Bottrop. Die Zusammenarbeit mit dem Trainer endet im Juni nach 122 Ligaspielen: Mit der Vorstandsentscheidung tut sich Sebastian Stempel schwer.
Hinter dem SV Fortuna Bottrop liegen emotionale Tage. Ende März gab der Bezirksligist die Trennung von Trainer Sebastian Stempel zum Saisonende bekannt. Eine Entscheidung, die im Verein nicht unumstritten ist. Kritiker fühlen sich durch die sportliche Antwort der Mannschaft bestätigt. Zuletzt gelang den Fortunen ein überraschender 2:0-Sieg beim souveränen Spitzenreiter SG Schönebeck.
Herr Stempel, wann und wie haben sie davon erfahren, dass sie ab Sommer nicht mehr Teil der sportlichen Planungen beim SV Fortuna sind?
Stempel: Das war in der Woche nach dem Derbysieg gegen Rhenania. Der Vorstand kam auf mich zu, hat mich um ein Gespräch gebeten und hat mir seine Entscheidung in diesem Rahmen dann auch mitgeteilt.
Kam das für Sie überraschend?
In den Vorwochen sind ein paar Dinge passiert, die ich als Hinweise gewertet habe. Ich plane immer sehr früh die kommende Saison. Aber mit meinen Fragen und Vorstellungen bin ich zuletzt ins Leere gelaufen. Da hat mich der Vorstand vertröstet. Gerüchte über einen Trainerwechsel gab es ja schon Ende des vergangenen Jahres. Ich hätte mir zu einem früheren Zeitpunkt Offenheit gewünscht. Nach fünf gemeinsamen Jahren war die Kommunikation eine Enttäuschung für mich. Ich persönlich kann die Entscheidung auch nicht nachvollziehen. Die Spiele gegen Rhenania und Schönebeck haben klar gezeigt, dass die Mannschaft intakt ist.
Der 2:0-Erfolg bei Tabellenführer SG Schönebeck hat viele überrascht. Zumal das Team in der Vorwoche gegen Schlusslicht SV Union Velbert noch enttäuscht hatte. Wie bewerten Sie das Resultat?
Der Derbysieg gegen Rhenania hat für mich sogar einen noch höheren Stellenwert. Diese Leistungen bestätigen mich in der Auffassung, dass wir vieles richtig machen, dass die Harmonie in der Mannschaft stimmt und auch, dass mein Verhältnis zum Team gut ist. Einen plausiblen Grund für die Trennung ist der Verein mir noch schuldig. Alle, die seitdem aus dem Vereinsumfeld zu mir kommen, sehen das auch so. Niemand kann das wirklich nachvollziehen. Aber das ist eine Entscheidung des Vorstandes, die so zu akzeptieren ist. Als Trainer bin ich ja auch immer wieder dazu gezwungen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Aber ich glaube auch, dass der Vorstand meine Enttäuschung nachempfinden kann.
- Fußball: Wie Fatih Candan den Wechsel zu Rhenania Bottrop begründet
- Fußball: Fortuna Bottrop bringt Schönebeck die erste Heimpleite bei
- Fußball: Rhenania Bottrop zeigt im Kellerduell nach 0:2 Nervenstärke
- Fußball: Kein Aprilscherz: Rhenania Bottrop verpflichtet Fatih Candan
- Fußball: Welheimer Löwen: Zwei Rote, sechs Tore, Abstiegsangst
- Frauenfußball: Mintard patzt: Rhenania Bottrop ist zurück im Meisterrennen
Was schmerzt am meisten an der Entscheidung des Fortuna-Vorstands?
Kernpunkt ist die fehlende Offenheit. Ich habe jetzt aber überhaupt kein Interesse daran, dreckige Wäsche zu waschen. Vor wenigen Tagen hat mir jemand gesagt: ,Ärgere dich nicht. Schau zurück und blick auf das, was du mit Fortuna erreicht hast‘. Das hat mir viel gegeben.
In den fünf Jahren auf Rheinbaben hatten Sie mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen. Immer wieder wurden Leistungsträger von der Konkurrenz abgeworben. Dennoch stimmte immer das sportliche Ergebnis. Was missfällt dem Vorstand an ihrer Arbeit?
Der Vorstand schreibt in seiner Stellungnahme, dass er mir nichts vorzuwerfen hat. Dass die Trennung keine Entscheidung gegen mich sei. Ich habe mir auch nichts vorzuwerfen. Wir haben immer unsere sportlichen Ziele erreicht, standen nach jeder Saison auf einem einstelligen Tabellenplatz. Selbst während der Pandemie lief es bei uns gut, da waren wir auf Augenhöhe mit dem VfB Bottrop, waren Tabellenzweiter.
Große Transferoffensiven gab es bei Fortuna nicht. Wie konnten die Abgänge kompensiert werden?
Ich habe mich immer geärgert, wenn wichtige Spieler gegangen sind, aber ich habe mich auch immer bemüht, ruhig zu bleiben und voran zu gehen. Man darf sich von solchen Enttäuschungen nicht zurückwerfen lassen. Und das ist uns auch immer wieder gelungen. Wir haben die Mannschaft immer wieder neu aufgebaut und verstärkt. Das ging nur, weil sich viele erfahrene Spieler an dieser Aufgabe beteiligt haben. Jungs wie Tim Strickerschmidt, Norman Hassenrück, Matthias Beckfeld, Marcel Leidgebel, Marcel Siwek und andere haben das Team zusammengehalten und geführt. Ich bin den Jungs sehr dankbar, sie haben eine Mentalität vorgelebt, die mir sehr imponiert.
Nicht wenige hatten vor der Saison damit gerechnet, dass Fortuna in der schweren Bezirksliga-Gruppe 7 zu den Abstiegskandidaten zählen würde. Doch das Team steht nicht nur gefestigt in der oberen Tabellenhälfte, sondern auch stolze elf Punkte vor dem SV Rhenania Bottrop, der mit Aufstiegshoffnungen in die Spielzeit gestartet war. Sind Sie selbst zufrieden mit dem Status quo?
Aber selbstverständlich. In vielen Spielen hat unser Teamgeist den Unterschied ausgemacht. Wenn wir das jetzt durchziehen und die Saison auf dem siebten Tabellenplatz beenden, dann bin ich sehr zufrieden. Wir haben zu Saisonbeginn aus der Not heraus viele junge Spieler dazu genommen. Wichtige Spieler hatten den Verein verlassen, andere zogen sich langwierige Verletzungen zu. Das war keine einfache Situation. Dass dann junge Spieler die Gelegenheit am Schopf packen und sich in den Vordergrund spielen, ist eine wirklich tolle Sache. Exemplarisch dafür ist Nick Sommer, der eine fantastische Entwicklung genommen hat. Mittlerweile führt er die Mannschaft sogar als Kapitän aufs Feld.
Fortuna Bottrop war ihre vierte Trainerstation. Wie geht es für Sie im Sommer weiter?
Ich habe schon einige Anfragen und werde sicher bald auch Gespräche führen. Trainer zu sein, macht mir großen Spaß, ich würde gerne weiterarbeiten. Aber ich mache das nicht nur, um Trainer zu sein. Es muss schon passen zwischen mir und dem neuen Verein. Ich bin auch nicht traurig, wenn sich bis zum Sommer nichts ergibt. Ich bin ein Familienmensch und werde auch ohne den Job an der Seitenlinie keine Langeweile haben.