München. Stefan Schumacher hat ausgepackt: Im Gespräch mit dem Spiegel gestand der 31-Jährige die Einnahme verbotener Substanzen und belastete seinen früheren Teamchef Hans-Michael Holczer schwer. Dieser wehrt sich und verweist auf den baldigen Gerichtsprozess.

Stefan Schumacher trug Rosa beim Giro und Gelb bei der Tour, jetzt hat sich der überführte Dopingsünder an Karfreitag das Büßergewand übergestreift. In einem Spiegel-Interview hat Schumacher jahrelangen Missbrauch gestanden, künftig will er mit relevanten Institutionen kooperieren.

Zudem setzte der 31 Jahre alte Radprofi seinen früheren Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer in hohem Maße unter Druck. Holczer sei über die Dopingpraktiken 'bestens im Bilde' gewesen. 'Der hat schon mitbekommen, was um ihn herum passiert ist', sagte Schumacher.

Holczer hatte in den Vergangenheit immer das Gegenteil behauptet und erklärt, die Fahrer hätten ohne seine Kenntnis zu verbotenen Substanzen gegriffen. Auch jetzt wehrte er sich im Gespräch mit dem SID: 'Das ist vollkommen aus der Luft gegriffen.' Es werde Aufgabe des Landgerichts sein, 'diesen Sachverhalt zu klären'. Ab 10. April muss sich Schumacher in Stuttgart in einem Präzedenzverfahren gegen eine Betrugsanklage verteidigen.

"Im Mannschaftsbus eine Vielzahl an Präparaten mitgeführt"

Schumacher beschreibt derweil, dass auch die Teamärzte ein aktive Rolle beim Thema Doping gespielt hätten und dass selbst im Mannschaftsbus eine Vielzahl an Präparaten mitgeführt worden sei. 'Die meisten Sachen konnte sich jeder aus der Medikamentenbox nehmen. Das war völlig verrückt', sagte Schumacher, der die Praxis im Holczer-Team als besonders heikel empfand: 'Einen so laxen Umgang mit Medikamenten habe ich nur bei Gerolsteiner erlebt.'

Auch Schumachers Anwalt Michael Lehner lenkt den Verdacht in Richtung einer Mitwisserschaft Holczers. 'Ich bin gespannt, ob Holczer irgendwann mit der eigenen Legende aufräumt', sagte Lehner dem SID. Nachweislich hätten Radsportler gelogen und in dem System gelebt. 'Dass nun gerade unter den Teamchefs ein Heiliger ist, der nichts mitbekommen und die Augen verschlossen hat, ist kaum zu glauben', fügte Lehner hinzu.

"Nicht einfach wegkontrollierbar"

Holczer entgegnete: 'Dazu kann ich nur sagen, es wird hier kein Aufräumen geben. Ich kenne Herrn Lehner gut, ich habe sehr viele Briefe von ihm zu Hause. Er erschreckt mich nicht.' Bei einer Podiumdiskussion in Stuttgart nannte Holczer Doping kürzlich eine 'kriminell organisierte Machenschaft', an der ein großer Kreis an Leuten beteiligt sei, und forderte staatliche Unterstützung bei der Bekämpfung.

Holczer, der sich immer wieder als harter Dopingkritiker gegeben und seine Erfahrungen in einem Buch mit dem Titel 'Garantiert positiv' niedergeschrieben hat, hält Doping gleichwohl inzwischen für 'nicht einfach wegkontrollierbar'.

Der 59-Jährige sah sich schon in der Vergangenheit ähnlichen Vorwürfen wie jetzt denen von Schumacher ausgesetzt. Rolf Aldag, der Doping 2007 öffentlichkeitswirksam einräumte, hatte dem Herrenberger nachgesagt, zu Gerolsteiner-Zeiten 'an den moralischen Ansprüchen' gescheitert zu sein. Holczer habe immer davon geredet, er wolle sauber fahren lassen: 'Und dann läufst du angeblich blind durch die Welt und hast drei riesige Dopingfälle in deinen Reihen?' Aldag meinte damit die Fälle Davide Rebellin, Bernhard Kohl und Stefan Schumacher, die letztlich zum Aus des Rennstalls führten.

Von 2006 bis 2008 war Schumacher für Gerolsteiner gefahren, hatte zwei Etappen bei der Tour de France gewonnen und als bislang letzter Deutscher 2008 das Gelbe Trikot getragen. 2007 fuhr er beim Giro d'Italia zudem in Rosa und war im selben Jahr WM-Dritter in Stuttgart. Überführt wurde der Nürtinger in nachträglichen Analysen von Proben der Tour 2008 und der Olympischen Spiele 2008. Ihm war das Blutdopingmittel Cera nachgewiesen worden, Gerolsteiner kündigte ihm daraufhin im Oktober 2008.

Verteidigung hat schon begonnen

Im Interview räumte Schumacher, der inzwischen für das kleine dänische Team Christina Watches fährt, nun den Gebrauch von Epo, Wachstumshormonen und Kortikosteroiden ein. Begonnen habe der Missbrauch mit Anfang 20, also vor etwa 10 Jahren. 'Ich habe mich in ein System eingefügt. Das macht mich nicht stolz, aber es war eben so', sagte Schumacher, der sich als Zeuge anbietet: 'Ich bin bereit, mein Wissen mit den relevanten Organisationen wie WADA, NADA, UCI zu teilen, wenn es gewünscht ist.'

Beim Prozess in Stuttgart wirft die Staatsanwaltschaft Schumacher vor, Holczer durch die Einnahme der Dopingmittel hintergangen zu haben. Es geht um 150.000 Euro, Schumachers Gehalt in den betreffenden Monaten.

Dass Schumacher sich nun kurz vor Beginn des Prozesses offenbart und Holczer attackiert, lässt durchaus den Schluss zu, dass seine Verteidigung bereits begonnen hat. Lehner sagte, es bestehe nur 'ein Zusammenhang zeitlicher Art'. Es sei 'einfach Zeit gewesen' für Schumachers Geständnis: 'Stefan ist gereift.' Einen strategischen Hintergrund verneinte Lehner. Holczer musste darüber lachen. (sid)