Bochum. Tanzkostüme kosten mehrere hundert Euro. Das bedeutet für viele Familien eine enorme Belastung. Beim TTC Rot-Weiß-Silber Bochum haben sie aber eine besondere Lösung gefunden.
„Nicht das Geld soll entscheiden, ob ein Kind tanzen kann oder nicht“, betont Just Berger. Der 34-Jährige ist Tanzlehrer beim TTC Rot-Weiß-Silber in Bochum. Die verschiedenen Kostüme, die je nach Kategorie und Disziplin benötigt werden, lassen die jährlichen Ausgaben vieler Familien steigen. Pro Jahr können bis zu fünf Kostüme pro Tänzerin benötigt werden – und das kostet viel Geld. „Pro Kostüm kommen wir allein schon auf Materialkosten von 300 bis 400 Euro“, erklärt Berger.
Damit der Traum vom Tanzen jedoch nicht an den finanziellen Mitteln der Familien scheitert, haben Just Berger und sein Partner Andy Bartsch (32), ebenfalls Tanzlehrer beim Verein, im Jahr 2012 eine Lösung für dieses Problem gefunden. „Wir haben uns gedacht: Eine Hose und ein Oberteil kaufen und das Kostüm gestalten, das können wir auch selbst ganz gut.“ Seitdem werden die Kostüme von den Müttern der Kinder selbst genäht.
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Nähen als Gemeinschaftsprojekt
„Es gibt zwei Gruppen“, erklärt Berger das Konzept. „Die Mütter, die schon länger dabei sind und Näherfahrung haben, bringen den neuen Müttern bei, wie die Kostüme gemacht werden.“ Der Gedanke dahinter ist einfach, aber effektiv: Jede Mutter näht das Kostüm für ihr eigenes Kind.
Für viele der Frauen ist das eine völlig neue Herausforderung. „Ich habe das Nähen erst hier kennengelernt und finde es toll“, erzählt Stefanie Klostermann, die inzwischen mit Begeisterung an den Kostümen für die Wettbewerbe arbeitet. Unterstützung erhalten sie von Berger und Bartsch, die die Schnittmuster und das Design für die Kostüme entwerfen und diese an die Mütter weitergeben.
Das Nähen der Kostüme ist zwar deutlich günstiger, aber ein sehr aufwendiger Prozess. „Es dauert zwischen 20 und 30 Stunden, bis ein Kostüm fertig ist“, sagt Berger, der in diesem Jahr als Bochumer Sportler des Jahres ausgezeichnet wurde.
Besonders viel Zeit nimmt das Aufkleben von Glitzersteinen in Anspruch. Pro Kostüm werden rund 9000 Glitzersteine benötigt – und jeder einzelne wird von Hand aufgeklebt. „Das ist zwar viel Arbeit, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen“, sagt Atousa Schneider, die seit zehn Jahren für ihre beiden Töchter Kostüme näht. „Nähen und Kleben ist mein eigentliches Hobby geworden, seit meine Kinder hier tanzen“, lacht sie.
In den vergangenen Jahren habe sich die Gestaltung der Kostüme deutlich verbessert. „Die Kostüme werden immer komplexer“, erzählt Eva Nieberg. Das sei zwar viel Aufwand, aber die Ergebnisse seien auch von Jahr zu Jahr besser geworden. Während der Verein mit einfachen Kostümen angefangen hat, schmücken jetzt aufwendig gearbeitete Muster und Verzierungen die Kostüme der Kinder.
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Gebrauchte Kostüme als Alternative für Einsteigerinnen
Neben dem Nähen bietet der Verein auch eine zweite Möglichkeit, die hohen Kosten für die Tanzkostüme zu reduzieren. „Es besteht die Möglichkeit, die alten Kostüme von anderen Mitgliedern abzukaufen“, erklärt Berger. Manche der Kostüme werden darüber hinaus an andere Vereine weiterverkauft, wenn sie nicht mehr gebraucht werden – manchmal sogar ins Ausland.
Teamarbeit für die Weltmeisterschaft
Aktuell laufen die Vorbereitungen für die Disco-Dance-Weltmeisterschaft, die vom 24. bis 27. Oktober stattfindet, auf Hochtouren. In ihrer Freizeit sitzen die Mütter zusammen, um die Kostüme für den internationalen Wettbewerb fertigzustellen. „Wir entwickeln uns alle weiter und kreieren wunderschöne Kostüme nach den Anleitungen von Just und Andy. Ich habe eine große Leidenschaft dafür entwickelt“, berichtet Veronika Kotulla, die bereits seit zwölf Jahren für ihre Tochter näht. Für viele Mütter ist das Nähen mittlerweile weit mehr als nur eine Möglichkeit, Geld zu sparen. Es ist zu einem gemeinschaftlichen Projekt geworden, an dem die meisten Mütter große Freude haben – und das den Kindern ermöglicht, in ihren selbst genähten Kostümen auf der Tanzfläche zu glänzen.
Die Weltmeisterschaft rückt näher und der Druck steigt, doch die Begeisterung der Mütter ist ungebrochen. „Es macht sehr viel Spaß, hier gemeinsam die Kostüme zu gestalten“, freut sich Stefanie Klostermann. Wenn die Kinder Ende Oktober auf der internationalen Bühne stehen, werden sie nicht nur ihre Tanzkunst zeigen – sie werden auch die Arbeit ihrer Mütter präsentieren, die im Hintergrund stundenlang Nadel und Faden geschwungen haben.
Das Projekt von Just Berger und Andy Bartsch hat das Leben vieler Familien im Verein verändert. Kinder, die vielleicht nie die Chance gehabt hätten, aufgrund finanzieller Hürden am Tanzen teilzunehmen, können nun bei großen Wettkämpfen mitmachen – und auch einige Mütter haben eine neue Leidenschaft entdeckt.
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