Kamp-Lintfort. Drohungen, Angriffe, Hasskommentare: Gewalt gegen Schiedsrichter nimmt zu. Trotzdem kämpft Pascal „Qualle“ Martin für mehr Respekt im Fußball.
Sie sollen auf dem Fußballplatz für ein gerechtes Spiel sorgen, werden aber immer häufiger Opfer von Gewalt und verbalen Angriffen: die Unparteiischen. Erst kürzlich wurde in Moers ein 18-jähriger Schiedsrichter von einem Spieler bedroht. Und eine Woche nach dem Besuch von Schiedsrichter und Influencer Pascal „Qualle“ Martin beim 1. FC Lintfort ausgerechnet an der Franzstraße der nächste Vorfall: Einem 18-jährigen Schiedsrichter wird nach dem A-Jugendmatch des FCL gegen den VfB Homberg II ins Gesicht geschlagen. “Qualle“ setzt sich öffentlich für mehr Respekt im Fußball ein. Mit Gewalt auf dem Spielfeld kennt auch er sich aus.
Knapp 1,5 Millionen Abonnenten folgen dem 23-Jährigen auf den Internet-Plattformen TikTok und Instagram. Manchmal kommen Zuschauerinnen und Zuschauer nur zu einem Spiel, weil es Pascal Martin anpfeift: „Bei einem normalen D-Jugendspiel kamen mal fast 800 Leute und haben mich angefeuert.“ Vor zweieinhalb Jahren begann der Referee dann damit, Videos und Eindrücke aus seinem Schiedsrichteralltag zu posten. Und er hat eine klare Botschaft.
Pascal „Qualle“ Martin: Für mehr Respekt auch in Kamp-Lintfort
„Schiedsrichter sind oft die Mobbingopfer, die man hasst und nicht braucht“, sagt „Qualle“. Für ihn gehören Schiedsrichter aber genauso zum Spiel wie die Spieler. Und sollten deshalb nicht weniger respektvoll behandelt werden. Vor allem junge Unparteiische, die gerade erst anfangen, hätten es schwer: Trainer brüllen und Eltern schimpfen.
Manchmal kämen junge Spieler zu „Qualle“, um sich für die Ausfälle ihrer Eltern zu entschuldigen. „Die Eltern machen vor ihren eigenen Kindern den Fußball kaputt“, sagt der ehemalige Duisburger. Für ihn fehlt hier schlicht die Vorbildfunktion.
Reaktionen von außen: Gewalt gegen Schiedsrichter
Der größte Nachteil seiner Bekanntheit seien „die eigenen Schiri-Kollegen.“ Hasserfüllte Kommentare kämen oft von älteren Schiedsrichtern auf Facebook, die gelegentlich auch bei Spielen auftauchen: „Einmal kam ein anderer Schiedsrichter zum Spiel, nur um mir eine Glasflasche an den Kopf zu werfen.“ Die Narbe an Qualles Kopf erinnert noch an den Vorfall.
„Einmal kam ein anderer Schiedsrichter zum Spiel, nur um mir eine Glasflasche an den Kopf zu werfen.“
Trotzdem werde er heute seltener beleidigt. Kaum jemand sei auf ihn sauer, wenn er einen Fehler macht – egal ob Spieler oder Elternteil. Dass das keine Regel ist, weiß er genau. „Das ist nicht normal – jeder sollte mit Respekt behandelt werden.“
Pascal Martin finanziert sich heute durch seine Aktivitäten auf Social Media: durch Kooperationen mit Unternehmen, aber auch durch Buchungen zum Anpfeifen eines Spiels. Dafür fahre er durch ganz Deutschland und sei teilweise zehn Stunden am Stück unterwegs: „Ich mache das, um den Kindern etwas mitzugeben. Meinen Job als Schiri ziehe ich noch genau so durch wie vorher.“ Sein Engagement ist groß, doch die Realität zeigt Probleme im Nachwuchsbereich.
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Wenig Schiedsrichter-Nachwuchs: „Ganz klar wegen der Gewalt“
Obwohl 2023 erstmals seit 20 Jahren mehr Schiedsrichter anfingen als aufhörten, hat der Deutsche Fußball-Bund Nachwuchssorgen: Nach Angaben des DFB gibt es ein Drittel weniger Schiedsrichter als noch vor zehn Jahren. Woran liegt das?
Für Pascal Martin ist es eindeutig: „Ganz klar wegen der Gewalt.“ Immer häufiger müssen Spiele aufgrund von Gewalt gegen Schiedsrichter abgebrochen werden, bestätigt der DFB. Pascal Martin hebt hervor: „Versetze dich in einen Zwölfjährigen: Der will Schiri werden und googelt erst mal. Die ersten Ergebnisse sind: Schiri bewusstlos geschlagen, Schiri nach Hause verfolgt, Schiri angegriffen. Als ob dann noch jemand Lust hätte.“
Qualle gibt Workshop in Kamp-Lintfort
Um dem Nachwuchs den Schiedsrichterberuf trotz der Herausforderungen näherzubringen, gibt Qualle nach jedem Spiel, das er anpfeift, einen Workshop. Eine Stunde lang erzählt er von seinen Erfahrungen und erklärt, warum es im Fußball weiterhin Schiedsrichter braucht. Dabei spricht er auch über Gewalt und Mobbing. Aber auch die Vereinsoffiziellen erfahren, wo das Problem des Nachwuchsmangels liegt – und was sie dagegen tun können.
„Bleibe bei dir selbst. Bleibe bei deinem Standpunkt.“
In seinen Videos fragt „Qualle“ seine Community zum Beispiel, was zu einem Strafstoß führt und was nicht. Oder was passiert, wenn die Eltern in der ersten Halbzeit zu laut und zu aggressiv sind. Ab und zu kommentiert er auch neue Regeln im Fußball.
„Qualle“ in Kamp-Lintfort: Respekt auf dem Platz – auch für den Schiedsrichter
Gerade beim Nachwuchs sollten Eltern, Trainer und Spieler die jungen Schiedsrichter an die Hand nehmen und unterstützen. Auch sie können Fehler machen – und das ist ganz normal, meint Pascal Martin. Für sie sei es besonders schwierig, sich durchzusetzen und standhaft zu bleiben, wenn alle auf sie einreden. Den Neulingen gibt „Qualle“ eines mit: „Bleibe bei dir selbst. Bleibe bei deinem Standpunkt.“
Aber Pascal „Qualle“ Martin will auch den Vereinen klarmachen, dass sie den Schiedsrichter nicht nur dann mit Respekt behandeln sollen, wenn er kommt. Sondern jeden. Und das immer.
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