Ruhrgebiet. Auf Sportplätzen werden Schiedsrichter Opfer von Gewalt. Im Interview fordert ein Sportpädagoge nun Konsequenzen und appelliert an Vereine.
Die Gewalt auf Fußballplätzen hat in den vergangenen Wochen wieder zugenommen. Spielabbrüche und Polizeieinsätze quer durch das Ruhrgebiet waren die Konsequenz – Sportpädagoge Michael Pfitzner nennt mögliche Ursachen und fordert Konsequenzen.
Aktuell spielt das Thema Gewalt auf Sportplätzen wieder eine große Rolle. Wo gilt es dort anzusetzen?
Pfitzner: Die erste Frage ist, wie das überhaupt passieren kann? Denn eigentlich ist die Niederlage einer Mannschaft ja völlig folgenlos. Es gibt keinen Grund, einen Steinwurf gegen einen Schiedsrichter zu rechtfertigen. Da scheint das Gefühl für die Werfenden, die dort nach einem Jugendspiel Steine auf das Auto des Unparteiischen geworfen haben, ein Teil einer größeren Gruppe zu sein, eine Rolle zu spielen. Der grundsätzliche Umgang, sowas wie Fairness, scheint dann vollkommen in Vergessenheit zu geraten. Da sind wir wieder an dem Punkt, dass wir fair sein müssen zum Partner des Spiels. Fairnesserziehung ist eine ganz, ganz wichtige Thematik.
Welche Konsequenzen braucht es da?
Wenn es nur darum geht, dass es ein Sportgericht eine Geldstrafe verhängt, dann ist das nachvollziehbar, aber eigentlich ist damit nicht viel gewonnen. Wir müssen eine andere Kultur des Fairplays im Wettkampfsport entwickeln. Der junge Mann, der das Spiel in Mülheim gepfiffen hat, kann ja eigentlich nur aufhören mit der Schiedsrichterei. Denn bis sich eine andere Kultur des Miteinanders entwickelt hat, ist er ein alter Mann. Der Schutz der Schiedsrichter ist enorm wichtig. Offenbar werden sie nicht als Teil des Spiels betrachtet. Aber ohne den geht es nicht. Vielleicht geht es nur so, dass jeder mal Schiedsrichter sein muss, um Empathie zu entwickeln. Ich muss mich in diese Person hineinversetzen können. Da hat der Fußball Nachholbedarf.
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Mehr Gelassenheit bei allen Beteiligten
Was können die Vereine tun?
Wir brauchen mehr Miteinander im Nachwuchsbereich. Die Kleinen lassen sich von den nur wenig Älteren anleiten. Eltern und Trainer können sich dann deutlich mehr heraushalten. Wir leisten uns allerdings nur ungerne ein Unperfekt. Schiedsrichter dürfen zum Beispiel keine Fehler machen, obwohl der Saldo der richtigen und falschen Entscheidungen zwischen beiden Teams in einem Spiel oft gar nicht groß ist. Da brauchen wir mehr Gelassenheit. Ein tätlicher Angriff auf einen Schiedsrichter ist immer auch ein Angriff auf die Würde des Menschen.
Zur Person
Michael Pfitzner (47) wurde in Nordenham an der Weser geboren. An der Universität in Münster hat er Sport und Sozialwissenschaften studiert.
Anschließend promovierte er in Wuppertal, ehe er fünf Jahre lang als Lehrer gearbeitet hat. Nach seiner Habilitation an der Uni in Münster ging es für ihn an die Uni Kiel. Seit April 2018 lehrt er in Essen.
In der Saison 1990/91 bestritt er für den VfB Oldenburg ein Spiel in der 2. Bundesliga.
Haben wir was das angeht, auch ein kulturelles Problem?
Es muss doch hoffentlich so sein, dass beispielsweise türkische Jungs, die abseits des Platzes meine Freunde sind, dass auch auf dem Fußballplatz bleiben, wenn wir gegeneinander spielen. Der Verein hat mit Blick auf die Integration große Potenziale. Denn in Sportvereinen sind, wie sonst nur in der Grundschule, der einzigen echten Gesamtschule, alle zusammen – vor allem beim Fußball.
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Das könnte manchen Entwicklungen einen Riegel vorschieben. Wenn die Strafe aus dem solidarischen einvernehmen der eigenen Gruppe der Fußballer kommt, wirkt das sicher mehr als manche Geldstrafe.
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