Ruhrgebiet. Alle zwei bis drei Jahre einen Wechsel und eine gesunde pädagogische Haltung der Trainer – das wünscht sich ein Sportpädagoge für den Nachwuchs.
Wie eng darf und sollte ein Verhältnis zwischen Athlet und Trainer sein? Macht es Sinn, einen Trainer regelmäßig zu wechseln? Darüber, und über Missbrauch im Sport, spricht Michael Pfitzner, Sportpädagoge der Uni Duisburg/Essen im Interview.
Ist es für einen Heranwachsenden gut einen Trainer zu haben, der ihn über viele Jahre begleitet oder ist es besser neue Reizpunkte zu setzen?
Pfitzner: Bei der Leichtathletik-WM war ich überrascht, dass viele, die aus deutscher Sicht erfolgreich waren, von ihren Eltern betreut wurden. Aus pädagogischer Sicht ist das nicht der Idealfall. Denn Emanzipation ist auch ein wichtiges Element jugendlicher Entwicklung. Ich habe eher die Tendenz, dass periodische Wechsel nach zwei, drei Jahren sinnvoll sind. Die Sportler müssen sich aber natürlich auch wohlfühlen und sich auch mal einen schlechten Wettkampf erlauben können.
Wie sollte das Verhältnis zwischen Trainer und Sportler sein?
Da geht es auch um die pädagogische Haltung. Ja, ich bin für den Erfolg der Mannschaft oder des Athleten verantwortlich. Aber das sind auch junge Erwachsene, denen ich die Grenzen aufzeigen muss. Ich kenne das Beispiel einer Handballspielerin, die aus Fördermaßnahmen herausgehalten wird, weil sie nicht mannschaftsdienlich genug spielt. Obwohl sie die beste Spielerin der Mannschaft ist, halte ich das für richtig.
Wie stark die Verbände an der pädagogischen Herangehensweise arbeiten, da bin ich skeptisch.
Zur Person
Michael Pfitzner (47) wurde in Nordenham an der Weser geboren. An der Universität in Münster hat er Sport und Sozialwissenschaften studiert.
Anschließend promovierte er in Wuppertal, ehe er fünf Jahre lang als Lehrer gearbeitet hat. Nach seiner Habilitation an der Uni in Münster ging es für ihn an die Uni Kiel. Seit April 2018 lehrt er in Essen.
In der Saison 1990/91 bestritt er für den VfB Oldenburg ein Spiel in der 2. Bundesliga.
Grenzen dürfen aber auch von Seiten der Trainer nicht überschritten werden, oder?
Definitiv. Aber das ist immer ein schmaler Grat. Da fängt es bei Hilfestellungen im Sportunterricht an. Da muss ich als Lehrer nicht in die Kabine der Schüler gehen. Das ist ein Bereich, den ich nur betrete, wenn es einen Notfall gibt. Bei Vereinen ist das Problem, dass die Bindung zwischen Mannschaft und Trainer oft eng ist. Da sieht es schon komisch aus, wenn das gesamte Team jubelt, der Trainer aber abseits steht. Da kommt es auch wieder auf die pädagogische Haltung des Einzelnen an.
Müssen Kinder und Jugendliche da auch deutlicher zeigen, wenn ihnen etwas nicht passt?
Das wäre großartig, wenn das so wäre. Die Verantwortung muss aber natürlich bei den Vereinen liegen. Sie können daran arbeiten, die Kinder zu stärken. Es darf dann natürlich nicht zu einer Nichtnominierung durch die Trainer führen, wenn kritische Themen angesprochen werden. Da reden wir über eine potenzielle Machtausübung, der sich die Verantwortlichen bewusst sein müssen.
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Gibt es Unterschiede in der Betreuung von Jungs und Mädchen?
Wir müssen dabei aufpassen, dass nicht diejenigen auf der Strecke bleiben, die nicht den Stereotypen entsprechen. Nicht alle Mädchen sind so, wie Mädchen gerne verallgemeinernd dargestellt werden und ebenso sind nicht alle Jungen „typische“ Jungen. Wir sollten da nicht etwas konstruieren. Sonst gibt es einen Anpassungsdruck, den wir nicht wollen. Man darf aber auch nicht außen vorlassen, dass Trainer auch eine gewisse Erfahrung aus dem Alltag im Umgang mit Jungen und Mädchen mitbringen, die eher stereotypisch sind. Diese darf man nicht außer Acht lassen, da sie sich beim Umgang mit Jungen- und Mädchengruppen im Sport als hilfreich erwiesen haben
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