Region. Die Mitgliederzählung des Landessportbunds Nordrhein-Westfalen ist noch nicht abgeschlossen, zwei Trends sind aber bereits deutlich zu erkennen.

Mitte April wird abgerechnet. Spätestens dann wird der Landessportbund die Mitgliederzahlen der Vereine in Nordrhein-Westfalen veröffentlichen. Und dann wird auch klar, inwieweit sich die Corona-Pandemie auf den Vereinssport auswirkt.

Erste Tendenzen sind aber bereits zu erkennen. Etwa 85 Prozent der Vereine haben sich bereits zurückgemeldet und ihre Mitgliederzahlen dem LSB gemeldet. Deshalb geht man beim LSB davon aus, dass die zu erkennenden Trends durchaus repräsentativ sind. Und die zeigen ein – leider – erwartbares Bild.

Sportvereine in NRW verlieren 3,5 Prozent Mitglieder

„Der Mitgliederrückgang liegt bei rund 3,5 Prozent. Der Corona-Effekt ist also deutlich zu sehen“, sagt Christoph Niessen, Vorstandsvorsitzender im Landessportbund. In „normalen“ Jahren schwankt die Mitgliederzahl, die bei rund fünf Millionen Sportlern liegt, um etwa ein Prozent.

Der Rückgang von 3,5 Prozent sei zwar auf den ersten Blick nicht dramatisch. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber schon jetzt, wo es die größten Probleme gibt. Denn kleinere Vereine mit bis zu 100 Mitgliedern verzeichnen sogar einen Zuwachs von etwa einem Prozent. Die Vereine, die zwischen 101 und 1000 Mitgliedern haben, haben nur rund ein Prozent ihrer Mitglieder eingebüßt. In diesen Klubs sind mit gut 2,6 Millionen Sportlern gut die Hälfte aller Sportler gemeldet.

Vor allem die großen Vereine verzeichnen deutliche Verluste

Am härtesten getroffen hat es dagegen die rund 700 Vereine, die mehr als 1000 Mitglieder haben (nicht mitgerechnet sind die großen Fußball-Bundesligisten). Diese Vereine haben einen Schwund von circa 13 Prozent zu verkraften. Von den bisher rund 165.000 verlorenen Mitgliedern entfallen 85 Prozent auf die großen Klubs.

„Große Vereine arbeiten vielfach dienstleistungsorientierter als Kleinvereine. Wenn die Leistung Corona-bedingt nicht erbracht werden kann, kündigt ein Mitglied schneller und leichter als in kleinen Vereinen, in denen jeder jeden kennt und in denen das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Solidarität tendenziell größer sind“, erklärt Christoph Niessen.

Fitness- und Gesundheitssport am stärksten betroffen

Die meisten Verluste würden sich laut den Vereinen im Bereich des Fitness- und Gesundheitssports widerspiegeln. Aber auch den vermeintlich großen Sportarten wie Fußball und Handball droht ein Mitgliederrückgang.

Noch liegen die Zahlen aber nicht auf dem Tisch. Manfred Schnieders, Vorsitzender des Fußballausschusses im Westdeutschen Fußballverband, sagt: „Manche Vereine verlieren Mitglieder, andere haben sogar leichte Zuwächse. Vor allem diejenigen, die auch im Breitensport Kurse angeboten haben, leiden mehr.“ Und dann hat er noch etwas anderes festgestellt: „Auf dem Land, in den Dörfern, ist die Identifikation mit den Vereinen ein bisschen größer als in der Stadt.“ Man müsse sich das aber genau angucken, wenn alle Zahlen vorliegen.

Hallensportler befürchten Trend zu Freiluft-Sportarten

So möchte auch Dieter Stroband, Präsident des Westdeutschen Handballverbandes, verfahren. „Es ist aktuell relativ ruhig, Spieler halten sich mit Vereinswechseln zurück. Wir wissen noch nicht genau, in welche Richtung es geht“, sagt er.

So sieht es in den einzelnen Städten aus

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Perspektivisch sei es wichtig, dass die Handballer den Trainingsbetrieb wieder aufnehmen könnten, vor allem die Jugendlichen tun ihm leid. „Uns gehen Jahre der Ausbildung verloren“, sagt Stroband, der hofft, dass der Nachwuchs deshalb nicht abwandert und sich Sportarten sucht, die unter freiem Himmel ausgeübt werden dürfen.

„Da ist auch Solidarität unter den Sportlern gefragt. Ich hoffe nicht, dass die Fußballer uns jetzt den Nachwuchs abwerben“, sagt er. Der Handball habe schon in den vergangenen Jahren mit sinkenden Mitgliederzahlen zu kämpfen gehabt, er hofft, dass die Pandemie nun nicht als Katalysator dient.

Stabile Zahlen im Tennis

Weniger Gedanken um Mitgliederschwund muss man sich derzeit im Tennis machen. Auch bei den Tennisverbänden liegen zwar noch keine konkreten Zahlen vor, aber: „Die Mitgliederzahlen scheinen stabil zu sein“, sagt Elmar Schlüter, Vizepräsident Marketing und Öffentlichkeitsarbeit des Westfälischen Tennisverbandes.

„Die meisten Klubs haben bisher signalisiert, dass die Austritte, wenn es denn welche gab, nur gering waren. Einige haben sogar einen Zuwachs verzeichnen können“, sagt Schlüter.

Mehr Mannschaftsmeldungen im Tennisverband Niederrhein

Grund dafür ist laut Schlüter, „dass unsere Sportart, wie Golf ja auch, kontaktlos ist“. Es hätte sogar Zugänge aus anderen Sportarten gegeben. „Die Leute wollen Sport machen, und beim Tennis sind in der jetzigen Zeit die Chancen dafür größer als beispielsweise bei Kontaktsportarten“, so der WTV-Sprecher, der dennoch überrascht ist, dass sein Verband das Corona-Jahr zumindest im Bezug auf die Mitgliederzahlen glimpflich überstanden hat.

Auch beim Tennisverband Niederrhein scheinen sich die Austritte in Grenzen zu halten, wie Bastian Grieger, Geschäftsführer des TVN, mitteilte. Viel mehr noch: „Wir konnten für den Sommer sogar ein Plus an Mannschaftsmeldungen verzeichnen. Insgesamt haben 105 Teams mehr gemeldet.“

Ruderer haben sogar Mitglieder gewonnen

Nicht nur Individualsportarten auf dem Land, sondern auch auf dem Wasser scheinen bisher vergleichsweise glimpflich davon gekommen zu sein. Martin Tschäge, Sprecher des Nordrhein-Westfälischen Ruderverbandes, kann zwar noch keine aktuellen Zahlen nennen, aber auch er sagt: „Die Mitgliederzahl scheint allgemein stabil zu sein.“ Nach dem ersten Lockdown im Sommer hätten viele Vereine sogar einen Zuwachs im Kinder- und Jugendbereich verzeichnet.

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Zu den Gründen dürfte sicherlich zum einen zählen, dass Rudern (natürlich besonders im Sommer) als Individualsport weiter betrieben werden konnte. „Zum anderen sind die Strukturen in Rudervereinen oft stark und langjährig gewachsen“, sagt er. Ob die Klubs in NRW aber auch vor langfristigen Corona-Folgen verschont bleiben, dessen ist er sich unsicher. „Die Frage ist: Kehren im Sommer auch alle Kinder wieder ins Training zurück und bleiben sie dem Ruder-Sport erhalten?“

Pandemie kostet den Nachwuchs im Leistungssport ein Jahr Entwicklung

Dass die Pandemie ein Schlag ins Kontor des Leistungssports ist, sei ohnehin klar. „Besonders bei Kindern ist ein Jahr in der Entwicklung ja sehr viel. Das Leistungsniveau wird sicher fallen.“ Denn dieses fehlende Jahr könne kaum wieder aufgeholt werden, glaubt Tschäge.

Ob es den Vereinen, die in der Pandemie besonders viele Mitglieder verloren haben, gelingt, diese zurückzugewinnen, das wird sich wohl erst in den kommenden Jahren zeigen. Vielleicht ist Corona da sogar eine Chance – denn der Wunsch nach Gemeinschaft dürfte selten größer gewesen sein.

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