Mülheim. Im Interview sprechen der Vorsitzende und die Geschäftsführerin des Mülheimer Sportbundes über Corona und die Zukunft des Mülheimer Sports.
Den 100. Geburtstag konnte der Mülheimer Sportbund im vergangenen Jahr noch feiern – in diesem Jahr hat die Corona-Pandemie vieles verhindert. Die medl-Nacht der Sieger – ausgefallen. Die Jahreshauptversammlung – erst verschoben, nun erneut abgesagt. Aber trotzdem waren der 1. Vorsitzende Wilfried Cleven, Geschäftsführerin Nicole Nussbicker und das Team nicht tatenlos. Im Interview haben sich Cleven und Nussbicker über die Lage im Mülheimer Sport, den Umgang mit dem Coronavirus und über das, was in der Zukunft kommt, geäußert.
Herr Cleven, das Coronavirus bestimmt das Jahr 2020. Auch im Sport. Inwieweit hat das auch Ihre Arbeit im MSB beeinflusst?
Wilfried Cleven: Eigentlich hatten wir gedacht, dass es nach dem sehr arbeitsintensiven vergangenen Jahr mit der 100-Jahr-Feier wieder etwas ruhiger werden würde. Aber Corona bringt eine enorme Mehrarbeit mit sich und das wird auch nicht von heute auf morgen beendet sein.
Welche Rolle hat der Sportbund in dieser Zeit denn eingenommen?
Nicole Nussbicker: Unsere Aufgabe ist es vor allem, die Vereine so schnell wie möglich über neue Maßnahmen zu informieren. Wir tauschen uns mit dem Mülheimer SportService und dem Landessportbund aus. Wenn die Vereine Fragen haben, wenden sie sich an uns und wir versuchen so schnell wie möglich Antworten zu finden.
Diese müssen dann aber von den Vereinen selbst umgesetzt werden, oder?
Nussbicker: Genau. Wir sehen uns in erster Linie als Unterstützer für die Vereine. Und die haben in den vergangenen Monaten viele tolle Ideen gehabt wenn es um Online-Trainings oder Videokonferenzen ging. Da waren alle Vereine sehr engagiert. Und das konnten wir aus dem Sportentwicklungs-Fördertopf auch mit insgesamt 10.000 Euro unterstützen.
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Anfang November wurde nun wieder alles heruntergefahren. Die Sportanlagen sind geschlossen, der Spielbetrieb steht still. Wie stehen Sie zu dieser Entscheidung der Landesregierung?
Cleven: Wir haben ein Wachstum des Inzidenzwertes in besorgniserregender Größenordnung. Es musste reagiert werden. Wir hoffen aber natürlich, dass die Einschränkungen nicht über den November hinaus gehen. Zudem lassen manchen Maßnahmen unterschiedliche Deutungen zu.
Was genau meinen Sie damit?
Cleven: Beispielsweise dürfen die Schulen morgens in die Sporthallen und Schwimmbäder. Die Vereine am Nachmittag aber nicht. Das verstehen viele Kinder nicht und das bereitet den Vereinen natürlich Probleme. Auch über die Frage, ob Tennis als Individualsportart auch in der Halle erlaubt sein kann, sollte nachgedacht werden. Aber natürlich kann man es nicht allen Recht machen.
Worauf wird es Ihrer Meinung nach in den kommenden Wochen denn ankommen?
Cleven: Wichtig ist, dass wir eine Akzeptanz in der Bevölkerung erreichen, die dann zu Eigenverantwortung und Solidarität führt. Das verlangt viel Mut und Engagement, um weitere Einschränkungen zu vermeiden. Denn eine monatelange Pause hätte irreparable Schäden, besonders bei Kindern und Jugendlichen zur Folge.
Nussbicker: An dieser Stelle möchte ich ein Lob an die Vereine aussprechen, die die Hygienemaßnahmen 1a umgesetzt haben, so dass sich alle wohlgefühlt haben.
Machen Sie sich Sorgen, dass es nach der Coronakrise den einen oder anderen Verein nicht mehr geben könnte?
Nussbicker: Das Land NRW hat eine Sporthilfe in Höhe von insgesamt 10 Millionen Euro zugesagt. Allerdings werden viele Vereine diese Mittel wohl erst 2021 brauchen. Hier könnte es zu Problemen kommen, wenn das Programm nicht verlängert wird. Bisher wurde es aber bereits zwei Mal verlängert (die aktuelle Frist läuft bis zum 15. November. Anm. d. Red.).
Apropos Sportförderung. Der Mülheimer Sportbund und der Mülheimer SportService hatten sich für dieses Jahr die Förderung des Leistungssports auf die Fahne geschrieben. Hat Corona auch hier für eine Veränderung gesorgt?
Nussbicker: Wir haben dieses Thema erst einmal verschoben und widmen uns aus aktuellem Anlass verstärkt dem Thema Digitalisierung im Sport. Das werden wir vermutlich auch im kommenden Jahr machen, da wir noch nicht sehen, dass es eine deutliche Verbesserung der Situation gibt.
Cleven: Trotzdem haben wir unsere Leistungssportler aber wieder mit 75.000 Euro aus dem Sportförderkreis unterstützt. Es wäre mit Blick auf die Olympischen Spiele 2021 fatal gewesen, das nicht zu tun.
Vor wenigen Tagen hat Marc Buchholz (CDU) sein Amt als neuer Oberbürgermeister von Mülheim angetreten. Welche Erwartungen stellen Sie an den neuen ersten Mann in der Stadt?
Cleven: Marc Buchholz hat in den vergangenen eineinhalb Jahren bereits als Sportdezernent gearbeitet und sein Herz für den Sport gezeigt. Wir hoffen, dass wir mit ihm einen Befürworter haben, um gemeinsam den Sport für Menschen in allen Lebenslagen zu verbessern.
Wo sehen Sie in Mülheim denn Nachholbedarf?
Cleven: Wichtig sind die Leichtathletik-Anlagen, für die alle Förderanträge gestellt sind. Dort gibt es einen großen Bedarf. Auch die neue Sporthalle für die Luisenschule wird ein Thema sein.
Nussbicker: Zudem wäre ein weiteres Schwimmbad wichtig, womit wir mehr Wasserfläche in Mülheim bekommen würden.
Cleven: Das Friedrich-Wennmann-Bad in Heißen ist beispielsweise sehr marode. Dort gibt es ständig Sanierungsbedarf. In dem Zustand in dem das Bad ist, lohnt es sich nicht mehr, Geld hineinzustecken.
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Eigentlich hätte der MSB in diesem Jahr einen neuen Vorstand gewählt. Nun wurde die Jahreshauptversammlung erneut vertagt. Wie geht es weiter?
Cleven: Der aktuelle Vorstand bleibt im Amt. Das ist durch unsere Satzung auch möglich. Wir werden auch einen vorläufigen Haushalt erstellen, der auf den Planungen für 2020 beruht. Sobald es möglich ist, wollen wir dann die Jahreshauptversammlung nachholen und neu wählen. Wir müssen aber noch entscheiden, ob wir das digital, dann bräuchten wir einen rechtssicheren Weg für die Wahl, oder mit einer Präsenzveranstaltung machen.
Und wie steht es um die medl-Nacht der Sieger?
Cleven: Die wird im kommenden Jahr zum zweiten Mal in ihrer Geschichte ausfallen. Die Sieger der Sportlerwahl 2019 wollen wir aber noch bekanntgeben.
Noch einmal zurück zur aktuellen Corona-Lage. Um wen machen Sie sich, neben den Kindern und Jugendlichen, die größten Sorgen?
Nussbicker: Gerade in den Generation 60+ erleben wir einen großen Zuwachs in den Vereinen. Und wenn die sich jetzt wegen Corona nicht treffen dürfen, fällt natürlich alles flach.
Cleven: Für diese Altersgruppe ist der Sport oft auch ein Weg aus der Einsamkeit. Die Pause fördert unter Umständen die Vereinsamung.
Können Sie sich vorstellen, dass der Sport- und Spielbetrieb noch in diesem Jahr wieder aufgenommen wird?
Nussbicker: Das hoffen und wünschen wir uns natürlich. Gerade, weil die Vereine so tolle Konzepte erarbeitet haben. Realistisch ist es , vor allem mit Blick auf den Spielbetrieb, aber nicht.
Cleven: Das hängt natürlich auch alles von den Inzidenzahlen ab. Es wäre wünschenswert, dass es wieder losgeht. Aber wenn die Zahlen nicht runtergehen – und da müssen wir ja auch die Krankenhäuser mit im Blick haben – wird es schwierig.
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