Ruhrgebiet. Der Essener Sportpädagoge Michael Pfitzner spricht über den Umgang mit Kindern und Jugendlichen – und was einen guten Trainer ausmacht.

Gute Jugendarbeit ist das Fundament vieler Sportvereine – und oft auch die Basis dafür, dass die Vereine weiter bestehen. Aber wie können sich die Klubs aufstellen, wie sollten Trainer ausgebildet werden und wie können Talente richtig gefördert werden? Unter anderem darüber spricht Sportpädagoge Michael Pfitzner im Interview.

Hallo Herr Pfitzner, Sie lehren an der Universität Duisburg/Essen im Bereich Sportpädagogik und Sportdidaktik. Dort bereiten Sie junge Menschen auf den Beruf des Sportlehrers vor, oder?

Pfitzner: Ja genau. Und ich bin froh, dass wir in diesem Jahr 30 Studenten haben, die in der Grundschule unterrichten wollen. Denn gerade dort ist es wichtig, dass wir Fachleute haben, die die Kinder in jungen Jahren betreuen.

Das betrifft aber doch auch Vereine. Dort betreuen oft Eltern die jüngsten Mannschaften. Wie sehen Sie das?

Zunächst einmal ist es unglaublich wichtig, dass sich die Eltern engagieren. Sonst würden die Kinder vielleicht gar nichts machen. Aber ob das alles so läuft, wie wir uns das wünschen würden, ist eine andere Sache.

Der Gegner muss auch ein Spielpartner sein

Was wäre denn die Alternative?

Die Frage ist, wie man den engagierten Eltern zur Seite treten kann. Viele Vereine versuchen aus den Jugendmannschaften junge Trainer zu den Eltern hinzu zu holen. Eltern könnten dann stärker in die Organisationsrolle gehen. Wenn der D-Jugendspieler die F-Jugend trainiert, wird es sofort viel spielerischer. So lernen die Kinder es dann auch, dass immer ein älterer dabei ist und engagieren sich später hoffentlich auch in dieser sozialen Hinsicht.

Zur Person

Michael Pfitzner (47) wurde in Nordenham an der Weser geboren. An der Universität in Münster hat er Sport und Sozialwissenschaften studiert.

Anschließend promovierte er in Wuppertal, ehe er fünf Jahre lang als Lehrer gearbeitet hat. Nach seiner Habilitation an der Uni in Münster ging es für ihn an die Uni Kiel. Seit April 2018 lehrt er in Essen.

In der Saison 1990/91 bestritt er für den VfB Oldenburg ein Spiel in der 2. Bundesliga.

Was meinen Sie genau damit, dass es dann spielerischer wird?

Gerade junge Kinder spielen gerne, weil sie gerne spielen. Spielen bedeutet dann auch, dass man erstmal einen Partner braucht. Und der Gegner ist dann der Partner. Das vergessen wir leider schnell. Der Gegner ist nur noch ein Gegner. Wenn er aber nicht kommt, gibt es gar kein Spiel.

Ist unser Sportsystem darauf überhaupt ausgelegt?

Bei kindgemäßem Arbeiten beschäftigt uns das Problem, dass Kinder Zuwendung brauchen. Wir haben aber ein Sportsystem, das auf Leistung ausgelegt ist. Das geht nicht immer gut zusammen. Wenn schon den vier bis sechs-Jährigen die Trikots angezogen werden ist das Kindgemäße plötzlich nicht mehr ganz so wichtig, sondern das Renommee eines Sieges steht im Vordergrund.

Der Boden ist für die Vereine bereitet

Eigentlich müssen dann aber auch schon die Trainer besser ausgebildet sein, oder?

Das Problem ist, dass mit Blick auf die Verbandsstrukturen schnell die Meisterschaften kommen und der Druck auf die Trainer dann größer wird. Der Boden ist bei den Verbänden eigentlich bereitet. Wenn man aber nur die zulässt, die die Lizenzstufen durchlaufen haben, dann können wir die Vereine dichtmachen. So viele Leute haben wir da nicht. Es gibt eine Lücke zwischen den Konzepten und der Realität.

Was kann man dagegen unternehmen?

Es gibt die Versuche die jüngsten mehr und mehr ohne Schiedsrichter spielen zu lassen. Und in diese Richtung kann es eigentlich nur gehen. Es wäre nur gut, wenn diejenigen, die sich zum Spielen verabreden, das Spiel am Ende auch selber leiten. Natürlich braucht man in den hohen Ligen Schiedsrichter, die da auch pfeifen können. Aber gerade bei den jüngeren müssen sich Eltern und Trainer mehr zurückhalten. Wir dürfen den Kindern da viel zutrauen. Sie können das alleine regeln.

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Wie stehen Sie zum Thema Förderung von Talenten?

Gerade diejenigen, die nicht in Fußballvereinen ausgebildet werden, haben einen schweren Stand. Sie wissen sehr genau, dass sie noch so viel investieren können, ihren Lebensunterhalt aber nie davon finanzieren werden. Es wäre sehr schade, wenn diese Erkenntnis auch bei Erwachsenen dazu führt, diese Talente nicht zu fördern. Denn das, was sie im Spitzensport erleben können, ist nicht austauschbar. Eine erzieherische Dimension des Leistungssports ist ja da. So etwas wie mit Sieg und Niederlage umzugehen, sich selbst herauszufordern.

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„Der größere Teil der Talente wird es nicht schaffen“

Funktioniert die Förderung in NRW gut?

Ich habe den Eindruck, dass wir mit Blick auf die Verbindung von Leistungssport und Schule immer besser aufgestellt sind. Beispielsweise können die Kinder dann in fremden Familien leben, um eine Schule an einem Stützpunkt zu besuchen. Da werden die Bedürfnisse gesehen und die jungen Sportler dürfen nur so viel Aufwand im Sport betreiben, das die Schule nicht leidet. Ein guter Abschluss ist mit Blick auf das weitere Leben enorm wichtig.

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Was passiert, wenn es mit der Sportkarriere nicht klappt?

Was häufig nicht genug beachtet wird, ist die frühzeitige Frage nach dem Plan B. Das können Trainer auch nicht im Blick haben, denn ihr Ziel muss es sein, dass Plan A funktioniert. Plan B heißt, dass es dauerhaft nicht klappt und zum Beispiel die Rückkehr zum Ursprungsverein ansteht. Der größere Teil an Talenten wird es am Ende aber ja nicht schaffen. Es ist eine Kernfrage für jeden, der Trainer wird. Man muss sich damit beschäftigen, wie der Schritt zurück aussehen kann.

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Ist ein Pädagoge mehr gefordert, wenn es darum geht negative Nachrichten zu vermitteln?

Auf jeden Fall ist dann die pädagogische Seite gefordert. Da müssen die Verantwortlichen auch nach vorne gewandte Perspektiven oder einen neuen Weg aufzeigen. Das muss dann auch nicht unbedingt der Trainer sein, der in die Kommunikation mit dem Sportler eintritt. Manchmal braucht es da so etwas wie einen Mediator oder eine Art „Kummerkasten“. Trainer sollten einen mündigen Athleten als Ziel haben, mit denen altersangemessen offen kommuniziert wird und der auch Themen aufwerfen darf, wenn es mal nicht so läuft.

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