Gelsenkirchen. Die umfangreiche Analyse zu Gelsensport ist abgeschlossen. Das raten die Experten - und so reagieren Stadtsportbund sowie Politik.
Paukenschlag im Gelsenkirchener Sport: Der Stadtsportbund Gelsensport könnte bald wichtige Aufgaben verlieren und künftig nicht mehr federführend für die Sportverwaltung verantwortlich sein.
PwC-Experten stellen in Gelsenkirchen Ergebnisse vor
Das empfehlen Vertreter des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Pricewaterhouse-Coopers (PwC), die gestern im Sportausschuss die Ergebnisse der Organisationsanalyse zu Gelsensport vorgestellt haben. Damit steht ein in Deutschland einzigartiges Projekt, das sogenannte „Gelsenkirchener Modell“, vor dem Aus.
Seit einem Jahr hat PwC anhand von Dokumenten und Mitarbeiterinterviews die Abläufe und Zuständigkeiten bei Gelsensport analysiert. Auslöser waren unter anderem Kritik seitens der Sportvereine an langen Wartezeiten bei Anfragen, der schlechte Zustand vieler Sportanlagen und plötzliche Personalwechsel.
Gelsensport übernimmt seit 1994 Aufgaben der Sportverwaltung
PwC stellte anschließend vor allem die besondere Struktur der Gelsenkirchener Sportverwaltung auf den Prüfstand: Seit 1994 übernimmt Gelsensport nämlich für die Stadt die Aufgaben der Sportverwaltung (z.B. Finanzierung, Baumaßnahmen, Sportstättenvergabe), die in anderen Kommunen meist ein Sportamt erfüllt. Bis heute gibt es dieses „Gelsenkirchener Modell“ in keiner anderen Stadt in Deutschland. Die PwC-Experten raten nun jedoch zur Abkehr von diesem Modell.
Sie bemängeln unter anderem, dass die Kommunikation zwischen Stadt und Gelsensport kompliziert sei und Zuständigkeiten nicht klar geregelt seien: „Teilweise wissen die Mitarbeiter nicht wirklich, an wen sie sich wenden können. Viele Abstimmungen basieren auf informellen Kontakten“, schilderte Henry Otto, einer der PwC-Experten. Außerdem gebe es Interessenkonflikte bei den städtischen Mitarbeitern: Einige Beschäftigte sind nicht bei Gelsensport angestellt, sondern bei der Stadt, da sie die Aufgaben der Sportverwaltung übernehmen, um die sich bis 1994 noch die Stadt selbst gekümmert hatte.
Gelsenspurt-Strukturen: Organisatorisch anspruchsvoll
Diese Mitarbeiter sitzen aber dennoch bei Gelsensport und müssen sich auch an die Weisungen des Gelsensport-Geschäftsführers halten: „Durch dieses Direktionsrecht entsteht bei den städtischen Mitarbeitern teilweise ein Konflikt: ‚Welchem Herrn diene ich jetzt?‘ Das ist organisatorisch sehr anspruchsvoll“, erklärten die PwC-Experten. Positiv hoben sie die vielen Projekte von Gelsensport hervor. Auch rechtlich sei gegen das Modell nichts einzuwenden. Dennoch empfehlen sie, dass Gelsensport die klassischen Aufgaben der Sportverwaltung wieder an die Stadt abtreten solle.
Andere Aufgabe als die Verwaltung
Auch die städtischen Mitarbeiter sollten dann wieder in die Verwaltung integriert werden, etwa in Form eines Sportamts. Gelsensport solle derweil wieder die Rolle eines klassischen Stadtsportbunds einnehmen: „Gelsensport hat eben eine andere Aufgabe als die Verwaltung: Gelsensport soll die Interessen der Vereine gegenüber Stadt und Politik vertreten. Jeder muss sich auf seine Aufgabe konzentrieren“, sagte Hansjörg Eger von PwC.
Politik berät, wie es weitergeht
Die Politik wird nun beraten, wie es mit dem Vertrag zwischen Gelsensport und der Stadt weitergeht. Er läuft Ende 2024 aus und müsste, wenn die Politik den PwC-Empfehlungen folgt, bis Ende 2023 gekündigt werden. Im Sportausschuss einigten sich die Parteien auf einen ersten Antrag: Bis zur nächsten Sportausschuss-Sitzung nach der Sommerpause soll die Stadt mit Gelsensport erarbeiten, wie der Sport in Gelsenkirchen künftig organisiert werden könnte.
Präsident Klaus Lindner zeigt sich offen
Gelsensport-Präsident Klaus Lindner zeigte sich im Sportausschuss offen für Veränderungen: „Das ist ein gemeinsamer Startpunkt in die Zukunft. Wir wollen mit Verwaltung und Politik nach Lösungen suchen.“ David Fischer, der sportpolitische Sprecher der Grünen, bezeichnete die PwC-Ergebnisse als „dicke Klatsche für dieses Modell“ und für Andreas Batzel, sportpolitischer Sprecher der CDU, wurde „sehr deutlich, dass das Modell nicht mehr zeitgemäß ist“. Auf Bitte der SPD stellte Sportdezernentin Anne Heselhaus klar, dass alle Gelsensport-Mitarbeiter auch bei einer Auflösung des Vertrags ihre Jobs behalten könnten: „Wir wollen die Mitarbeiter nicht benachteiligen.“