Bochum. Beim VfL Bochum rumpelt es gewaltig, die neue Struktur droht schon zu kippen. Boss Kaenzig erklärt das Lettau-Aus, sucht Trainer und Sportdirektor - das ist der Stand.
Die Spieler des VfL Bochum beendeten ihre erste Einheit am Donnerstag im Kraftraum ganz ruhig. Sie folgten den Übungen einer Yoga-Trainerin, die seit einigen Wochen – bisher immer sonntags – mit den Profis des VfL unter anderem Atemübungen einstudiert.
Von Entspannung kann beim VfL Bochum ansonsten ja gar keine Rede sein. Im Gegenteil: So viel Unruhe und interne Machtspiele gab es schon lange nicht mehr beim Bundesligisten.
Hans-Peter Villis lässt sein Amt als Präsident ruhen
Vor dem Spiel gegen den FC Bayern am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) steht der VfL mit nur einem Punkt auf dem letzten Platz. Der Klub trennte sich am Sonntag von Trainer Peter Zeidler und Sportdirektor Marc Lettau. Seit Mittwochabend lässt Hans-Peter Villis, seit 2012 der erste Mann im Klub, seine Ämter als Präsident/Vorsitzender des Aufsichtsrates ruhen - laut Klub aus gesundheitlichen Gründen. Nach unseren Informationen allerdings führten auch erhebliche Differenzen im Präsidium zu seiner Auszeit.
Ilja Kaenzig, seit diesem Sommer alleiniger Geschäftsführer des VfL Bochum, muss mit dem verbliebenen Präsidium um Uwe Tigges und Martin Volpers den VfL federführend aus der Krise führen. In einer Medienrunde am Donnerstag erklärte der krisenerprobte 51-Jährige die jüngsten Entscheidungen und wie es weitergehen soll. Vieles allerdings bleibt offen.
VfL Bochum: Kaenzig erklärt die Übergangslösung
„Tempo, Tempo, Tempo“, sagte Kaenzig, auch darauf komme es an. Bei der Trainersuche ebenso wie bei der nach einem Direktor. Mit Markus Feldhoff und Murat Ural habe man zwei Interimstrainer ausgewählt, die das Team kennen, erklärte er. „Wir wollten kein Experiment machen, kein Projekt und ein eigenes Talent nicht verbrennen“, so Kaenzig.
Denn David Siebers (37), erfolgreicher U19-Trainer, stand ebenfalls zur Diskussion – dann allerdings als längerfristige Lösung. Keine Experimente, dabei soll es bleiben in dieser Saison. Nur: Wer will überhaupt den VfL übernehmen?
Gesprochen, so Kaenzig, habe man bisher aber mit noch keinem Trainer, mittlerweile gebe es allerdings eine „Short-List“ mit ein paar Top-Kandidaten. Der Markt sei ziemlich leer für einen Klub wie den VfL Bochum, seinen vergleichsweise bescheidenen finanziellen Möglichkeiten, seiner aktuellen Lage, erklärte der Schweizer.
Bei Trainer Zeidler war sich das Präsidium nicht einig
Er selbst führt dann die ersten Trainergespräche, was bisher Lettaus Job war. Auch Jupp Tenhagen, der Ex-Profi und Fußball-Fachmann aus dem Präsidium, sei da involviert, könne (mit) übernehmen. Die Entscheidung jedenfalls solle, das betonte Kaenzig immer wieder, am Ende „einstimmig“ ausfallen. Anders als bei Peter Zeidler, als sich im Präsidium, das bei diesen Personalien ebenfalls mitbestimmt wie die sportliche Leitung und Geschäftsführung, nicht alle einig waren. So favorisierte Hans-Peter Villis nach unseren Informationen Andre Breitenreiter, plädierte im Verlauf der Saison auch für eine frühere Trennung von Zeidler.
Dass Bochum die Länderspielpause noch abwartete vor dem Zeidler-Aus, ehe in Hoffenheim die desaströse erste Halbzeit alle leisen Hoffnungen zerstörte, erklärte Kaenzig auch mit Fehlern aus der Vergangenheit, die man nicht wiederholen wollte. Denn die Trennung von Thomas Letsch im April sei im Nachhinein zu früh erfolgt, so Kaenzig sinngemäß. Jetzt, das sagte er nicht, kam sie dann doch eher zu spät.
VfL Bochums Boss Ija Kaenzig: Trainer muss „gewisse Autorität“ haben
Fünf Kriterien habe man zusammengestellt, sagte Kaenzig zum Stand, zum Fahrplan. Man gleiche nun die Kandidaten ab. Alle Kriterien nannte er nicht. Der Trainer müsse auf jeden Fall „taktisch flexibel sein, denn die Mannschaft ist für verschiedene System zusammengestellt“, sagte Kaenzig. Er betonte auch: „Es ist keine einfache Mannschaft. Viele Spieler sind ambitioniert und haben auch hohe Ansprüche an den Verein. Der Trainer muss eine gewisse Autorität haben, Klartext sprechen. Wir alle müssen den Laden besser im Griff haben, noch enger führen.“
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Zum Führungsteam soll künftig und ebenfalls schnellstmöglich ja ein Sportdirektor gehören, der allerdings auch Sport-Geschäftsführer sein könnte – beim VfL ist derzeit nichts undenkbar. Im Sommer erst hatte der Verein ja nach Patrick Fabians Rücktritt diese Position abgeschafft, Kaenzig zum alleinigen Geschäftsführer gemacht samt einer Vertragsverlängerung bis 2029 und die Direktoren-Ebene ausgebaut und gestärkt. Der kommissarische Vorstandsvorsitzende Uwe Tigges würde an dieser Struktur gerne festhalten, sagte er – die Option, einen Sport-Geschäftsführer zu bestellen, gebe es aber auch.
Wer kommt zuerst beim VfL Bochum? Alles ist offen, alles möglich
Anthar Yahia war wie berichtet ein Top-Kandidat, er sagte ab. Die Suche geht nun weiter. Ob zuerst ein Trainer oder Sportdirektor kommt, auch das ließ Kaenzig offen. Tenor: Wenn ein passender Kandidat da ist, ist er da.
Und „passend“ heißt beim Sportchef auch, so nannte Kaenzig ein Kernkriterium: „Bescheidenheit“. Denn finanzielle Mittel gebe es kaum, „fünf Zugänge“ im Winter, so der Geschäftsführer bewusst überspitzt, werde es nicht geben. Kaenzig: „Wir benötigen einen Mann, der auf die Herausforderung brennt. Wir stehen mit Rücken komplett an der Wand.“
Trennung von Lettau: Transferpolitik als Hauptgrund
Zuvor war der Geschäftsführer auch auf die Trennung von Sportdirektor Marc Lettau (39) eingegangen. Ausdrücklich nahm sich Kaenzig selbst wie auch das Präsidium und Ex-Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian mit in die Verantwortung, dass die Zeidler-Wahl im Sommer „ein Fehler“ war- Kaenzig sprach von einem „Missverständnis von Anfang an“. Deshalb habe man sich aber nicht von Lettau getrennt.
Kaenzig argumentierte vor allem mit der Kaderplanung von Lettau in der Vorsaison und in dieser Spielzeit, für beide war er federführend zuständig, teils mit dem Ex-Sportgeschäftsführer Patrick Fabian. 2023/24 sei der Kader geplant gewesen „für eine Dreierkette, dafür haben wir Spieler geholt, es hat nicht funktioniert.“ Letsch stellte früh um oder auch zurück auf Viererkette.
„Dann holen wir einen Trainer, der mit Raute spielt und holen die Spieler dafür. Das hat wieder nicht funktioniert, das ist Fakt“, so Kaenzig mit Blick auf die Zeidler-Wahl, seine bekannte Philosophie und entsprechende Transfers. „Ein guter Spieler ist nicht unbedingt auch ein guter Transfer“, so Kaenzig. Zudem seien beide Trainer nicht so gut unterstützt worden wie nötig, meinte er.
Fakt ist jetzt allerdings auch: Der VfL steht derzeit ohne Cheftrainer, ohne Sportchef und ohne seinen langjährigen Vereinschef Villis da. Der Klub gibt nach außen ein Bild ab, das die Suche nach passenden Nachfolgern für die wichtigen Positionen zusätzlich zur sportlich prekären Lage noch erschwert.
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