Houston. Björn Werner flog bei den Indianapolis Colts nach einer Verletzung raus. Nun will er deutschen Football-Talenten bei ihrem Weg in die NFL helfen.

Die Glitzerwelt NFL bietet derzeit in Houston alles auf, was sie zu bieten hat. Die größten Stars der National Football League, mögen sie bei anderen Klubs noch aktiv sein oder ihre Karriere bereits beendet haben, sind nach Texas gekommen, um am Sonntag (0.30 Uhr deutscher Zeit/Sat 1) den 51. Super Bowl zwischen den New England Patriots und den Atlanta Falcons zu sehen. Tom Brady kann sich dabei den Traum von seinem fünften Meisterschaftsring erfüllen. Für Björn Werner ist dagegen ein Traum geplatzt: Der gebürtige Berliner ist 2013 als erster deutscher Spieler in der ersten Runde des Talent-Drafts gewählt worden, hat nach seinem Rausschmiss bei den Indianapolis Colts nun aber seine Karriere beendet. Der 26-Jährige weiß genau, dass die NFL nicht nur Traumfabrik, sondern auch gnadenlose Geschäftemacherei sein kann.

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Herr Werner, wenn ich so direkt sein darf: Wie viel wiegen Sie gerade?

Björn Werner: Oh oh, 117 Kilo in etwa. Wieso?

Das ist noch immer sehr nahe an Ihrem Idealgewicht als Footballspieler, da hatten Sie 121 Kilogramm auf 1,91 Metern Körpergröße. Gehen Sie noch immer häufig ins Fitnessstudio?

Werner: Klar, ich gehe immer noch trainieren. Das geht nicht einmal hier in Amerika so schnell, dass ich richtig fett werde. 130 Kilo - die werden es bei mir nie werden (lacht, d.Red.).

Wie schwer fällt es ihnen, nicht mehr mit einer Mannschaft zu trainieren?

Werner: Das Trainieren allein vermisse ich gar nicht mehr. Aber die Jungs am Fernseher spielen zu sehen - puh. Ich hätte gerne noch ein paar Jährchen gespielt, aber es geht einfach nicht mehr.

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Wie hat sich der körperliche Verfall entwickelt?

Werner: Knieprobleme hatte ich auch schon am College, das war noch tolerabel. Dass ich bei den Colts 2015 entlassen wurde, lag vor allem an den zig OPs im letzten Jahr dort.

Das schmerzt ja schon vom Zuhören.

Werner: Ja, da kann es schon mal passieren, dass der General Manager deines Teams sagt, wir müssen Geld sparen. Und plötzlich ist man raus. Ich hatte gehofft, dass es danach noch was bei den Jacksonville Jaguars wird. Das mit den Knien konnte ich ja nicht verschweigen, trotzdem war ich hochmotiviert. Aber das tägliche Training hat mir einfach nicht gut getan. Bei Spielen schießt genug Adrenalin durch deinen Körper - zum Training morgens aufzustehen, war schon sehr hart, wenn die Knie eine Woche lang steif sind. Aber liegen zu bleiben und zu sagen, ich gehe heute nicht trainieren, das können sich halt nur die Superstars erlauben. Es war nicht einfach, diese Entscheidung dann zu treffen - aber über etwas Vergleichbares muss jeder mal in seinem Leben befinden.

Wie fühlt man sich, wenn die GMs einen Spieler als Ware betrachten?

Werner: Es gibt nur eine NFL. Und es gibt nur 1500 Plätze in den 32 Kadern - aber jedes Jahr rücken 1000 neue Spieler nach, die in die Liga wollen. Da gibt es kein Mitleid. Die Teams verlieren schnell das Interesse an einem Spieler.

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Ein Karriereende mit 26 Jahren klingt sehr verfrüht. Können Sie nach 38 Partien, davon vier in den Play-offs, sagen: Ich habe alles erreicht?

Werner: Natürlich, ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe. Wie viele andere Football-Spieler aus Deutschland haben es in die NFL geschafft? Vor 80.000 Leuten zu spielen, ist einmalig. Ich würde alles dafür tun, es so noch einmal zu erleben. Von mir aus können Experten mir vorwerfen, dass ich zu früh aufgegeben habe. Im Profisport sind alle Medien und Fans hart. Du kannst Peyton Manning sein - wenn du Mist spielst, kriegst du trotzdem alles ab.

Wie schwierig war es, mit den hohen Erwartungen umzugehen? Sie sind in der ersten Runde des Drafts und damit als einer der besten 32 ihres College-Jahrgangs in die NFL gekommen.

Werner: Mit so einem frühen Pick, mit dem ersten großen Gehaltsscheck kommt auch der ganze Druck. In der ersten Saison wurde ich schon als Fehlgriff bezeichnet. Dann konnte ich im zweiten Jahr den Colts helfen, einige Spiele zu gewinnen, und wurde dafür gelobt. Der Sport ist einfach riesengroß durch das Fernsehen und Social Media, jeder darf seine Meinung abgeben. Aber das gehört zum Profisport eben dazu.

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Im Schnitt hält sich ein Spieler drei Jahre in der NFL. Warum nur so kurz?

Werner: Der Sport frisst unsere Körper. Du musst ja noch die vier College-Jahre dazu zählen, in denen man zwar nicht so bezahlt wird wie in der NFL, aber auf dem Level schon spielt. Wenn wir also erst mit 21 Jahren in der NFL anfangen, haben unsere Körper schon etliches mitgemacht.

Sie schlagen mit Gridiron Imports nun einen neuen Weg ein. War es Ihnen wichtig, dem Football verbunden zu bleiben?

Werner: Man kann nicht so einfach mit Football aufhören. Das Projekt ist schon seit Längerem in Planung, weil mich über die Jahre viele gefragt haben: Wie hast du es geschafft? Ich freue mich, dass ich nun etwas zurückgeben kann und was mir Spaß macht. Ich kann dabei meinen Namen und meine Erfahrung nutzen, mir etwas Neues aufbauen. Ich würde mich als Vermittlungsservice und als Mentor auf dem Weg nach ganz oben beschreiben. Und da gehört viel dazu, auch zu wissen, welche Tests sie an der Schule belegen müssen, und nicht nur Sport. Und: Auf einen normalen Bürojob habe ich einfach keine Lust.

Wie sehen Sie die Entwicklung in Deutschland?

Werner: Super, es fangen immer mehr Jugendliche an zu spielen. Durch die Übertragungen, die zu einer Riesennummer geworden sind, realisieren sie, dass Football ein cooler Sport ist.

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So leicht wie bei Moritz Böhringer wird’s aber nicht, dessen Best-of-Video aus der Bundesliga von einem NFL-Agenten gesehen und der dann zu einem Trainingscamp eingeladen wurde.

Werner: Ich glaube, das ist eine absolut einzigartige Story. Ich weiß nicht, wann es wieder passiert, dass jemand so den Sprung macht. Das Wichtigste ist, die Chance zu bekommen, sich zu beweisen. So wie bei Kasim Edebali von den New Orleans Saints oder bei mir: rübergehen, gut sein und Stipendien einsammeln. Deswegen versuche ich, die Talente auf Internate zu bringen, die ihnen finanzielle Unterstützung geben. An einem College können das dann hinterher bis zu 60000 Dollar im Jahr sein. Ich musste für meine Football-Ausbildung keinen Cent bezahlen, weil die mich so krass wollten. Wenn du dein Talent zeigst, ein guter Schüler bist, kannst du es auch mit wenig Geld schaffen, deinen Weg in die NFL zu gehen.