Essen. . Matt Ryan, Aaron Rodgers, Ben Roethlisberger und Tom Brady: Im Halbfinale der Football-Liga NFL schlägt die Stunde der besten Passgeber.

Als in den letzten Saisons Spieler wie Cam Newton, Colin Kaepernick oder Robert Griffin III emporkamen, schienen die Tage der alten Quarterback-Garde in der besten Football-Liga der Welt gezählt. Reine Passgeber? Waren auf der Position des Spielmachers, der beim Angriff über Pass oder Lauf entscheidet, nicht mehr gefragt. Die neue Generation durfte auch selbst gerne zum waghalsigen Lauf gegen die Abwehrkolosse antreten.

Und 2017? Stehen vier Quarterbacks mit ihren Teams im NFL-Halbfinale, die genau für ihre Wurfkünste verehrt werden. Wenn am Sonntag Aaron Rodgers mit den Green Bay Packers bei Matt Ryans Atlanta Falcons antritt (22.30 Uhr/Sat 1) und Tom Brady mit den New England Patriots die Pittsburgh Steelers um Ben Roethlisberger empfängt (0.20 Uhr/ Sat 1), ist eine Frage entscheidend: Wem gelingt der große Wurf, um ins Finale, den Super Bowl, am 5. Februar in Houston einzuziehen?

Matt Ryan, der Sisyphos

Atlanta hat sportlich wenig vorzuweisen: Die Baseballer der Braves wurden zuletzt 1995 Meister, die Basketballer der Hawks gar 1958. Die Falcons warten noch immer auf einen Titel. Daran konnte auch Matt Ryan bisher nichts ändern: Trotz guter regulärer Saison ging er bei vier seiner fünf Play-off-Auftritten als Verlierer vom Platz. „Ich habe aus allen Erlebnissen gelernt“, sagt „Matty Ice“, aber jetzt „fühle ich, dass ich so gut spiele wie noch nie.“ Rund 5000 Yards Raumgewinn brachten Pässe des 31-Jährigen in der Saison. „MVP, MPV“, riefen die Fans nach seiner 36:20-Gala gegen Seattle. Doch Ryan interessiert nur ein Ziel: „Houston.“

Aaron Rodgers, Mr. Cool

Der Mann arbeitet mit der Präzision des Kampfmittelräumdienstes bei der Bombenentschärfung – selbst wenn er die Wohlfühlzone hinter seinen Leibwächtern verlassen und werfen muss. Der 33-Jährige, 2010 mit den Packers Champion, behält dann wie am Sonntag gegen Dallas (34:31) die Nerven, als sich Männer wie Kleiderschränke ihm entgegen warfen, er aber Jared Cook kurz vor der Seitenlinie fand. Kicker Mason Crosby nutzte die Siegchance. „Ich hasse es, unter diesen Umständen zu sagen: Er ist ein unglaublicher Quarterback“, sagte Cowboys-Hoffnungsträger Dak Prescott über den Kollegen.

Ben Roethlisberger, der Unbequeme

Als „Big Ben“ 2006 noch „Little Ben“ war, wurde er beim Finalsieg über Seattle jüngster Quarterback eines Super-Bowl-Siegers. Der frühe Ruhm stieg ihm zu Kopf. Außerhalb von Pittsburgh flogen dem Macho erst recht keine Fan-Herzen zu, als er wegen Belästigung von Frauen mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Bei den Steelers ist der 1,96 Meter große und 110 Kilo schwere Spielmacher (34), der aussieht wie jene gegnerische Dampframmen, die ihn zu Boden bringen wollen, unumstritten. Aber: Beim 18:16 über Kansas City musste Kicker Chris Boswell die Arbeit mit sechs Field Goals übernehmen, und die Stars heißen inzwischen Le’Veon Bell (Running Back) oder Antonio Brown (Receiver). Wegen Roethlisberger gewannen die Steelers 2008 ihren sechsten Super Bowl – seitdem warten sie auch wegen ihm auf den siebten.

Tom Brady, der Beste aller Zeiten?

Tom Brady oder Joe Montana? Wer bester Quarterback der NFL-Geschichte ist, lässt sich abseits der Fansympathien bald vielleicht mit Fakten beantworten. Gewinnt Brady mit den Patriots, am Samstag 34:16-Sieger über Houston, seinen fünften Super Bowl, hätte er einen Titel mehr als 49ers-Legende Montana. Der 39-Jährige hat auch die Formel gefunden, wie er trotz des Alters immer besser wird. Der Dank gebührt Gisele Bündchen: Das Supermodel und ihr Gatte leben nach strenger Diät, meiden Zucker, weißes Mehl und Fleisch. Kein Wunder, dass Brady auf die Frage, wie lange er noch spielen wolle, antwortet: „Forever.“ Immer.