Houston. Im US-Bundesstaat Texas zeigt die American-Football-Liga NFL vor dem Super Bowl die schillernde Welt ihrer Sportart. Doch die Quoten brechen ein.
Die schöne, heile Welt der NFL ist etwa einen Kilometer breit und im Erdgeschoss des George R. Brown Convention Centers untergebracht. Mitten in Houston Downtown hat die beste Football-Liga der Welt in dem gigantischen Messegebäude Amerikas temporär beliebtesten Freizeitpark errichtet. Der Eintritt beträgt 35 Dollar für Erwachsene, zehn weniger für Kinder. Doch deren Strahlen nachher ist dafür unbezahlbar.
Bis am Sonntag (in der Nacht von Sonntag auf Montag ab 0.30 Uhr deutscher Zeit bei Sat 1) der Kick-off den 51. Super Bowl eröffnet, können sich die Fans in der NFL Experience austoben. Werfen wie New Englands Superstar Tom Brady, Fangen wie Atlantas Top-Receiver Julio Jones – nahezu jede Spielsituation ist hier zum Selbsterleben nachgestellt. Man kann sich neben der Vince-Lombardi-Trophäe des Super-Bowl-Champions ablichten lassen und den Eltern im Souvenir-Shop kurz vor dem Ausgang noch die letzten Dollarnoten entlocken. „Wir haben keine Tickets für den Super Bowl bekommen“, sagt Chad, ein 42 Jahre alter Ingenieur aus Houston. Für sich und seine beiden Söhne lässt er sich den Ausflug rund 450 Dollar kosten. „Das ist es mir aber auch wert.“
Regeländerungen vergraulen die Fans
Roger Goodell würde solche Sätze mit großem Wohlwollen vernehmen. Sie würden vor allem die Bedenken übertönen, die er sonst zu hören bekommt und die im Südosten der Stadt im Nasa Space Center wohl mit den Worten „Houston, wir haben ein Problem“ ankämen. Womit sich Goodell ernsthaft auseinandersetzen muss: Verlieren die Amerikaner etwa den Gefallen an ihrem liebsten Spiel?
Die Anzeichen dafür sind vielfältig: In der Saison sind die Zuschauerquoten um 13 Prozent eingebrochen. Der Kommerz kennt keine Grenzen, dazu haben etliche Regeländerungen, die das Spiel entschärft haben und die Gesundheit der Spieler schützen sollen, Fans aus den Arenen vertrieben.
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Alles Strippen, an denen Goodell ziehen muss. Der 57 Jahre alte Geschäftsmann bekommt von den Besitzern der 32 NFL-Klubs jährlich 44 Millionen Dollar überwiesen, um die Reichen noch reicher zu machen. Von daher besteht für ihn gar kein Interessenkonflikt. Goodell hat in der Liga seit zehn Jahren das Sagen. Kein Sportbetrieb in der Welt macht mehr Umsatz als die NFL: 13,5 Milliarden Dollar in dieser Saison, bis 2025 hat Goodell den Besitzern eine Steigerung auf 25 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt. Zum Vergleich: Die Fußball-Bundesliga feiert sich gerade für drei Milliarden Euro Umsatz.
Das Meinungsinstitut National Retail Federation hat nun ermittelt, dass am Sonntag 188,5 Millionen Menschen in Amerika das Spiel zwischen den New England Patriots und Atlanta Falcons sehen wollen. Für Chicken Wings, Bier, Fanartikel und neue Fernseher würden sie 14,1 Milliarden Dollar ausgeben. Allzu sehr entrückt sind die Amerikaner dem Football in dieser Sicht also noch nicht.
Weitaus schwieriger wird es, den durch die Regeländerungen herbeigeführten Imageverlust zu beheben. Dabei ist es absurd, hierbei über ein Fehlverhalten Goodells zu fabulieren. Weniger Vollkontakt bedeutet mehr Lebensqualität. Nach Schadenersatzzahlungen beinahe in Milliarden-Höhe ging die Zahl der Gehirnerschütterungen in dieser Saison immerhin um knapp neun Prozent auf 167 Verletzungen zurück.
Heile Welt bei der Pressekonferenz
Ob American Football vor gravierenden Einschnitten steht, wird sich frühestens in der nächsten Saison zeigen. In Houston wird an der heilen Welt nicht gerüttelt. Diese zog am Montagabend Ortszeit aus dem Convention Center ein paar Straßenblöcke weiter. Im Minute Maid Park, in dem sonst die Houston Astros Baseball spielen, wurden bei der Opening Night beide Teams vorgestellt. Eine Stunde lang standen die gut 100 Protagonisten rund 4000 Journalisten, von denen männliche tendenziell die Statur eines Spielers aus der Offensive Line haben und weibliche in der Regel noch aktuelle Cheerleader sein könnten, Rede und Antwort. Probleme wurden jedoch galant beiseite geschoben. „Wir sind hier, um den Leuten eine gute Show zu bereiten“, sagte Tom Brady. Roger Goodell dürfte zufrieden gewesen sein.