte, werde nun im Rechenzentrum geprüft, teilt RUB-Sprecher Jens Wylkop am Montag auf Anfrage mit. Nach derzeitigem Stand sei "sicher, dass das zentrale Identiy-Management-System der Uni nicht gehackt wurde". Dennoch kündigte die Hochschule an: "Wir werden Anzeige gegen Unbekannt erstatten".
LokalesAntifa bewirkt Denkanstoß - Ruhr-Uni plant Kampagne gegen Rechts
Die Antifa-Aktionen haben allerdings auch einen Denkanstoß in der RUB-Leitung bewirkt, erklärte Wylkop. "Das Rektorat und der Asta der RUB werden zum nächsten Sommersemester eine gemeinsame Kampagne ins Leben rufen, um die Studierenden für das Thema Rechtsradikalismus zu sensibilisieren". Genauere Informationen dazu will die Uni am Dienstag geben.
Eine auch vom Wortlaut her fast gleiche Kampagne hatte die Antifa im März vergangenen Jahres in Dortmund gestartet. Ziel war damals die Schule, an der Brück sein Abitur machte. Die dortige Schulleitung ist auf Brück gar nicht gut zu sprechen, obwohl sich der damals 21-Jährige "im Unterricht hyperkorrekt verhalten hatte" und in der Schule nichts von seiner Gesinnung zu spüren gewesen sei. Als die Identität Brücks, damals hoher Kader der im August 2012 durch NRW-Innenminister Ralf Jäger verbotenen Neonazi-Gruppe "Nationaler Widerstand Dortmund", der Schulleitung klar geworden sei, habe man überlegt, ihn der Schule zu verweisen. Rechtlich sei dies aber nicht möglich gewesen.
"Kein Platz für rechtes Gedankengut an der Ruhr-Uni"
Ähnliche Schritte will man an der Ruhr-Universität in Bochum gar nicht erst überlegen: "Wir halten uns an gültige Gesetze. Solange ein ordentlich eingeschriebener Studierender nicht strafrechtlich verfolgt wird, hat er grundsätzlich das Recht, an der Universität zu studieren", sagt RUB-Sprecher Jens Wylkop. Die RUB betont, "wir stehen generell auf dem Standpunk, dass rechtes Gedankengut keinen Platz auf dem Campus hat und unterstützen den Dialog unter den Studierenden." Die Uni setze dabei "auf Vernunft der Studierenden, dass die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Positionen in einer sachlichen Diskussion abläuft."
Losgebrochen war die Debatte am Montag vor einer Woche: Eine Gruppe mehrerer Personen in Weihnachtsmann-Kostüm und mit Scream-Maske verkleidete hatte am 2. Dezember eine Vorlesung des Bochumer Jura-Professors Prof. Georg Borges gestürmt. In der Folge kam es zu einem Tumult, bei dem Borges verletzt wurde. Ein später veröffentlichtes Video zeigte, dass Borges selbst gegen Aktivisten handgreiflich geworden war, was er in Presseberichten auch eingeräumt hatte.
Antifa-"Kommando gegen Lügen" sabotiert Uni-Beamer
Als Reaktion darauf sah sich jetzt eine weitere Gruppe, die sich "Diskordianisches Kommando gegen Lügen, Zensur und Nazitrottel" nennt, genötigt die Vorgänge der Bochumer Studierendenschaft nochmal vor Augen zu führen. Man habe dazu am vergangenen Freitagmorgen "die Datentechnik der RUB ein klein wenig sabotiert", teilte die Gruppe jetzt im Internet mit. "Umittelbar vor Vorlesungsbeginn" am Freitagmorgen, "spielten die Beamer aller großen Hörsäle der RUB das Video des “Prügel-Profs” Borges ab. Im Anschluss wurde ein Bild des Neonazi-Kaders und Jura-Studenten Michael Brück an die Wand projiziert."
Inwieweit Borges den Tumult durch eigenes Handeln provozierte ist für die RUB-Leitung unterdessen "zweitrangig" und eine "untergeordnete" Frage, sagt Uni-Sprecher Wylkop: "Wichtiger ist, dass sich rechtes Gedankengut nicht ausbreitet und dass Gewalt - von rechts wie von links - nicht eskaliert, um die Sicherheit aller auf dem Campus und in den Veranstaltungen zu gewährleisten".
Auch an Uni Bielefeld war Antifa gegen Neonazi-Studenten aktiv
Mit einer ähnlichen Aktion gegen eine Studenten aus der Neonazi-Szene haben Antifa-Aktivisten im vergangenen Jahr auch an der Universität Bielefeld von sich Reden gemacht - und die Hochschul-Leitung zu eigenen Aktionen gegen Rechts bewegt. In Bielefeld ging es ebenfalls um einen Studenten der juristischen Fakultät. Dort ist Sascha Krolzig eingeschrieben, ehemals Anführer der inzwischen durch den NRW-Innenminister verbotenen rechten "Kameradschaft Hamm" und Weggefährte von Michael Brück.
Als erste Reaktion hatte die Universität prüfen lassen, ob Krolzig wegen seiner antisemitischen und rassistischen Gesinnung exmatrikuliert werden könnte. Die juristische Prüfung habe ergeben, "dass es für die Uni keine Handhabe gibt", sagt Uni-Sprecher Ingo Lohuis. Zusammen mit dem Uni-eigenen Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung habe man deshalb ein Programm ausgearbeitet, um mit solchen Konfliktfällen künftig besser klar zu kommen.
Uni Bielefeld hat Kampagne "Uni gegen Nazis" gestartet
Ergebnis daraus ist unter anderem eine Kampagne gegen Rechts mit dem Titel "Uni ohne Vorurteile, Menschenfeindlichkeit und Nazis". Dazu wurden in diesem Wintersemester unter anderem an alle Erstsemester Infoblätter und Buttons verteilt mit dem Aufdruck "Uni ohne Nazis". Zudem startet an diesem Donnerstag eine Ringvorlesungs-Reihe zum Thema Rechtsextremismus. Außerdem wurden Fortbildungen für Uni-Dozenten ausgearbeitet. Das Ziel: "Argumentationshilfen für den Umgang mit Rechtsextremen vermitteln", sagt Uni-Sprecher Lohuis.
Ähnliche Aktionen würde sich Michael Sturm, Berater bei den mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus in NRW auch von der Ruhr-Uni Bochum wünschen: "Die Uni täte gut daran, sich klar zu positionieren". Mit Blick auf die vielen ausländischen Studierenden an den Hochschulen sei es wichtig, dass sich Hochschulen "ihrer Vorbildfunktion bewusst werden", etwa mit einem dezidierten Leitbild gegen Antisemitismus, Rassismus und autoritäre Ideologien. Wie die Uni Bielefeld mit dem Thema umgehe, ist aus Sturms Sicht "vorbildlich".
Auch wenn die Aktionen der Antifa-Gruppen die Ruhruni-Leitung bewegt haben, das Thema aufzugreifen, warnt Sturm davor, dass solche Outing-Kampagenen "auch kontraproduktiv" wirken können. "Die Aktion dürfte viele Studierende auch überrollt haben und womöglich abschrecken, sich mit dem Thema zu beschäftigen". Die Gefahr sei groß, dass die breite Masse das Auftreten der Antifa als Auseinandersetzung zwischen zwei politisch extremen Gruppen wahrnehme. Umso besser, wenn die Ruhr-Universität Bochum das Thema aufgreift, meint Sturm: "Damit kann man es wegbringen von der physischen Auseinandersetzung", wie es sie in dem Uni-Hörsaal am Montag vergangener Woche gab, hin zu einem Dialog, der sich mit dem tatsächlichen Thema befasst: "Aufklärung über Strukturen, Akteure und die Gefahr von Rechtsextremismus".