München. Bei der Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit im Westen Deutschlands sind weitere Details bekanntgeworden. Unter anderem seien laut einem Medienbericht schon in den 70er-Jahren Anabolika an Minderjährige verabreicht worden. Ferner sei bereits Ende der 80er-Jahre mit Forschungen zur Wirkungsweise des Blutdopingmittels Epo begonnen worden.
In der Bundesrepublik Deutschland ist offenbar spätestens seit Beginn der Siebzigerjahre ein systematisches, organisiertes und vom Staat finanziertes Doping-Programm betrieben worden. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Samstag mit Verweis auf die bislang unveröffentlichte Studie 'Doping in Deutschland' der Humboldt-Universität (HU) Berlin soll das Programm abgesehen von umfangreichen Dopingforschungen - der Bericht spricht von 516 vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) finanzierten Forschungsvorhaben - weit über die bisher bekannten Fakten hinaus gegangen sein.
Die 800 Seiten umfassende Studie war 2008 vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) initiiert worden und liegt der SZ nach eigenen Angaben in einer Version aus dem Jahr 2012 vor. Demnach soll es unter anderem bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal zum massiven Einsatz von Dopingmitteln gekommen sein. Zudem habe es auch systematische Verabreichung verbotener Substanzen an Minderjährige gegeben.
Ergebnisse der Doping-Studie sind noch nicht veröffentlicht
Ebenso schwer wiegen die Vorwürfe, dass die Politik den Einsatz von leistungssteigernden Mitteln nicht nur geduldet, sondern offenbar auch gefordert habe. Außerdem hätten staatliche Institutionen sowie der damalige Deutsche Sportbund (DSB) und das Nationale Olympische Komitee (NOK) versucht, die Enttarnung gedopter Sportler zu verhindern.
Die Ergebnisse der 550.000 Euro teuren Studie 'Doping in Deutschland' sind immer noch nicht veröffentlicht. Das BISp macht dafür datenschutzrechtliche Probleme verantwortlich. Die beteiligten Wissenschaftler widersprechen dieser Aussage.
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Bereits am Dienstag hatten die Märkischen Oderzeitung und die Main-Post ein Dokument veröffentlicht, wonach es Anfang der 1970er Jahre auch in Westdeutschland mit Steuermitteln finanzierte Dopingforschung gegeben hat.
Erste Ergebnisse der historischen Studie waren schon vor knapp zwei Jahren bekanntgeworden. Damals waren schon "staatlich subventionierte Anabolika-Forschungen" festgestellt worden. Diese seien nach 1970 in Freiburg beim umstrittenen Sportmediziner Joseph Keul "konzentriert" worden. (dpa/sid)
SPD prüft Sondersitzung des Sportausschusses
Nach den Berichten über eine angeblich weitreichende staatliche Dopingförderung in der früheren BRD prüft die SPD-Fraktion im Bundestag die Einberufung einer Sondersitzung des Sportausschusses. 'Die schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten. Das ist mehr als je vermutet worden ist', kommentierte Martin Gerster, sportpolitischer Sprecher der SPD, einen Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Samstag.
'Es ist unglaublich, dass die Abgeordneten von diesen Erkenntnissen aus der Zeitung erfahren. Ich werde jetzt ausloten, ob noch eine Sitzung Anfang September möglich ist', sagte Gerster. Eigentlich sollten die Ergebnisse der 2008 in Auftrag gegebenen Studie im Juni dem Sportausschuss vorgestellt werden, doch angeblich würden damals wie heute datenschutzrechtliche Gründe dies verhindern.
'Jetzt wird auch klar, warum Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und die schwarz-gelbe Koalition verhindert haben, dass im Sportausschuss darüber dsikutiert wird', sagte Gerster. (sid)