Westfalen. Corona sorgt für Frust und Verzweiflung beim Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen. In der entscheidenden Frage kommt er nicht weiter.

Es könnte so einfach sein: Wenn es nach den Verantwortlichen des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen (FLVW) ginge, dann wäre die seit inzwischen fünf Monaten unterbrochene Amateurfußball-Saison eher heute als morgen beendet. Auch die meisten Vereine sehnen diesen klaren Schnitt herbei. Es wäre der zweite Saisonabbruch in Folge aufgrund des Lockdowns zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Doch so einfach ist es nicht – das liegt auch am Verband selbst.

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Gerade erlaubt, ist es schon wieder vorbei: Auch das Kindertraining wird ab Montag wieder untersagt sein.
Von Nadia Al-Massalmeh und Philipp Ziser

Angesichts steigender Corona-Zahlen vor allem bei Kindern und Jugendlichen und einer „Jojo“-Politik sei er „verzweifelt“, sagte FLVW-Präsident Gundolf Walaschewski am Montagmittag in einer digitalen Pressekonferenz: „Ich halte eine Beendigung und Annullierung der Saison für die gerechteste Lösung.“Das lasse die Spielordnung aber nicht zu.

Also bricht der Verband das ab, was abzubrechen ist (als erstes die Fußball-Oberliga) und plant, was zu planen ist (z.B. die nächste Saison). In der entscheidenden Frage, der nach dem Saisonabbruch, gibt es aber keine schnelle Lösung.

FLVW und der Status quo: Monatelange Hängepartie im Lockdown

Mit der neuen Spielordnung nach dem Saisonabbruch im Frühsommer 2020 dachte der Verband eigentlich, er hätte eine gute Lösung gefunden: Wenn die Saison abgebrochen werden muss, dann wird die Saison entweder annulliert oder gewertet – je nachdem, ob mindestens die Hälfte der Spiele stattgefunden hat. In der Praxis führt diese Regel allerdings zu einer monatelangen Hängepartie.

Einen zentralen Saisonabbruch wird es nicht geben. Jede einzelne Staffel wird dann annulliert, wenn die Möglichkeit nicht mehr gegeben ist, 50 Prozent des kompletten Programms zu absolvieren. Diesen Schritt nimmt dann der jeweilige Staffelleiter vor. Als erstes gefragt wäre Oberliga-Staffelleiter Reinhold Spohn – und zwar in dem Moment, in dem der Lockdown das nächste Mal verlängert wird.

Die kurzfristige Planung: Eine Annullierung nach der anderen

Die aktuelle Corona-Schutzverordnung gilt bis zum 18. April. Entsprechend bereitet sich der Verband darauf vor, dass am 19. April wieder trainiert werden darf, nach rund vierwöchiger Vorbereitungszeit wäre dann der 16. Mai ein Termin für den Pflichtspielstart. „Es ist etwas spitzfindig“, meinte Schnieders, „aber ab da zählen wir exakt genug Spieltage für die Oberliga.“ Auf Deutsch: Wenn am 19. April nicht trainiert werden kann, würde die Oberliga-Saison wohl annulliert. Weitere Staffeln würden dann folgen.

Eine Saisonwertung auf Biegen und Brechen soll es aber nicht geben. Nur Sonn- und Feiertage (Pfingstmontag, Fronleichnam) kommen als reguläre Spieltage in Frage, Englische Wochen nur in Ausnahmefällen. Eine Liga nach der anderen würde dann annulliert. Schnieders hält eine Saisonwertung schon in den Bezirksligen (meist 16er-Staffeln) für „schwierig“, sagte er (alle Staffeln darüber sind noch größer). Kreise mit kleineren A-Liga-Staffeln könnten aber auch dann Aufsteiger zur Bezirksliga ausspielen, wenn die Bezirksliga annulliert wird – jede Staffel einzeln.

Damit könnte der Verband auch Rücksicht auf Unterschiede zwischen den Städten nehmen. Da die vom Land verordnete Corona-Notbremse nun an die kommunale Sieben-Tage-Inzidenz gekoppelt ist, drohe Westfalen zu einem Flickenteppich zu werden, auf dem sich die Möglichkeiten für Fußballerinnen und Fußballer von Stadt zu Stadt und Kreis zu Kreis unterscheiden, so Walaschewski.

Die realistische Hoffnung: Der Westfalenpokal geht sportlich zu Ende

Einer Modus-Änderung erteilte Schnieders ebenso eine Absage wie einer Änderung der Auf- und Abstiegsregeln oder einer Verlängerung der Saison über den 30. Juni hinaus. Mit den Plänen zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Mai tut der Verband aber das, was er tun muss – und wozu er sich selbst in der Spielordnung verpflichtet hat.

Die Wertung einer Saison, die mehr als ein halbes Jahr lang unterbrochen war, hält die Verbandsspitze allerdings nicht für sportlich fair, das haben Schnieders und Walaschewski am Montag mehr als durchblicken lassen. Und für realistisch auch nicht.

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Anders sieht es mit dem Westfalenpokal aus. 28 von 32 Erstrundenpartien stehen da noch aus, 31 weitere folgen dann vom Achtelfinale bis zum Endspiel. Im Westfalenpokal geht es um einen Platz im DFB-Pokal, den will der Verband auf keinen Fall auslosen. Da die Vereine hier Geld verdienen können, sei es vertretbar, diese Spiele unter Umständen auch als Geisterspiele oder mithilfe von Schnelltests auszutragen, so Schnieders.

Unter Umständen scheint es auch möglich, einzelne kleinere Staffeln im Jugendbereich oder bei den Frauen zu beenden – das hängt davon ab, wie die politischen Rahmenbedingungen sind.

Die langfristige Planung: Am 15. August geht es wieder los

Was die aktuelle Saison angeht, kommt der Verband aktuell ganz offensichtlich nicht weiter – also geht er an die nächste. Die Spielzeit 2021/22 soll am 15. August beginnen, wenn alles nach Plan läuft, das ist das letzte Wochenende der Sommerferien.

Bei den Junioren wird das Wochenende nach den Ferien noch für den Kreispokal frei gehalten, der Liga-Spielbetrieb soll dann am 28./29. August beginnen.

Denkbar ist dann, dass die Oberliga in zwei Staffeln startet. Denn das von den 21 aktuellen Teilnehmern noch Auf- und Absteiger ermittelt werden, scheint ausgeschlossen. Erhöht sich die Staffelgröße durch Aufsteiger aus der Westfalenliga (unwahrscheinlich) oder Absteiger aus der Regionalliga (sehr wahrscheinlich), würde die Staffel vermutlich eingeteilt – das dürfte eine Lehre dieser Saison sein.

Ein Eingeständnis des Präsidenten und ein Appell an die Politik

Zufriedenstellend ist die Lage für niemanden. „Wir müssen uns gerade eingestehen, dass wir keine Lösung haben“, sagte Gundolf Walaschewski. Der Verband würde gerne abbrechen, scheitert aber an seinen eigenen Paragrafen. Der Verbandspräsident kündigte an, dass man die entsprechenden Satzungen womöglich ändern werde, um in Zukunft einen unbürokratischen Spielabbruch vornehmen zu können – so wie viele andere Verbände es in den vergangenen Wochen schon getan haben.

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Besonders deutlich wurde Walaschewski allerdings mit seiner Ansage an die Politik. Aktuell sehe er einen „Jojo“-Kurs, wobei die Zahlen insgesamt und besonders bei Kindern und Jugendlichen steigen würden. Bei der Aktualisierung der Corona-Schutzverordnung sagte er in Anlehnung an Shakespeare, der Wahnsinn habe mittlerweile Methode,um dann einzuschränken: Wahnsinn sei es auf jeden Fall, ob hinter dem Vorgehen Methode stecke, da sei er sich allerdings nicht so sicher.

Er wünsche sich einen harten Lockdown von der Politik, um die Zahl der Infektionen zu beschränken. Für den Verband hätte das einen weiteren positiven Nebeneffekt: Je länger der Lockdown anhält, desto eher erspart der dem westfälischen Amateurfußball ein Saisonende, das eigentlich fast niemand mehr will.